Berlin/Rheinland-Pfalz

Grüne und FDP wollen Vorsondierungen aufnehmen: Ampel-Kennerin Malu Dreyer wird für die SPD mitverhandeln

Sehen wir hier zukünftige Koalitionäre? Das Foto mit Annalena Baerbock (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) entstand während des Wahlkampfs im Sommer.
Sehen wir hier zukünftige Koalitionäre? Das Foto mit Annalena Baerbock (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) entstand während des Wahlkampfs im Sommer. Foto: dpa

Unmittelbar nach der Bundestagswahl mit dem Unionsdebakel und einem großen SPD-Erfolg hat das Tauziehen um die Bildung der nächsten Bundesregierung begonnen. Ein Überblick zu einem ereignisreichen Tag:

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1 Die FDP prescht vor: Die FDP will schnelle Gespräche mit den Grünen über eine gemeinsame Regierungsbeteiligung führen. Die Parteiführung habe beschlossen, zeitnah „Vorsondierungen“ mit den Grünen aufzunehmen, sagte der Vorsitzende Christian Lindner nach Beratungen von Bundesvorstand und Präsidium. „Zwischen Grünen und FDP gibt es die größten inhaltlichen Unterschiede bei den Parteien des demokratischen Zentrums, die jetzt über eine Regierungsbildung miteinander sprechen könnten“, erläuterte Lindner. „Deshalb macht es Sinn, angesichts dieser bisweilen bestehenden Polarisierung den gemeinsamen Grund zu suchen.“

2 Die Grünen wollen auf Liberale zugehen: Aus der Wahl geht Parteichefin Annalena Baerbock geschwächt hervor. Seit Sonntagabend hat sich die Präsenz ihres Co-Vorsitzenden Robert Habeck schon deutlich erhöht. Es gibt bereits deutliche Spekulationen, dass er in einer neuen Regierung Vizekanzler werden könnte. Doch zunächst soll nun das Sondierungsteam der Grünen zusammengestellt werden. Dann soll nicht nur mit der FDP, sondern auch schon mit Union und SPD gesprochen werden. „Wir gehen davon aus, dass es jetzt in den nächsten Tagen Gespräche mit allen Parteien geben wird, die potenziell in der Lage sind, eine Regierung in bestehenden Konstellationen zu bilden“, sagte Habeck. Doch aus seiner Erfahrung mache es zunächst Sinn, dass die Parteien, die am weitesten voneinander entfernt seien, schauten, ob sie es zusammen hinbekämen, sagte Habeck dem Sender NDR Info. Das seien nun mal FDP und Grüne. „Also insofern werden wir zuerst auf die FDP zugehen.“

3 In der Union steigt die Unruhe: Trotz des historisch schlechten Ergebnisses der Union warb der CDU-Vorsitzende Armin Laschet auch am Montag für eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP. Insgesamt äußerten sich führende Unionspolitiker spürbar zurückhaltender als noch am Wahlabend. Von einem Anspruch auf eine Regierungsbildung war nicht mehr die Rede. Als Zweitplatzierter habe die Union keinen solchen Anspruch, machte CSU-Chef Markus Söder klar. Auch Laschet betonte: „Keine Partei kann aus diesem klaren Ergebnis für sich einen Regierungsauftrag ableiten. Auch wir nicht.“ Die rheinland-pfälzische CDU-Landtagsabgeordnete Ellen Demuth forderte Laschets Rücktritt. „Ich wünschte, es gäbe eine Selbsterkenntnis“, schrieb sie bei Twitter. „Nach der bedenklichen Pressekonferenz bleibt mir leider nur zu sagen: Armin Laschet, Sie haben verloren. Bitte haben Sie Einsicht. Wenden Sie weiteren Schaden von der CDU ab, und treten Sie zurück.“ Demuth war Chefstrategin bei Norbert Röttgen, als der sich Ende 2020 wie Laschet und Friedrich Merz für den Parteivorsitz bewarb.

4 Die SPD bereitet Sondierungen vor: Die SPD will mit sechs Spitzenpolitikern aus Bund und Ländern in die Sondierungsgespräche mit Grünen und FDP gehen. Neben Kanzlerkandidat Olaf Scholz sollen die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, Generalsekretär Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich und die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, an den Verhandlungstisch. Scholz will mit Grünen und FDP über die Bildung einer „sozial-ökologisch-liberalen“ Regierung sprechen. Alle drei Parteien hätten eine „Fortschrittserzählung“. „Wenn drei Parteien, die den Fortschritt am Beginn der 20er-Jahre im Blick haben, zusammenarbeiten, kann das etwas Gutes werden, selbst wenn sie dafür unterschiedliche Ausgangslagen haben“, betonte er.

5 Chefinnen der Linkspartei geben nicht auf: Die beiden Vorsitzenden der Linken wollen nach den drastischen Verlusten ihrer Partei im Amt bleiben. „Es geht für uns darum, dass wir die Verantwortung weiter tragen“, sagte Susanne Hennig-Wellsow. Ihre Mitvorsitzende Janine Wissler betonte, die Ursachen für das Ergebnis lägen tiefer, als dass dies durch Personalentscheidungen zu lösen sei. Natürlich trügen sie als Vorsitzende die Verantwortung, sagte Hennig-Wellsow. Man sei aber bereit, die Partei durch den nun bevorstehenden Prozess zu führen. „Das Schlechteste, was wir jetzt machen könnten, (wäre,) uns in dieser Situation vom Acker zu machen und zu sagen, jetzt macht mal.“

6 Die AfD-Führung bewertet das Ergebnis unterschiedlich: Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen kündigte nach den Verlusten seiner Partei eine schonungslose Analyse an. „Unter dem Strich wird man das als Erfolg nicht vermelden können“, sagte er. Die AfD sei mit dem Slogan „Mut zur Wahrheit“ angetreten, dazu gehöre auch, „die Dinge nicht schönzureden“. Dagegen sagte die Co-Spitzenkandidatin Alice Weidel, dass sie sich das Ergebnis „nicht schlechtreden lasse, von niemandem“. Die AfD hatte bei der Bundestagswahl zwar Stimmen verloren, sie wurde aber stärkste Kraft in den Ländern Sachsen und Thüringen und holte 16 Direktmandate.