Berlin

Die Unzertrennlichen: Annalena Baerbock und Robert Habeck wollen Sondierungsgespräche gemeinsam bestreiten

Von Holger Möhle
Robert Habeck und Annalena Baerbock demonstrieren am Tag nach der Bundestagswahl: Sie sind und bleiben ein Team. Als solches wollen sie auch über eine Regierungsbeteiligung verhandeln.
Robert Habeck und Annalena Baerbock demonstrieren am Tag nach der Bundestagswahl: Sie sind und bleiben ein Team. Als solches wollen sie auch über eine Regierungsbeteiligung verhandeln. Foto: imago images/Political-Moments

Sie lächeln, auch wenn an diesem Tag vielleicht nicht alles perfekt ist. Die Kanzlerkandidatin, neben ihr der Spitzenkandidat. Annalena Baerbock und Robert Habeck haben jetzt sieben Wochen Wahlkampf für die gemeinsame Sache hinter sich.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Nach außen hin wirkt alles ruhig. In einer guten Politehe kennt man sich, man vertraut sich, auch wenn mal etwas danebengeht. Und in diesem Wahlkampf ist für Baerbock und ihre Grünen einiges nicht optimal gelaufen. Klar, mit einer Kanzlerkandidatur „verändert das die Rollen“, sagt Habeck. Aber sein Verhältnis zu jener Frau, „die nicht die Frau an Roberts Seite“ sein wollte, wie sie im Januar 2018 bei ihrer Wahl an die Grünen-Spitze gesagt hat, ist immer noch – ja, wie ist es denn? „Gut, stabil, intakt und vertrauensvoll“, sagt Habeck. Kurze Pause. „Wie eh und je“, betont er. Gewissermaßen könnte man zusammen zum „Stabilitätsanker“ einer nächsten Regierung werden. Baerbock widerspricht nicht. Warum auch?

An Tag eins nach dieser Bundestagswahl, an dem die Parteien erst einmal die Lage sortieren, sind Baerbock und Habeck in die Bundespressekonferenz gekommen. Reden hat noch immer geholfen. Denn jetzt wollen sie reden: mit der FDP. Und die Liberalen mit den Grünen. Freude ja, aber doch „gebremster Schaum“, hat Habeck am Abend zuvor noch über das Wahlergebnis gesagt. „Wir sind nicht da, wo wir hinwollten.“ Kein Sekt, erst recht kein Champagner.

Selten haben sich Grüne so nüchtern über einen Wahlausgang gefreut, der ihnen das beste Resultat der Parteigeschichte im Bund gebracht hat, aber die Grünen dann doch nicht ganz so weit nach vorn geschoben hat, wie sie es sich gewünscht hätten. „Ich finde es richtig, dass wir mit der FDP reden“, sagt etwa auch Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Jubel hört sich wahrlich anders an, auch wenn die Grünen im neuen Bundestag die drittgrößte Fraktion stellen werden.

Habeck könnte neue starke Figur der Grünen bei den anstehenden Sondierungs- und Koalitionsgesprächen werden. Szenen einer Politehe. Mal geht es dem einen besser, dann wieder der anderen. Aber man hält zusammen.

Habeck hat seinen Wahlkreis Flensburg-Schleswig gewonnen und zieht damit direkt in den Bundestag ein. Er hoffe, dass er „ein guter Regionalabgeordneter“ werde, sagt der Grünen-Chef in einem Anflug von Understatement. Baerbock wiederum ist auch in ihrem Potsdamer Wahlkreis hinter den Erwartungen geblieben, wo sie im Direktduell gegen SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz deutlich unterliegt.

Wer wird Vizekanzlerin oder Vizekanzler – Baerbock oder Habeck? Wieder so eine Frage nach dem Kräfte- und Binnenverhältnis, die beide unbeantwortet lassen. Habeck sagt: „Gehen Sie davon aus, dass wir komplett sortiert sind.“ Baerbock erklärt: „So, wie wir hier sitzen.“ Nur was es genau bedeutet, wenn sie schon sortiert seien, wollen die Grünen-Chefs nicht sagen: Für wen sie sich entschieden haben, verraten sie nicht. „Es gehört ja zu der Verantwortung, die wir hier jetzt mehrfach betont haben, dass man gut vorbereitet und geklärt reingeht“, betont Habeck. „Es gehört aber auch zu der Verantwortung, diese Klärung nicht zu Markte zu tragen.“

Ebenso wenig wollen sie eine Antwort auf die Frage geben, wann sie denn nun erste Gespräche – die FDP spricht von „Vorsondierungen“ – mit Lindner führen werden. So wie 2017 bei den Jamaika-Verhandlungen, als ganze Wortprotokolle über den Gesprächsverlauf an die Öffentlichkeit geraten waren, werde dieses Mal jedenfalls nicht sondiert und auch nicht verhandelt. Diese Regierungsbildung soll auf leisen Füßen daherkommen.

Aber nun: auf in die Zukunft! „Es geht ja nicht nur darum, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden“, sagt Baerbock über nächste Gespräche für eine Regierungsbildung. Es gehe um einen echten Aufbruch. Habeck macht deutlich, dass sowohl eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen wie ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen eine eigene Idee aus sich selbst heraus entwickeln müsse. Eine Ampel sei eben „nicht Rot-Grün und ein bisschen gelber Kitt“. Ebenso sehe es bei Jamaika aus, wo die Grünen nicht einfach nur die Zugabe seien. „Es muss etwas Neues entstehen“, sagt Habeck. „Hey, Deutschland, es muss etwas Neues entstehen.“

Ihr Verhältnis zu FDP-Chef Lindner? Baerbock sagt: „So wie zu allen.“ Und das wiederum ist wie? „Friedlich, nett, offen, charmant, manchmal auch hart.“ Dann kann es also losgehen. Gemeinsam mit Habeck will sie das grüne Verhandlungsboot schaukeln. „Robert Habeck und Annalena Baerbock führen als Parteivorsitzende die Verhandlungen“, erklärt die Kanzlerkandidatin trocken. „Das weiß auch Herr Lindner, das weiß auch Herr Scholz, das weiß auch Herr Laschet.“ Womöglich in dieser Reihenfolge sondieren die Grünen. Und auch wenn die Ampel von SPD, Grünen und FDP die „naheliegendste Option“ sei, „heißt das aber nicht, dass wir nicht mit der Union reden werden“, sagt Habeck. Bis wann soll Klarheit herrschen, wer Deutschland die nächsten vier Jahre regiere? Robert Habeck muss nicht lange überlegen: „Weihnachten. Weihnachten sollte die Regierung stehen.“ Holger Möhle