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Rhein-Hunsrück

Kirchenasyl: Razzia bei angezeigten Pfarrern auf dem Hunsrück

Von Volker Boch
Bei fünf Pfarrern im Hunsrück wurde die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach am Donnerstag vorstellig, unter anderem bei der Freien Evangelischen Gemeinde in Kirchberg.
Bei fünf Pfarrern im Hunsrück wurde die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach am Donnerstag vorstellig, unter anderem bei der Freien Evangelischen Gemeinde in Kirchberg. Foto: Werner Dupuis

Unangekündigt klingelte am Donnerstagmorgen an verschiedenen Türen im Rhein-Hunsrück-Kreis die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach. Zeitgleich begannen Durchsuchungen bei fünf Pfarrern in Büchenbeuren, Kirchberg und Rheinböllen. Hintergrund sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, nachdem Landrat Marlon Bröhr diese Pfarrer im August vergangenen Jahres im Streit um die Gewährung von Kirchenasyl wegen „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“ angezeigt hatte.

Lesezeit: 3 Minuten
Kurz nach 9 Uhr begannen am Donnerstagmorgen die parallelen Einsätze. Bei drei Pfarrern in Kirchberg sowie je einem Geistlichen in Büchenbeuren und Rheinböllen standen Beamte in Uniform und Zivil vor der Tür – insgesamt waren mehr als ein Dutzend Personen von Staatsanwaltschaft, Kriminalpolizei und Polizeiinspektion im Einsatz. Grundlage des Einsatzes ...
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Verwaltungsgericht Trier untersagte die Abschiebung

Am 16. Oktober 2018 hat das Verwaltungsgericht Trier im Eilverfahren entschieden, dass die Asylbegehrenden, die sich in verschiedenen Pfarreien im Kirchenasyl befanden, nicht als „flüchtig“ gelten und nicht abgeschoben werden dürfen.

Dazu erklärte das Gericht: „Sämtliche Antragsteller befinden sich seit geraumer Zeit im Kirchenasyl, wovon sowohl die Kreisverwaltung des Rhein-Hunsrück-Kreises, als auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Kenntnis hatten.

Nachdem die Antragsteller sich auf Aufforderung der Kreisverwaltung hin nicht selbst zur Überstellung nach Italien gestellt hatten, verlängerte das BAMF die grundsätzlich zur Überstellung vorgesehene Frist jeweils von sechs auf achtzehn Monate, da die Antragsteller „flüchtig“ im Sinne der maßgeblichen Vorschriften der Dublin-III Verordnung seien. Dem traten die Antragsteller entgegen und begehrten gerichtlichen Eilrechtsschutz, um ihre drohende Abschiebung nach Italien zu verhindern. Hiermit hatten sie in der Sache Erfolg. Nach Auffassung der Richter der 7. Kammer ist die Abschiebung der Antragsteller nach Italien nicht mehr zulässig. Vielmehr sei die Zuständigkeit zur Prüfung ihrer Asylanträge auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, da es dieser nicht gelungen sei, die Antragsteller innerhalb der sechsmonatigen Überstellungsfrist nach Italien zu überstellen. Die Überstellungsfrist habe in den vorliegenden Fällen nicht wegen „Flüchtigkeit“ der Antragsteller verlängert werden können, da dem BAMF und der Ausländerbehörde der Aufenthaltsort im Kirchenasyl bekannt gewesen sei.“

Volker Boch kommentiert den Einsatz der Staatsanwaltschaft

In diesem Fall gibt es nicht nur Rechtsfragen. Der Donnerstag begann für fünf Pfarrer, deren Familien, Presbyterien und Kirchengemeinden mit einem Schock. Staatsanwaltschaft, Polizei und Kripo vor der Haustür, das ist eine äußerst ungewöhnliche und emotional extrem belastende Situation.

Insbesondere dann, wenn die Betroffenen beteuern, dass sie aus Gründen der Menschlichkeit und Humanität den Geflüchteten Asyl gewährt haben. Dass sie solches Handeln mit dem Gesetz in Konflikt bringen könnte, hätten sie wohl nie für möglich gehalten. Entsprechend entsetzt reagierte die Anwältin mehrerer Pfarrer auf den Einsatz der Ermittler, denn sie erkennt in diesem Fall vor allem ein Politikum.

Auf juristischer Ebene ist der Fall anspruchsvoll: Für die Staatsanwaltschaft ist die Entscheidung, eine Durchsuchung vorzunehmen, in diesem Zusammenhang sicher keine leichte gewesen. Aber durch die Anzeige, die Landrat Marlon Bröhr gestellt hat, ist die Behörde in der gesetzlichen Verpflichtung zu handeln. Der Auftrag, der sich aus dieser Anzeige an die Staatsanwaltschaft ergibt, ist klar und nicht beiseite zu schieben: Ein Anfangsverdacht musste geprüft und in diesem Zusammenhang ermittelt werden. Dies ist keine Frage von „kann“, sondern eine Pflichtaufgabe. Insofern ist es auch schwer, gerade als Außenstehender, Bewertungen vorzunehmen.

Eines fällt aber dennoch auf in dem seit Monaten schwelenden Verfahren – fernab formaler juristischer Kriterien: Nach wie vor fehlt auf einer anderen Ebene der Dialog – und zwar zwischen Verwaltung, Flüchtlingshelfern und Kirche. Es ist nicht so, als wäre der Streit um dieses Kirchenasyl der erste in der Region gewesen, und es ist ebenfalls nicht so, als wären für das künftige Miteinander aller Beteiligten aus Ehren- und Hauptamt alle offenen Fragen und Diskussionspunkte abschließend geklärt. Nein, da gibt es nach wie vor teils sehr verhärtete Fronten. Hier muss sich dringend etwas ändern. Vielleicht finden dann Donnerstage wie dieser nicht mehr statt.

Mail an volker.boch@rhein-zeitung.net

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