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Cochem-Zell

Senioren sind immer öfter in Unfälle verwickelt: Wie schätzen Experten das Problem ein?

Von 
Petra Mix
Autofahren, trotz körperlicher Gebrechen, das kann im schlimmsten Fall böse enden. Die Polizei hat den Fokus auf Seniorenunfälle gelegt. Jetzt soll auch stärker mit der Zielgruppe gearbeitet werden, um Unfälle zu vermeiden. 
Autofahren, trotz körperlicher Gebrechen, das kann im schlimmsten Fall böse enden. Die Polizei hat den Fokus auf Seniorenunfälle gelegt. Jetzt soll auch stärker mit der Zielgruppe gearbeitet werden, um Unfälle zu vermeiden.  Foto: dpa

Mobil sein zu wollen, das ist keine Frage des Alters. Senioren, vor allem in sehr ländlich strukturierten Gebieten wie Cochem-Zell, möchten ihre Selbstständigkeit so lange wie möglich erhalten. Immer öfter jedoch registriert die Polizei, dass Senioren in Unfälle im Straßenverkehr verwickelt sind.

Lesezeit: 4 Minuten
Im Bereich der Polizeiinspektion (PI) Cochem waren das vergangenes Jahr 312 Verkehrsunfälle. (2016: 281). Das ist ein Plus von 11 Prozent. Die Polizei Zell hat 220 Unfälle (entspricht 20,97 Prozent des Gesamtunfallgeschehens) aufgenommen, das sind 24 mehr als im Vorjahr. Jahrelang schon stehen die jungen Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren ...
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Ein Leben ohne Führerschein

Wie ein 72-Jähriger, der seinen Führerschein aus gesundheitlichen Gründen abgeben musste, mit der Situation zurechtkommt:

Den Tag, an dem er seinen Führerschein abgeben musste, wird er nicht mehr vergessen. Wochenlang, wird er später erzählen, hat ihn das gequält. Er hat das Fahren vermisst, darunter gelitten, nicht mehr so leben zu können, wie er es sonst gewohnt war. Joachim Hennen aus Briedel hat im Herbst vergangenen Jahres einsehen müssen, das er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, mit seinem Auto am Straßenverkehr teilzunehmen. Ausgerechnet er, der so stolz war, alle Urkunden und Auszeichnungen der Kreisverkehrswacht für unfallfreies Fahren bekommen zu haben. Zuletzt die für 50 Jahre. Im Wohnzimmer hängen sie ordentlich nebeneinander an der Wand.

Und heute? Wie geht es ihm heute mit der Situation? Der 72-Jährige lächelt. „Ich habe mich damit arrangiert, meine Gesundheit ist mittlerweile so angeschlagen, das wäre nicht mehr gegangen“. Später wird er sein Elektromobil in seiner Werkstatt zeigen, er hat es gebraucht gekauft. Ein Stück Mobilität damit zurückgewonnen. Das E-Mobil ist 6 km/h schnell. „Habe ich mir gekauft, das ist mein Mercedes“. Er lacht. So kann er im Dorf unterwegs sein, ist nicht permanent ans Haus gefesselt.

Vor seinem Unfall, der letztlich auch dazu geführt hat, dass er den Führerschein abgegeben hat, war er sehr viel mit dem Auto unterwegs. Der Unfall? „Ja, es war ein Auffahrunfall.“ Stille. „Der Polizist, der den Unfall aufgenommen hat, hat mir sofort auf den Kopf zugesagt, dass ich Diabetes habe.“ Ja, er habe genickt. „Ja, das weiß ich doch.“ Und dann ging alles seinen Weg. Die Polizei hat die Führerscheinstelle informiert. Joachim Hennen hat verschiedene Ärzte konsultieren müssen, um seinen Gesundheitszustand zu dokumentieren. Hat auf Anordnung der Kreisverwaltung eine Fahrstunde absolviert. Zwischenzeitlich aber war ihm klar, dass er auch die hohen Reparaturkosten von mehr als 1200 Euro nicht mehr in das zwölf Jahre alte Auto investieren wollte. Es kam vieles zusammen.

Seine Frau Gertrud erinnert sich, dass es ihm nicht leichtgefallen ist. „Der Tag, an dem er das Auto abgemeldet hat, da hat er auch seinen seinen Führerschein abgegeben.“ Mehrere Ärzte, sagt die 71-Jährige, haben ihm dringend davon abgeraten, weiterhin selbst zu fahren.

Hat Joachim Hennen geahnt, dass er den Führerschein würde abgeben müssen? Der Rückhalt seiner Familie, sagt er, vor allem seiner Töchter und der Enkel, haben ihn bestärkt. „Sie haben mir und meiner Frau Hilfe zugesichert, und so ist es auch gekommen.“ Seine Frau hat nie einen Führerschein besessen. Arztbesuche in Bernkastel-Kues oder Wittlich – ohne seine Familie wäre das nicht machbar. „Ich weiß das auch sehr zu schätzen. Ohne sie wären wir hier aufgeschmissen.“ Ein Glücksfall, der die Situation ein bisschen erträglicher macht.

Gut zu Fuß ist der unter anderem an Diabetes erkrankte 72-Jährige nicht mehr. Er kann kaum noch laufen, hat Krücken und einen Rollator. Starke Rückenschmerzen plagen ihn. „Das ist schwer für mich“, sagt er. Doch wann immer es geht, ist er in seiner Werkstatt neben dem Haus. Werkelt, beschäftigt sich. Um die 40 Fahrräder, die er im Sommer an Touristen vermietet, kümmert er sich selbst. Das lenkt ihn ab. An der Werkstatt hängt ein weiteres Schild: Kreisverkehrswacht, er codiert die Räder, ist schon seit 50 Jahren Mitglied und immer noch aktiv. Sein Wissen ist gefragt, das tut ihm gut. Jahrelang hat er den Wagen mit der Anhängerkupplung gefahren, um den Fahrradanhänger der Kreisverkehrswacht zu bewegen. „Das ist ja jetzt vorbei. Wenn ich jetzt gebraucht werde, muss mich jemand abholen.“ Es ist ihm nicht unangenehm. Er hat sich arrangiert, auch damit. Joachim Hennen, der 34 Jahre lang bei der Firma Polarcup als Maschinenführer arbeitete, hat es in seiner Zeit bei der Kreisverkehrswacht durchaus erlebt, dass ältere Fahrer nicht einsehen wollten, dass sie nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen können. „Das war immer schon mal Thema“, sagt er. Ein Thema für die Anderen.

Dass es ihn selbst einmal treffen würde. Unvorstellbar. Aber was sagt er Menschen, die in einer ähnlichen Situation wie er stecken? „Wenn man eine Krankheit hat wie ich, sollte man schon vernünftig sein“, sagt er. „Aber es muss sich jeder auch die Frage stellen: Wie komme ich zum Arzt und in die Apotheke, oder zum Einkaufen?“ Er erwähnt noch einmal seine Familie, die immer da ist, wenn er sie braucht. „Nach Bernkastel mit dem Bus, da wäre ich den ganzen Tag unterwegs.“ Gertrud Hennen bestätigt den Eindruck, den ihr Mann hinterlässt. Trotz der Situation lässt er sich nicht unterkriegen. „Wir haben Glück, dass wir Hilfe haben. Das ist nicht bei allen so, das höre ich oft“, sagt sie.

Von unserer Redaktionsleiterin Petra Mix

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