Das Höhlengleichnis von Platon hat Edgar Müller schon länger beschäftigt. Nun nimmt er diese metaphorische Geschichte als Thema seiner Arbeit vor der Vielbacher Fachklinik. Kurz umreißt er das Gleichnis: In einer Höhle sitzen Menschen gefangen und gefesselt.
Sie können nur in eine Richtung schauen: gegen die Höhlenwand. Dort sehen sie Schattenrisse von Gegenständen, die ihre Aufseher, selbst hinter einer Wand versteckt, herumtragen. Für die Gefangenen sind die Schatten die Welt, die Realität, sie erforschen und interpretieren ihr Verhalten.
Wird nun ein Gefangener aus der Höhle ans Licht gezerrt, wird er zunächst geblendet sein und an seinen Platz mit Blick auf die Schatten zurückkehren wollen. Wird er gezwungen, sich mit der überirdischen Helligkeit, mit den Dingen und Lebewesen auseinanderzusetzen, so wird er nicht mehr in die Höhle zurückkehren wollen – außer vielleicht, um seine Mitgefangenen ebenfalls nach oben zu holen.
Weil sie ihm nicht glauben können und mit ihrer Realität zufrieden sind, weil ihr Befreier sich im Dunkeln nicht mehr zurechtfindet, werden sie aggressiv und wollen ihn eher töten, als sich von ihm befreien zu lassen. Tatsächlich seien die Gefangenen ab einem gewissen Punkt ihre eigenen Kerkermeister, so legt es der Künstler aus.
Er geht noch einen Schritt weiter: Auch Bezeichnungen schränkten in gewisser Weise die Wahrnehmung von Dingen ein, ähnlich wie ein Schatten die Form und Farbe eines Gegenstandes nicht oder nur unzureichend wiedergeben kann. „Namen entzaubern“, sagt Edgar Müller.
In dem Gleichnis sieht er Parallelen nicht nur zu den Schwierigkeiten, aus gewohnten Denk- und Sichtweisen auszubrechen, sondern auch zur Therapie in Vielbach: „Die Therapeuten kommen erst einmal an die Patienten nicht heran, das dauert lange – denn diese sehen den Aufenthalt nicht als Chance, sondern als Strafe“, hat Müller erlebt. So seien diese Allegorie und sein daraus entwickeltes Gemälde thematisch ganz speziell an diesen Ort gebunden, aus dem Aufenthalt hat er die Inspiration gezogen. kat