Der erhebliche Sanierungsstau beider Evangelischer Kirchen in Montabaur – der denkmalgeschützten Pauluskirche und der Lutherkirche – und die zurückgehenden Mitgliederzahlen führen dazu, dass sich die Evangelische Kirchengemeinde von der Lutherkirche trennt.
Im Frühjahr wurden die Kirche und die Nebengebäude an einen Investor verkauft, der auf dem 8000 Quadratmeter großen Gelände Wohnbebauung realisieren wird. Mit der finanziellen Schwungmasse soll ein modernes, barrierefreies und energetisch konzeptioniertes Gemeindezentrum an der Pauluskirche entstehen.
Pfarrerin Anne Pollmächer begrüßte die Anwesenden und wies auf die vielen Begegnungen mit Gott und zwischen Menschen hin, die in der 54-jährigen Geschichte der Lutherkirche in dem Gebäude stattfanden. „Vieles können wir nicht in Worte fassen, was jetzt in uns vorgeht“, sagte Pollmächer.
In seiner Predigt sprach Dekan Dr. Axel Wengenroth über die wechselhaften Zeiten, in denen wir leben. Kriege überall auf der Welt, die Corona-Pandemie, der Klimawandel, die aktuelle Teuerung, all das seien Themen, mit denen es sich auseinanderzusetzen gelte. Auf die damit verbundenen Veränderungen beobachte er drei verschiedene Reaktionen, sagte Wengenroth.
Erstens Menschen, die die Veränderung leugnen, indem sie zum Beispiel Corona verharmlosen und den Klimawandel für nicht menschengemacht halten; zweitens Menschen, die unbedingt am Status quo festhalten wollen und aus Angst vor Veränderung den Kopf in den Sand stecken. Und drittens „Menschen, die die Veränderung aktiv angehen, um neue Möglichkeiten zu entdecken, die Zukunft nicht zu erleiden, sondern zu gestalten.“ Besonders junge Leute legten sich da gerade sehr ins Zeug, erwähnte Wengenroth mit Blick auf die Klimadebatte.
Die drei Reaktionen ließen sich auch bei Veränderungen in der Kirche beobachten, sagte der Dekan. Durch die stetige Reduktion der Kirchenmitgliederzahlen werde sich die Zahl der Pfarrstellen in den nächsten Jahren verringern, kirchliche Gebäude kämen auf den Prüfstand. „Das Ideal der Vereinskirche ist passé“, sagte Wengenroth.
Aber auch in dieser Situation gebe es Menschen, die die Veränderung annehmen und neue Wege der Verkündigung und des kirchlichen Lebens suchen. „Wir müssen manches Liebgewordene loslassen, können aber Neues entdecken und dabei unseren Glauben ergründen“, sagte der Theologe. „Wir sind zum Aufbruch aufgefordert.“ Wichtig dabei sei: diese Bewegung gehe von Gott aus. „Unsere menschlichen Kriterien wie Geld oder Höhe der Kirchtürme spielen keine Rolle, Gottes Kriterien sind andere.“
Der Bau der Lutherkirche möge 1967 richtig gewesen sein – nun sei es Zeit, das Lutherzentrum in dankbarer Erinnerung, aber ohne Sentimentalitäten zurückzulassen, so der Dekan. Es sei der richtige Schritt, um mit leichtem Gepäck unterwegs zu sein. Zum Abschluss seiner Predigt ermutigte Wengenroth die Gemeinde mit einer Liedzeile aus einem bekannten Kirchenlied von August Hermann Franke: „Wir gehen an unseres Meisters Hand und unser Herr geht mit.“
Die musikalische Gestaltung des Abschiedsgottesdienstes lag beim Singkreis, Sophie Jungbluth an der Violine und Ingo Jungbluth sowie Leo Wilderer an der Orgel. Da die Lutherkirche ursprünglich eine Garnisonskirche war, also für die stationierten Soldaten in der Region erbaut wurde, sprach Militärdekan Thomas Balzk aus Koblenz ein Grußwort.
Er wies darauf hin, dass die Gemeinde der Tempel des lebendigen Gottes sei und nicht abhängig von einem bestimmten Gebäude. Balzk selbst habe sechs Monate lang in Mali Gottesdienst in einem Zelt gefeiert und dort Kirche erlebt. Weitere Grußworte kamen von Pfarrer Stefan Salzmann von der Katholischen Pfarrei St. Peter Montabaur, von Stadtbürgermeisterin Gabriele Wieland und VG-Bürgermeister Ulrich Richter-Hopp-rich.