Westerwaldkreis/Eifel

Nach Flutkatastrophe in der Eifel: Wäller Rettungskräfte an der Ahr im Einsatz

Von Nadja Hoffmann-Heidrich, Stephanie Kühr, Susanne Willke
„So etwas haben wir noch nicht erlebt“, sagt Tobias Haubrich, stellvertretender Kreisfeuerwehrinspekteur, nach dem nächtlichen Einsatz von rund 40 Westerwälder Feuerwehrleuten im überfluteten Dernau.
„So etwas haben wir noch nicht erlebt“, sagt Tobias Haubrich, stellvertretender Kreisfeuerwehrinspekteur, nach dem nächtlichen Einsatz von rund 40 Westerwälder Feuerwehrleuten im überfluteten Dernau. Foto: privat

Aus den Überflutungsgebieten in der Eifel erreichen die Öffentlichkeit seit Mittwochabend Bilder des Grauens: Zahlreiche Städte und Ortsgemeinden sind überflutet, Häuser stürzen ein oder sind einsturzgefährdet, Autos werden von den Fluten mitgerissen. Es gibt mindestens 18 Todesopfer zu beklagen, mindestens 70 Menschen wurden vermisst. Von der Katastrophe besonders betroffen sind die Landkreise Ahrweiler, Vulkaneifel, Mayen-Koblenz, Bitburg-Prüm und Trier-Saarburg. Die Lage ist vielerorts katastrophal. Auch zahlreiche Westerwälder Rettungskräfte sind aktuell im Hochwassergebiet im Einsatz. Die Helfer vor Ort berichten von Bildern des Schreckens.

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Der Westerwaldkreis hat noch am Mittwochabend einen Rettungszug der Westerwälder Feuerwehren zusammengestellt und ins Katastrophengebiet zur überörtlichen Hilfe im Landkreis Ahrweiler entsandt. Vor Ort im Einsatz sind Einheiten der Feuerwehren Wirges, Dernbach, Montabaur, Meudt, Herschbach/Uww und Höhr-Grenzhausen; die Einheiten tauschen ihre Kräfte vor Ort immer wieder aus. „Das Gros der Rettungskräfte ist in Dernau an der Ahr im Einsatz“, sagt Hartmut Karwe, stellvertretender Kreisfeuerwehrinspekteur in einer ersten Reaktion aus dem Überflutungsgebiet.

„Wir sind mitten im Einsatz. Hier ist absolut landunter. Die Wasserpegel gehen langsam zurück. Wir haben die Menschen hier aus dem Wasser, von Dächern und Bäumen gerettet. Sie werden nun in die Unternehmenszentrale von Haribo nach Grafschaft-Ringen gebracht und hier weiter betreut“, sagt Karwe.

Die Feuerwehrleute hätten kriegsähnliche Zustände vorgefunden bis hin zu leblosen Körpern, die an ihnen vorbeischwammen. Das alles habe die Einsatzkräfte sehr mitgenommen, heißt es aus dem Kreishaus. Der stellvertretende Kreisfeuerwehrinspekteur Tobias Haubrich war mit circa 40 Westerwälder Feuerwehrkameraden zuvor die ganze Nacht in Dernau im Einsatz. Dort seien mehrere 100 Menschen von den Fluten in ihren Häusern eingeschlossen. Zum Teil saßen sie auf ihren Dächern und konnten nur per Hubschrauber oder mit einem Teleskoplader der Feuerwehr gerettet werden.

Haubrich rechnet damit, dass diese Rettungsaktionen noch mindestens zwei Tage brauchen. Anschließend müssten die Häuser leer gepumpt werden. An vielen Stellen aber stünde kein Stein mehr auf dem anderen, ganze Ortsteile seien verschwunden, die Menschen obdachlos. Tobias Haubrich spricht noch immer der Schreck aus der Stimme: „So etwas haben wir noch nicht gesehen.“ Er schätzt, dass allein aus dem Westerwaldkreis rund 300 Einsatzkräfte im Schichtbetrieb immer wieder im Einsatz sein werden, weil die Situation vermutlich noch anhalten werde. Die Leitstellen gäben für Katastrophenfälle bestimmte Kontingente vor, sodass auch für den Notfall in der Heimat noch genügend Einsatzkräfte bereitstehen.

Soldatinnen und Soldaten des Sanitätsregiments 2 Rennerod vor Ort

Rund 25 Soldatinnen und Soldaten des Sanitätsregiments 2 Rennerod waren zunächst in der Nacht zu Donnerstag im Katastrophengebiet im Einsatz. Eine Einheit war im Kreis Trier-Saarburg mit der Evakuierung eines Seniorenheimes betraut, vier weitere Trupps wurden im Bereich Bad Neuenahr-Ahrweiler zu verschiedenen Hilfsaufgaben eingesetzt, wie der stellvertretende Renneroder Kommandeur Oberstleutnant Hans-Jürgen Neumüller auf Anfrage berichtet.

Als der Alarm in der Nacht eingegangen sei, habe es keine Zeit zum Überlegen gegeben. Die Kollegen seien sofort mit elf Transportfahrzeugen und zwei Einsatzfahrzeugen des Typs Eagle los in Richtung Hochwassergebiet. Aktuell sei insbesondere aus dem Bereich Trier-Saarburg noch Verstärkung angefordert worden – vor allem zur Evakuierung von Krankenhäusern.

Auch der Ortsverein Montabaur des Technischen Hilfswerks ist in der Eifel im Einsatz.

THW Montabaur

Auch der Ortsverein Montabaur des Technischen Hilfswerks ist in der Eifel im Einsatz.

THW Montabaur

Auch der Ortsverein Montabaur des Technischen Hilfswerks ist in der Eifel im Einsatz.

THW Montabaur

Auch der Ortsverein Montabaur des Technischen Hilfswerks ist in der Eifel im Einsatz.

THW Montabaur

Auch der Ortsverein Montabaur des Technischen Hilfswerks ist in der Eifel im Einsatz.

THW Montabaur

privat

Feuerwehr

Feuerwehr

Feuerwehr

Die Meldungen aus dem Gebiet seien dramatisch, teilt Oberstleutnant Neumüller mit. Er sei gerade dabei, sich selbst einen genaueren Überblick über die Situation zu verschaffen. Außerdem müsse die Besatzung zum Personaltausch in Bewegung gesetzt werden, um die erschöpften Kameradinnen und Kameraden vor Ort abzulösen. „Alles, was wir von Rennerod aus zur Verfügung stellen können, ist im Einsatz“, so Neumüller weiter.

DRK-Kreisverband Westerwald ist mit 46 Kräften im Einsatz

Der DRK-Kreisverband Westerwald ist mit 17 Fahrzeugen und 46 Rettungskräften vor Ort, bestätigt DRK-Kreisgeschäftsführer Olaf Reineck. Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks sind am Mittwochabend gegen 23 Uhr vom Landkreis Ahrweiler alarmiert worden. Aus dem Westerwaldkreis rückten unter anderem Kräfte der Ortsgruppen Montabaur und Westerburg ins Katastrophengebiet an der Ahr aus, um dort zunächst auf dem Gelände der Haribo-Zentrale den Bereitstellungsraum für die Koordination der Kräfte vor Ort aufzubauen und die Einsatzkräfte zu erfassen.

Fabian Fasel vom THW-Ortsverband Montabaur ist Zugführer des Technischen Zuges und war mit fünf Fahrzeugen sowie 25 Kräften in der Nacht auf Donnerstag zwölf Stunden im Einsatz. Der THW-Fachzug Logistik sei später gefolgt, um die Verpflegung von rund 600 Einsatzkräften der Freiwilligen Feuerwehren, DRK, THW und von Betroffenen vor Ort zu organisieren. Schon bei der Anfahrt habe man bei Ochtendung das Ausmaß der Überschwemmungen sehen können. Die Nette, ein ansonsten kleines Flüsschen, habe eine Breite von mindestens 100 Metern gehabt. Dasselbe Bild zeigte sich bei der Ahr.

Nach einer Verschnaufpause soll es am Donnerstagabend zum nächsten Einsatz im Katastrophengebiet gehen. Dann wird das THW Montabaur mit 13 Kräften vor Ort sein. „Wir werden nach Vermissten suchen, und sobald das Hochwasser sinkt, im Schadensgebiet die Strukturen der Gebäude kontrollieren“, sagt Fabien Fasel. Einen Einsatz solchen Ausmaßes habe er persönlich noch nicht erlebt.

Um Betroffene und auch Einsatzkräfte psychisch zu unterstützen, sei vor Ort die Notfallseelsorge des Kreises Ahrweiler im Einsatz. Darüber hinaus habe das THW seine Einsatznachsorgeteams (ENT) für die psychosoziale Notfallversorgung aller Einsatzkräfte und Betroffenen angefordert, berichtet Fasel. Er und seine Kameraden mussten nach der ersten Einsatznacht erst einmal wieder Kraft schöpfen, um am nächsten Abend wieder ins Hochwassergebiet fahren zu können.

„Es hätte auch anders kommen können. Wir Westerwälder hatten Glück, ganz viel Glück“

Dass die extremen Wassermassen über der Eifel niedergegangen sind und nicht über dem Westerwald, das war Zufall, sagt der Westerwälder Diplom-Meteorologe Björn Goldhausen aus Ettinghausen. „Es hätte auch anders kommen können. Wir Westerwälder hatten Glück, ganz viel Glück. Diese Katastrophe hätte auch bei uns passieren können, weil wir eine ähnliche Geländetopografie haben. Wären diese unvorstellbaren Wassermassen von gut 150 Litern pro Quadratmeter bei uns heruntergekommen, dann hätten wir ähnliche schlimme Bilder gehabt, wie wir sie jetzt in der Eifel sehen“, betont der Wetter-Online-Experte. Denn die Eifel wie auch der Westerwald sind typische Mittelgebirgsregionen mit Hügeln und Tälern.

„Das Wasser sammelt sich in den Tälern, Bäche und Flüsse schwellen an und treten über die Ufer“, sagt er. Ursache des historisch zu nennenden Hochwassers war ein Tiefdruckgebiet über Deutschland. „Am Rand gab es ein etwa 100 Kilometer breites extremes Starkregenband, das aus dem Ruhrgebiet über das Bergische Land, die Kölner und Bonner Region und schließlich über die Eifel zog. Das Band hat den Westerwald lediglich am nordwestlichen Zipfel erwischt. Das war von uns nicht weit weg“, erklärt Goldhausen.

Damit ist der Westerwald haarscharf einer Katastrophe entgangen. Besonders getroffen hätte es das Gelbachtal, das Wiedtal, das Saynbachtal, das Nistertal und das Brexbachtal, sagt Goldhausen. „Auch für den Westerwald galten die Unwetterwarnungen. Am Morgen war noch nicht klar, ob es uns treffen würde, es zeichnete sich erst am frühen Nachmittag ab, dass wir weitgehend verschont bleiben“, betont er. Sein Appell: „Die Katastrophe war absehbar. Die Meteorologen haben sehr früh vor dem Starkregenereignis gewarnt. Das muss auch wahrgenommen werden.“

Für die kommenden Tage gibt Diplom-Meteorologe Björn Goldhausen jedoch Entwarnung: „Jetzt kehrt im Westerwald Ruhe ein. Hier und da sind noch stärkere lokale Schauer und Gewitter möglich, aber die immense Unwettergefahr ist vorbei. Es geht wieder bergauf. Es wird sommerlich, zwar nicht brüllend heiß, aber warm“, sagt der Wetter-Online-Pressesprecher.