Hachenburgs Stadtarchivar entführte in düstere Zeiten: Von Hexen, Zauberern und Werwölfen
Wie aus einer Mitteilung des Stadtarchivs hervorgeht, hat diese Thematik in der stadtgeschichtlichen Literatur bislang keinen Niederschlag gefunden, da die bekannten Schriftquellen bis auf wenige Ausnahmen zu den Hexenprozessen in der Stadt Hachenburg und dem Territorium Hachenburg schweigen. Zahlreiche Prozessakten sind offenbar dem Stadtbrand von 1654 zum Opfer gefallen. Ungeachtet dessen finden sich in Archiven benachbarter Landschaften Hinweise auf das „dunkle Kapitel“ der Stadt- und Landesgeschichte.
Bevor der Referent die Hachenburger Verhältnisse näher beleuchtete, war es erforderlich, sich von zahlreichen klischeebeladenen Vorstellungen zum Thema Hexenverfolgung zu verabschieden: Die großen Prozesswellen, denen bis 60.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, fanden nicht im „finsteren Mittelalter“ statt, sondern datieren in die frühe Neuzeit zwischen der Reformation Mitte des 16. Jahrhunderts bis um 1700.
Klima der Angst und der Intoleranz
Einen Höhepunkt erreichte die Verfolgung von den der Hexerei bezichtigten Menschen – es handelte sich um Männer und Frauen – in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648). Die „kleine Eiszeit“ mit tiefen Temperaturen und Frösten, die einen Teil der Ernte vernichteten, eine steigende Population von Wölfen infolge des Aussetzens der Jagden während des Krieges und Viehseuchen förderten in weiten Bevölkerungskreisen ein Klima der Angst und Intoleranz. Für die Zeitgenossen des 16. und 17. Jahrhunderts war eindeutig das Wirken des Teufels und einer geheimen, den Glauben bedrohenden Sekte zu erkennen.
Wie das Studium der Schriftquellen belegt, war es nicht die landesherrliche Obrigkeit, die hier einen Krieg gegen weise Frauen und Hebammen inszenierte. Die Aufforderung gegen „Zauberei und Hexenwerk“ vorzugehen, ging vielfach von den betroffenen Gemeinden aus, die sich in Bittschriften an die Obrigkeit bzw. die Landesherren als Inhaber der Gerichtsbarkeit wandten.
Ende auf dem Richtplatz
Der Blick über den saynischen Grenzzaun ist für das 17. Jahrhundert auf jeden Fall ebenfalls lohnenswert, da man im Hohen Westerwald in den benachbarten nassauischen Territorien auf eine Sonderform der Hexenprozesse stößt, in denen vornehmlich Männer beschuldigt wurden, sich in Werwölfe zu verwandeln und in Nächten ihr Unwesen zu treiben. In den 1620er-Jahren fielen in der Grafschaft Nassau-Dillenburg in einer Prozesswelle (Gesamtzahl: 158) 19 Männer zum Opfer, von denen sich fünf als vermeintliche „Werwölfe“ verantworten musste. Für vier Hirten und einen Schulmeister bedeutete die ihnen unterstellte Verwandlung in einen Wolf ihr grausames Ende auf dem Richtplatz. Wie geriet man unter Verdacht? In den Prozessakten kleinerer Delikte, die vor dem Hachenburger Stadtgericht verhandelt wurden, finden sich zwischen 1620 und 1670 zahlreiche Fälle, in denen man den Prozessgegner der Hexerei oder Zauberei bezichtigte. Eine solche Anschuldigung konnte einen Verweis an die Instanz des landesherrlichen Hoch-gerichts, das über Todesstrafen befinden konnte, nach sich ziehen. red
Mit der von Kaiser Karl V. 1532 erlassenen „Peinlichen Halsgerichtsordnung“ (Carolina), dem ersten allgemeinen deutschen Strafgesetzbuch wurde in Inquisitionsprozessen, in denen Richter als Ankläger wirkten, Beweise durch Geständnisse oder Zeugenaussagen herbeigeführt. Der Befragung der der Hexerei und Zauberei beschuldigten Personen folgte das Vorführen und die Anwendung der Folterwerkzeuge, um Geständnisse zu erpressen. Kettenprozesse, ausgelöst durch die im Rahmen der Folter genannten Namen von „Mithexen“, die etwa an einem „Hexensabbath“ an einem exponiert gelegenen Hexentanzplatz teilgenommen haben sollen, führten zur Ausweitung der Hexenverfolgung.
Behörden kooperierten bei der Suche nach Hexen
Bei der Suche nach Hexen und Zauberern kooperierten landesherrlichen Behörden über die Grenzen ihrer Territorien hinweg miteinander im Zuge der „Amtshilfe“. So erfahren wir beispielsweise von Anschuldigungen gegen Untertanen der Herrschaften Wildenburg und Schönstein in Hachenburger Hexenprozessen im Frühjahr 1630 und der von den Behörden in Hachenburg geäußerten Bitte an Margarethe von Hatzfeldt, Herrin zu Schönstein, 1645 Listen mit Namen saynischer Untertanen zu übermitteln, die im Rahmen der Verhöre von „Hexen“ in Schönstein genannt worden sind. red