Gemünden

Gesprächsabend machte deutlich: Gewalt kann alle Frauen betreffen

Die Referentinnen des Gesprächsabends (von links): Regina Kehr vom Evangelischen Dekanat Westerwald sowie Katrin Weiland und Kirsten Howind-Vieregge vom Beginenhof in Westerburg.  Foto: Hamann-Gonschorek
Die Referentinnen des Gesprächsabends (von links): Regina Kehr vom Evangelischen Dekanat Westerwald sowie Katrin Weiland und Kirsten Howind-Vieregge vom Beginenhof in Westerburg. Foto: Hamann-Gonschorek

Zu einem Gesprächsabend zum Thema „Gewalt gegen Frauen in biblischen Zeiten und heute“ hatten die Evangelische Familien- und Erwachsenenbildung im Dekanat Westerwald und das Frauenzentrum Beginenhof in Westerburg eingeladen.

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Rund ein Dutzend Frauen tauschten sich im evangelischen Gemeindehaus in Gemünden mit den Referentinnen Regina Kehr vom Evangelischen Dekanat und den Mitarbeiterinnen des Frauenzentrums Beginenhof, Kirsten Howind-Vieregge und Katrin Weiland, über gesellschaftliche Fragen zum Thema und persönliche Erfahrungen aus. Regina Kehr verdeutlichte, dass Frauen und Mädchen schon in biblischen Zeiten Gewalterfahrungen machten.

Anschaulich schilderte sie in einem kurzen Kammertheaterstück, das sich um einen fiktiven Gerichtsprozess drehte, die Geschichte von Tamar, einer Tochter König Davids, die im Alten Testament von ihrem Halbbruder Amnon vergewaltigt wurde. Während Amnon für diese Tat nie zur Rechenschaft gezogen wurde, war Tamar gesellschaftlich ruiniert und gezwungen, unverheiratet zu bleiben. „Obwohl Tamar als Königstochter der Oberschicht angehörte, schützte sie das nicht vor dem sexuellen Missbrauch und seinen Folgen“, betonte Kehr.

Der Schutz persönlicher Grenzen und des Rechts auf körperliche und seelische Unversehrtheit sind auch heute noch für viele Frauen nicht selbstverständlich – das machten die Referentinnen des Beginenhofs klar. „80 bis 90 Prozent der Gewalt an Frauen und Mädchen finden in der eigenen Familie statt,“ berichtete Kirsten Howind-Vieregge. Deshalb sei es sehr wichtig, auf Anzeichen zu achten und nachzufragen, wenn man einen entsprechenden Verdacht habe. So müssten zum Beispiel Kinder, die Opfer von sexueller Gewalt sind, durchschnittlich sieben bis acht Menschen ansprechen, bis sie endlich Hilfe fänden, so Howind-Vieregge.

Die Zahl der Opfer sei schockierend, da statistisch in jeder Schulklasse zwei Kinder seien, die sexuelle Gewalt erleben. Häufig würden Frauen und Mädchen, die Gewalterfahrungen machen, auch heute noch stigmatisiert, betonten die Referentinnen: „Oft raten Verwandte den Opfern zu schweigen oder geben ihnen Schuld oder Mitschuld an der Gewalt. Daher ist es sehr wichtig, sich möglichen Opfern als Bezugsperson und solidarisch zu zeigen.“

Einige Teilnehmerinnen des Gesprächsabends schilderten offen Erlebnisse von sexuellen Übergriffen und Gewalterfahrungen aus ihrem eigenen Leben. Es wurde deutlich, wie unterschiedlich und auch subtil Gewalt ausgeübt werden kann. Täter versuchten häufig, durch den Hinweis auf den enthemmenden Einfluss von Alkohol oder Drogen ihre Taten zu relativieren oder behaupteten, Frauen seien zu aufreizend gekleidet gewesen, berichtete Kirsten Howind-Vieregge.

Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an mehrere Ausstellungen, die Kleidungsstücke zeigten, die Frauen am Tag einer Vergewaltigung trugen und die sich in nichts von normaler Alltagskleidung unterschieden. „Machtausübung und Unterdrückung haben mit der Kleidung nichts zu tun“, sagte die Referentin.

Frauen aus allen sozialen Schichten würden zum Beginenhof kommen, um sich beraten zu lassen. Dabei handle es sich sowohl um Frauen mit Traumata aus lange zurückliegendem Missbrauch als auch um akute Fälle. Häufig lebten Frauen in finanzieller oder sozialer Abhängigkeit und hätten große Schwierigkeiten, sich aus gewalttätigen Beziehungen zu lösen. „Dennoch sind die Frauenhäuser überfüllt,“ sagt Howind-Vieregge. Sie forderte dazu auf, offene Augen für Gewalt gegen Frauen und Kinder zu haben und sich zu fragen, was man persönlich tun könne, um zu helfen.