„Vor mir standen unsere drei Enkelkinder mit Fragezeichen in den Augen. Durch Kenntnisse der Chronik von Mudenbach und 14 Jahre Gestaltung der Homepage hatte ich einige Jahre intensive Einblicke in die Geschichte von Mudenbach. Ich erklärte meinen Enkelkindern, dass Mudenbach und Hanwerth um 1920 bis 1923 an die örtliche Stromversorgung angeschlossen wurde. Ab 1924 übernahm dann die Kevag vom neuen Kraftwerk in Höhn die Stromversorgung. Gleichzeitig erfolgte auch die Umstellung von Gleichstrom auf 380/220 Volt Wechselstrom.
Schon 1919 eine Turbine genutzt
Durch Teilen des Wasserstroms der Wied wurde über den vorhandenen Mühlengraben das benötigte Wasser mit genügend Gefälle bereits 1919 einer Turbine zugeführt, die dann über einen Generator Strom erzeugte. Dieser wurde über die neue Leitung den Transformatorenhäusern zugeführt, von dort herunter transformiert auf 380/220 Volt und zu den einzelnen Häusern verteilt. Die Stromschwankungen sorgten dabei ständig für unzureichende Stromstärken, Ausfällen, defekten Glühbirnen usw.
Als noch Elektromotoren und Pumpen die Stromabnahme erhöhten, kam es oft zu kompletten Ausfällen. Daher war ein Anschluss an die Freileitung zwischen Altenkirchen und Höhn sinnvoll. Dieser erfolgte im Jahr 1923. Das Ende des Elektrizitätswerks Farrenau in Mudenbach wurde 1928 eingeläutet.
Ein neuer Vertrag band die Gemeinde jetzt an die ,Coblenzer-Straßenbahn-Gesellschaft', Vorläufer der heutigen Kevag, die jetzt zuständig war für eine zuverlässige Stromversorgung. Nun musste ich aber noch den neugierigen Kindern mitteilen, wie das vorher war: Die Beleuchtung wurde meist im persönlichen Umfeld mit Kerzen äußerst unbefriedigend bewältigt. Hinzu kamen ölbetriebene Funseln, Feuerschein in jeder Form, Kienspan und natürlich der Sonnenschein beziehungsweise das Tageslicht.
Mein Vater, also euer Urgroßvater, geboren 1914, berichtete von Kienspänen, die an Wänden mit speziellen Bügelklammern befestigt wurden, berichtete ich den Kindern. Was sind denn Kienspäne?, war ihre nächste Frage. Ich war ein wenig kundig und erklärte: Das sind harzreiche Holzarten, woraus man Späne spaltet. Diese brennen zwar ziemlich schnell, meist circa 20 Minuten lang, rußen zudem auch stark. Aber es war wohl oft die einzige und kostenlose Möglichkeit, ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen.
Erst Kienspäne, später Petroleumlampen
Oft waren es Kinder, die in Bergwerken lange Späne vorbereiten mussten und diese am Ort des Kohleabbaus zur Verwendung bereit legten. Die circa 20 bis 50 Zentimeter langen Kienspäne wurden von den Arbeiter unter anderem im Mund transportiert, damit die Hände frei waren für die Arbeit. So hatten sie die oft ungenügende, flackernde Beleuchtung immer vor Augen. Dies alles führte aber auch häufig zu Augenkrankheiten, Mund-, Rachen- und Lungenentzündungen. Später benutzte man meist Petroleumlampen, die einfacher zu handhaben waren, länger brannten und abgestellt werden konnten. Auch die Helligkeit nahm damit enorm zu, besonders als man zusätzlich Glühstrümpfe benutzen konnte, die das Licht intensiver, heller und weiträumiger machten.
Kabeldiebstahl ist übrigens kein Delikt aus der heutigen Zeit. Bereits 1921 wurden etwa 22 Meter Kabeldraht, der wohl für das Kraftwerk benötigt wurde, vom Lagerplatz am Bahnhof Ingelbach entwendet, so ist es im Buch ,Mudenbach, ein Dorf im Westerwald' (1995) von Markus Müller nachzulesen. Eingetragen wurde das ,Elektrizitätswerk Farrenau, Gemeinde Mudenbach' in das Handelsregister A 67 im Juli 1921. Ebenfalls im Jahr 1921 erfolgte zur Unterstützung der erforderlichen Stromversorgung eine zwischengeschaltete Dampfmaschine, die an die Stromerzeugung angeschlossen wurde.
In den Nachkriegs- und 1950er-Jahren wurde an Strom gespart, wo es möglich war. Abends saß man oft lange in der warmen Küche, bis es dunkel war, es gab Verzellcher mit Nachbarn, Eltern und Großeltern, denen wir Kinder gerne zuhörten. Bestimmt wurde auch dabei geflunkert – man ließ uns Kinder aber oft in staunender Ungewissheit. Soweit ich mich erinnern kann, hatte die stärkste Glühbirne 40 Watt. Es gab ständig Stromschwankungen und Ausfälle der Beleuchtung. Oft flackerte die Glühbirne, bevor sie ihren Geist aufgab. Erst in den 1960er- bis 1970er-Jahren wurden die Glühbirnen der Straßenbeleuchtung ausgetauscht gegen Neonröhren. Hinzu kam, dass auch die Anzahl erhöht wurde, sodass man nun durchgehend eine gute Sicht in den Ortsstraßen Mudenbachs auch bei Dunkelheit hatte.
Heute wird die Nacht zum Tag
Heute ist es selbstverständlich, dass die Nacht zum Tag wird, besonders in den Städten. Dadurch erhöhte sich die produktive Arbeitsleistung entscheidend, denn nun hatte man die Möglichkeit in mehreren Schichten zu arbeiten. Auf der Strecke, besonders in den Dörfern, blieb die Gemütlichkeit des Beisammensitzens am Abend draußen auf der Bank mit Nachbarn. Zudem sah man bei Dunkelheit und ohne Beleuchtung erheblich mehr Sterne am Himmel.
Eine positive Entwicklung erfuhren wir in den vergangenen Jahren durch die Verwendung der LED-Beleuchtung, die erheblich sparsamer ist. Die Einsparungen wurden jedoch noch nicht in vollem Umfang an die Verbraucher weitergegeben. Ob wir das bei allgemein klammen Kassen noch erleben werden? Mudenbach trug bereits vor etwa 100 Jahren (zwischen 1920 und 1924) dazu bei, dass zehn umliegende Gemeinden dem Strom liefernden Elektrizitätswerk Farrenau angeschlossen wurden und nun, zwar in vorerst bescheidenem Maße, an der zunehmenden Helligkeit teilhaben konnten.
„Saft“ von der Farrenau
Selbstbewusst sprach man in Mudenbach noch in den 1960er-Jahren davon, dass der erste Strom für umliegende Gemeinden von der Farrenau kam. Das Kraftwerk Höhn übernahm zusammen mit der ,Coblenzer-Straßenbahn-Gesellschaft' den umfassenden Anschluss der Westerwald-Gemeinden an das Netz der neuen Stromversorgung. Nun wurde diese Zug um Zug weiter ausgebaut und an die Erfordernisse angepasst. Alle Straßen, alle Kaufhäuser, alle Wohnungen, Industrieanlagen, Handwerksbetriebe usw. sind heute überall ausreichend mit Strom weit über den Bedarf gedeckt. Mittlerweile spricht man von Lichtverschmutzung und setzt wieder vermehrt auf sparsamen Verbrauch.
Unsere Enkelkinder kennen es nicht anders und staunen, wenn sie von anderen Zeiten mit sehr wenig Licht im Haus, Hof und im Alltag hören oder lesen.“ red
Informationen aus Büchern und „Verzellcher“
Folgende Quellen hat Rainer Thiel für die Recherche zu seinem Text genutzt: Chronik Mudenbach von Erich Weise 1952, „Mudenbach, ein Dorf im Westerwald“ von Markus Müller 1995, Homepage Mudenbach (mudenbach.com) und die Familienchronik von Rainer Thiel mit „Verzellcher“ von Eltern und Großeltern von Rainer Thiel. red