Montabaur/Mainz

Einladung nach Mainz: Schüler stellen im Landtag ihr Erinnerungsprojekt vor

Auf dem Markt der Möglichkeiten im Landtag in Mainz stellten die Schüler des Grundkurses Geschichte 12GG3 des Mons-Tabor-Gymnasiums Montabaur beim Projekt „#weitergedenken“ ihre Arbeit vor.
Auf dem Markt der Möglichkeiten im Landtag in Mainz stellten die Schüler des Grundkurses Geschichte 12GG3 des Mons-Tabor-Gymnasiums Montabaur beim Projekt „#weitergedenken“ ihre Arbeit vor. Foto: Dr. Markus Müller

Über den regionalen Rahmen hinaus haben sich Schüler des Mons-Tabor-Gymnasiums Montabaur bereits einen Namen durch eindrucksvolle Gedenkarbeit gemacht. Dieses ungewöhnliche Engagement ist bis nach Mainz vorgedrungen, sodass ein Grundkurs in den Landtag eingeladen wurde, um an einer besonderen Veranstaltung teilzunehmen.

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Im Untertitel „Kreative Formate in Gedenkarbeit und Demokratiebildung“ traf sich die Intention des Landtags, neue Ideen, Formate und Medien für die Zukunft der Erinnerung und der Demokratiebildung auszuloten, mit Projekten, die der Geschichtslehrer Dr. Markus Müller an seiner Schule bereits erfolgreich mit Ausstrahlungen in die gesamte Region durchgeführt hat. „Neben dem persönlichen Interesse an bislang weitgehend vergessenen Verfolgten des nationalsozialistischen Regimes ging es mir immer um die Rehabilitierung ganz konkreter Personen, um die Wiederherstellung ihrer persönlichen Ehre“, erklärt der Historiker aus Nister.

Schüler von Idee gepackt

Und gerade mit diesem Punkt scheint er in besonderem Maße seine Schüler „gepackt“ zu haben, denn voll motiviert waren sie immer wieder bereit, sich nicht nur innerhalb des Unterrichts mit Müllers akribischen Forschungsergebnissen auseinanderzusetzen, sondern auch weit darüber hinaus mit eigenen Recherchen und der Schaffung von Gedenktafelentwürfen vor Ort dauerhaft an die Opfer des Terrors zu erinnern.

Im Landtag Rheinland-Pfalz hatten die Grundkursmitglieder zunächst Gelegenheit, Projekte anderer Schulen aus dem Land kennenzulernen und hinsichtlich ihrer Anwendungsmöglichkeiten im Westerwälder Raum kritisch zu hinterfragen. Auf einem öffentlich zugänglichen „Markt der Möglichkeiten“ präsentierten sie als eine von zwei Schulen auf Stellwänden und in einer Fotoshow zudem Eindrücke von Planungen, Umsetzungen und Ergebnissen ihrer eigenen bisherigen Projekte und stießen damit auf reges Interesse.

Wie Künstliche Intelligenz beim Projekt helfen kann

Nach einer kurzweiligen Führung durch das Parlamentsgebäude vermittelten ihnen schließlich verschiedene Workshops „moderne“ Möglichkeiten der Gedenkarbeit, von Social Media bis hin zu Computerspielen und Künstlicher Intelligenz. Dabei zeigte sich etwa Ulrich Herrmann vom Südwestfunk in der abschließenden Diskussion sehr beeindruckt von der Ernsthaftigkeit und Tiefe der Diskussionen, bei denen sich Referent und Jugendliche „auf Augenhöhe“ begegnet seien.

Die Zeitzeugin Eva Umlauf, selbst Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz, lobte Schülersprecher Maxim Chetchouga stellvertretend für das intelligente und eloquente Auftreten der Montabaurer, die aus vier der sechs Workshops Ideen und Bewertungen vorstellten und dafür viel Zuspruch erhielten. Und auch Kurslehrer Müller zollten alle Anwesenden im voll besetzten Plenarsaal mit großem Applaus Respekt, als Benedikt Hutya die entscheidende motivierende Form des Unterrichts als Mischung von Pflicht und Kür aus Sicht der Lernenden lobend herausstellte.

Anregungen mitgenommen

Die Schülergruppe aus Montabaur nahm auch konkrete Anregungen aus den Workshops mit nach Hause und diskutierte am folgenden Tag im Nachmittagsunterricht, ob sie in ihrem aktuell angelaufenen Unterrichtsprojekt zusätzlich neue Wege der Gedenkarbeit beschreiten soll. Im Fokus der momentanen Kreativarbeit steht der Zeuge Jehovas Louis Pfeifer (1895–1945) aus Bad Marienberg-Zinhain, dessen Biografie ihr Lehrer in mehreren Ferien umfassend aufgearbeitet hat.

Protokolle der Gestapo ausgewertet

Dabei wurden erstmals die Verhörprotokolle der Gestapo ausgewertet und sogar Akten im Archiv der tschechischen Hauptstadt Prag erschlossen. Insbesondere die Gedenkstätten in Auschwitz und Mauthausen zeigten schon im Vorfeld reges Interesse an dem aussagekräftigen und in seiner Bedeutung bislang unbekannten Fall. Pfeifer wurde zur unfreiwilligen Schlüsselfigur für die Verhaftung zahlreicher seiner Glaubensgenossen im Westerwald („Aktion Oberwesterwald“), im Kreis Biedenkopf und im Kreis Wetzlar ab 1936.

Unter massivem Druck gab er nach zunächst standhaften Weigerungen erst in Vernehmungen am Hauptsitz der Staatspolizeistelle Frankfurt Namen bekannt und musste selbst die Emslandlager sowie die Konzentrationslager Buchenwald, Lublin-Majdanek, Auschwitz und Mauthausen durchleiden. Letztendlich kam er nach unglaublichen jahrelangen Torturen kurz vor Kriegsende ums Leben.

„Was in Montabaur läuft, ist einfach vorbildlich.“

Landtagspräsident Henrik Hering

Einig waren sich die Kursmitglieder, dass auch in diesem Fall eine von ihnen entworfene Gedenktafel, die vor Ort in Zinhain angebracht werden könnte, als nachhaltige, über Jahrzehnte bleibende Form der Erinnerung die beste Lösung darstellen würde. Auch Landtagspräsident Henrik Hering scheint sich sicher zu sein, dass die weiteren Projekte im etablierten Rahmen am Mons-Tabor-Gymnasium kreative und nachhaltige Erinnerungsarbeit schaffen werden. „Was in Montabaur läuft, ist einfach vorbildlich“, meinte er laut Presseinfo der Montabaurer Schule in seinem Schlusswort.