Es war eine völlig andere Zeit, als Johann Wilhelm Wüst damit begann, seine Lebensgeschichte niederzuschreiben. Eine Geschichte, in der Gottglauben eine sehr große Rolle spielt.
Geboren wurde Johann Wilhelm Wüst 1732 in Steeden, einem heutigen Stadtteil von Runkel. Damals glaubte die Bevölkerung das, was ihr Graf als Glauben vorgab. Ein Andersgläubiger oder abseits Stehender hatte keine Lebensberechtigung und wurde des Landes verwiesen. Dieses Schicksal traf auch Wüst, damals Schulmeister in Wirbelau bei Schupbach. Er war erfüllt vom Licht des Pietismus. Nach der Reformation war das die wichtigste Reformbewegung im kontinentaleuropäischen Protestantismus und zeichnete sich durch die übertriebene Frömmigkeit ihrer Anhänger aus.
Wie Karl Wüst in seinem Vorwort in der Familienchronik erläutert, hielt es sein Vorfahr „mit der Religion noch genauer wie genau, ja sogar so genau, dass der Bevölkerung mehr an ihm gelegen war, wie an dem zuständigen Pfarrer.“ Dies alles führte dazu, dass die Geistlichen Wüst als Feind ansahen und er die Grafschaft Wied-Runkel für immer verlassen musste. In den Niederschriften kann man genau nachlesen, wie der Prozess, der dem Schulmeister Wüst gemacht wurde, abgelaufen ist. Der war nach seiner Entlassung aus dem Schuldienst ab 1763 als Kollektant tätig, reiste nach Den Haag, Bremen, Hamburg und Kopenhagen. Im Jahr 1776 zog er nach Langenbach bei Marienberg, erbaute dort 1782 sein Haus, obwohl die maßgeblichen Persönlichkeiten im Dorf den streng religiösen Mann nicht ansässig haben wollten. Karl Wüst schreibt in der Chronik über seinen Vorfahren Johann Wilhelm Wüst: „Er hat ein Märtyrerleben geführt, er war wirklich ein großer Mann.“
Karl Wüst selbst beginnt im Winter 1952 damit, besondere Ereignisse und Zeitgeschehen innerhalb seines Heimatgebietes niederzuschreiben. Seine Aufzeichnungen sind ein interessantes Dokument darüber, wie die Menschen damals im Westerwald lebten, wie ihr Alltag, ihr Berufsleben aussah, welchen Sitten und Gebräuchen sie nachgingen. Karl Wüst berichtet von dem Bau der Eisenbahnstrecke, dem Anfang der Basaltindustrie, dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Wie sein Urahn vor ihm hat er mit diesen Aufzeichnungen wichtige Einblicke in die damalige Zeit für die Ewigkeit festgehalten. las