Westerwaldkreis

Ein Motor in der Krise: Baubranche boomt im Westerwaldkreis

Eine heikle Szene: Im Wahl-Clip der IG BAU dreht sich alles ums Thema Arbeit. Ein „Unglücksrabe an der Kettensäge“ zeigt dabei, wie es nicht laufen darf.
Eine heikle Szene: Im Wahl-Clip der IG BAU dreht sich alles ums Thema Arbeit. Ein „Unglücksrabe an der Kettensäge“ zeigt dabei, wie es nicht laufen darf. Foto: Tobias Seifert/IG BAU

Gegen den Trend sei es im Pandemie-Jahr 2020 mit dem Bau im Westerwaldkreis bergauf gegangen, betont die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) in einer Pressemitteilung: „Die Zahl der Baubeschäftigten lag am Jahresende bei 6909. Damit gab es im ersten Corona-Krisen-Jahr im Westerwaldkreis 133 Bauarbeiter mehr – ein Plus von zwei Prozent.“

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Der Bau habe in der Pandemie für Stabilität gesorgt und vom Wohnungs- bis zum Straßenbau eine gute Job-Perspektive geboten, sagt Karl-Heinz Michel. Der Bezirksvorsitzende der IG BAU Wiesbaden-Limburg sieht die Bauwirtschaft als „Motor in der Krise“.

Doch während der Bau habe zulegen können, habe die Beschäftigungsentwicklung in den übrigen Wirtschaftszweigen stagniert: Ohne die Baubranche gerechnet, lag dort die Zahl der regulär Beschäftigten laut Pressemitteilung Ende 2020 bei 63.694. Gegenüber dem Vorjahr und damit der Zeit vor Corona, sei dies ein Zuwachs um lediglich 19 Beschäftigte gewesen.

„Besonders stark hat die Krise bei den Minijobs reingehauen“, so Karl-Heinz Michel. Außerhalb der Baubranche sei die Zahl der Minijobber im ersten Corona-Krisenjahr im Westerwaldkreis um 246 auf 22.552 Ende 2020 gesunken – ein Rückgang um 1,1 Prozent. Auf dem Bau dagegen gab es Ende vergangenen Jahres 1517 Minijobber – ein Plus von vier Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und das, obwohl der Bau „alles andere als eine typische Mini-Job-Branche ist“, wie Karl-Heinz Michel betont. Er beruft sich dabei auf eine regionale Arbeitsmarkt-Analyse, die das Pestel Institut mit Zahlen der Bundesagentur für Arbeit im Auftrag der IG BAU gemacht hat.

Die Situation im Westerwaldkreis sei damit typisch für die bundesweite Beschäftigung. Und der Trend werde anhalten: Der Bau brauche Leute. „Vor allem Fachkräfte“, sagt der IG BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger. Bauindustrie und Bauhandwerk müssten sich hier „ins Zeug legen und für Nachwuchs sorgen“.

Der Bau habe eine Mammutaufgabe vor sich: „Allein beim Wohnungsbau schiebt die Branche einen enormen Berg von genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen vor sich her: Über 780.000 Wohnungen – so groß ist der aktuelle Bauüberhang. Allein in Rheinland-Pfalz stehen rund 37.000 Wohnungen auf der Bau-Warteliste“, so Feiger.

Darüber hinaus müsse sich die Baubranche auf ein „starkes Jahrzehnt der Sanierungen“ einstellen. Die neue Bundesregierung werde alles daransetzen müssen, um deutlich mehr Klimaschutz-Sanierungen zu schaffen. „Auch der seniorengerechte Umbau von bestehenden Wohnungen drängt enorm. Es werden künftig viel mehr Seniorenwohnungen gebraucht als heute schon. Denn bald geht die Baby-Boomer-Generation in Rente“, so Feiger.

Auf den Bau komme eine Menge Arbeit zu. „Und dafür brauchen wir ordentliche Regeln: Die Arbeitsbedingungen und der Lohn müssen passen“, fordert Feiger. Die IG BAU setze sich genau dafür am Tariftisch ein. Trotzdem sei hier auch der Staat gefordert: Von den Arbeitszeiten über den Arbeitsschutz bis zum Kampf gegen Lohndumping – die neue Bundesregierung habe wichtige Instrumente in der Hand, um „Wildwuchs im Arbeitsalltag“ zu bekämpfen.

„Damit das passiert, ist eine Botschaft wichtig: Gute und faire Arbeit fängt beim Wählen an“, so Feiger weiter. Der Gewerkschaftsvorsitzende appelliert deshalb, einen kritischen Blick in die Wahlprogramme der Parteien zu werfen und „genau zuzuhören, was von denen kommt, die in den Bundestag und ins Kanzleramt wollen“.

Die Ziele der Parteien seien sehr unterschiedlich. Manche ließen Themen, die für Beschäftigte enorm wichtig seien, sogar komplett unter den Tisch fallen. „Das gilt zum Beispiel für einen höheren Mindestlohn, also für die unterste, noch erlaubte Lohnkante. Genauso wie für ein bundesweites Tariftreuegesetz, das Firmen vorschreibt, den fairen Tariflohn zu bezahlen, wenn sie einen öffentlichen Auftrag wollen“, sagt Robert Feiger.

Die IG BAU rühre deshalb jetzt die Werbetrommel für die Bundestagswahl. „Gute und faire Arbeit kann man wählen. Bezahlbare Wohnungen und eine ordentliche Rente übrigens auch“, so Feiger. Dazu hat die Gewerkschaft einen „Lockruf in die Wahlkabine“ gemacht – Wahl-Clips mit der Aufforderung „...iXen gehen!“.

Dabei handelt es sich um Filmspots mit verschiedenen skurrilen Szenen und kuriosen Charaktertypen. Die IG BAU will damit einen „Weckruf zur Wahl“ machen. „Es geht darum, die Probleme, die den Menschen auf den Nägeln brennen, klar auf den Punkt zu bringen – mit einem Augenzwinkern. Ob per Briefwahl am Küchentisch oder am 26. September in der Wahlkabine: Wichtig ist, dass die Menschen wählen gehen“, so der IG BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger abschließend.