Die Erntebilanz 2021 für den Westerwald: Die Menge war gut, die Qualität nicht
Dadurch sei es gelungen, die Vorräte, die durch die besonders heißen und trockenen Jahre zuvor aufgebraucht gewesen seien, wieder einigermaßen aufzufüllen. Weniger positiv fällt allerdings ihr Fazit zur Qualität von Heu, Mais und Getreide aus. Diese habe unter der Nässe im vergangenen Jahr gelitten. „Teilweise sind uns die Böden regelrecht weggeschwommen“, so die Kreisvorsitzenden.
Dadurch sei beim Getreide viel Stroh, aber wenig Korn erzielt worden. Silage zur Fütterung des Viehs sei aktuell genügend vorhanden und müsse nicht, anders als in den drei Vorjahren, woanders zugekauft werden. Doch die Landwirte gehen davon aus, dass sich die Vorräte bis Ende dieses Jahres auch wieder auflösen. Das beunruhigt sie insbesondere deshalb, weil sie für die nahe Zukunft wieder mit sinkenden Erträgen rechnen.
Zwar kann noch keiner sagen, wie sich die Witterung 2022 auf das Wachstum von Feld- und Wiesenfrüchten auswirkt, doch andere Umstände auf dem Weltmarkt ließen nichts Gutes erahnen, so Müller, Schwan, Schreiber und Mille. Gemeint sind damit vor allem die globale Verteuerung und die Verknappung von Düngemitteln, die unter anderem auf die gestiegenen Energiepreise zurückzuführen sind. Letztgenannte wiederum erhöhen auch die Produktionskosten des einzelnen Bauern vor Ort, was eine zusätzliche Belastung darstellt.
Und weniger Düngemittel, so die Prognose der drei Kreisvorsitzenden, habe eine Verringerung und Preissteigerung bei den Lebensmitteln zur Folge. Leere Regale, wie bereits in Großbritannien gesehen, halten sie auch bei uns für möglich. Schon jetzt hätten sich die Marktpreise für bestimmte Produkte verdoppelt: So werde eine Tonne Raps, für die vor Kurzem noch 400 Euro gezahlt wurden, mittlerweile mit 800 Euro gehandelt. Der Doppelzentner Weizen koste mittlerweile circa 30 statt früher 15 Euro.
Doch die Krux an dieser Entwicklung ist aus Sicht des Bauern- und Winzerverbandes die, dass sämtliche Preissteigerungen, die letztlich den Endverbraucher beziehungsweise Konsumenten treffen, nicht beim Erzeuger, beim Landwirt, ankämen. „Der Rohstoffwert am Brötchen ist nach wie vor gering. Er ist von 0,9 auf 1,8 Cent gestiegen“, sagt Matthias Müller. Die Preiserhöhung hinge überwiegend mit gestiegenen Transport- und Energiekosten innerhalb der Lieferketten zusammen.
Die Landwirte hätten am Markt keine Macht, sondern sie seien dem Preisdruck der großen Lebensmittelhändler ausgeliefert. „Wenn Auflagen in der Produktion oder die Energiekosten erhöht werden, können wir diese nicht einfach weitergeben. Wir sind am unteren Ende der Kette“, kritisieren sie. Auch die Milchbauern wären schon froh, wenn sie wenigstens ihre Mehrkosten ausgeglichen bekämen. Von höheren Erlösen wage man ja kaum zu sprechen.
Vor diesem Hintergrund haben die Bauern die vom neuen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir verkündete „Abschaffung von Ramschpreisen“ für Lebensmittel mit großem Interesse aufgenommen und begrüßen sie grundsätzlich. Allerdings verknüpfen sie damit die Hoffnung, dass den Worten auch Taten folgen, von denen sie in Deutschland auch profitierten. Denn immer größer werdende Anforderungen – etwa an die Fleischproduzenten hierzulande – hätten zwar zu einer Ökologisierung der heimischen Landwirtschaft und dadurch zu einer Ertragsminderung sowie zu einer Reduzierung der Betriebe geführt, der Hunger der Bevölkerung sei dadurch aber nicht kleiner geworden.
Um diesen zu stillen, würden insbesondere in Südamerika (Brasilien) Lebens- und Futtermittel eingekauft und in die Bundesrepublik importiert. Die hohe Produktion in Brasilien führe zu weiteren Abholzungen des Regenwaldes, um Nutzflächen zu generieren. Das sei klimaschädlich, zudem entsprächen die Sozialstandards für die Arbeiter dort nicht den strengen deutschen Vorgaben. Eine undeutliche Deklarierung der Produkte verschleiere dann die wahre Herkunft. Deshalb fordern Müller, Schwan und Schreiber von der Politik eine glasklare Kennzeichnung zur Herkunft der Waren.
Darüber hinaus müsse das Kartellamt für ein ausgewogenes Machtverhältnis zwischen Handel und Produzenten sorgen. „Wenn Minister Özdemir jetzt für wertvollere Lebensmittel wirbt, ist das positiv zu werten. Er hat den richtigen Ton getroffen“, sagt Markus Mille. Allerdings bleibe jetzt abzuwarten, wie er dies erreichen wolle.