Westerwald

Beschäftigung von Menschen mit Behinderung: Mit inklusivem Arbeitsmarkt geht es in Region voran

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Anlage Foto (von Christof Bröder, zur kostenfreien Veröffentlichung von SBR) Die Teilnehmenden der Inklusionsrundreise mit Gastgebern beim Rundgang durch die modernen Hallen der ITEX Gaebler im Industriegebiet Heiligenroth. Foto: Christof Bröder

Inklusion? Na klar! Die große Mehrheit der Westerwälder ist sich wohl einig: Menschen mit und ohne Behinderung sollten in unserer Gesellschaft gleichberechtigt zusammenleben. In der Praxis jedoch hält sich aber noch so manches Vorurteil hartnäckig – auch auf dem Arbeitsmarkt. Wie heimische Unternehmen damit umgehen und wie Inklusion im Betrieb gelebt wird, war Thema einer Unternehmensrundreise.

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Eingeladen dazu hatte der Senioren- und Behindertenrat Südlicher Westerwald. „Reiseteilnehmer“ waren ein Dutzend ausgewählte Experten zu den Themen Behinderung und Arbeitsmarkt. Sie erlebten an fünf Stationen einen tiefen Einblick in die Praxis, wie der Veranstalter in einer Pressemitteilung schreibt.

Erster Gastgeber war die Medizinisch-Berufliche Rehabilitation an der BDH-Klinik in Vallendar, an der auch Jugendlichen mit einer neurologischen Beeinträchtigung aus dem Westerwaldkreis eine berufliche Eingliederung ermöglicht wird. „Für unsere jungen Rehabilitanden werden maßgeschneiderte Förder- und Therapiepläne erarbeitet, durchgeführt und regelmäßig hinterfragt“, so Leiterin Birgit Heider-Neideck. Wichtig sei auch das Lebenspraxistraining, das von der ÖPNV-Nutzung bis zum Behördengang und der Freizeitgestaltung reiche.

Weiter führte die Reise zur Hörter Tonwarenfabrik in Ransbach-Baumbach, wo unter 219 Beschäftigten zwölf mit einem Handicap arbeiten. Bei einem Rundgang zeigte Geschäftsführer Martin Hörter der Gruppe Arbeitsplätze, die barrierefrei umgestaltet und von denen einer zu 80 Prozent gefördert wurde. „Das ist in Form einer Hebebühne nicht nur gut für die Menschen mit Behinderung, sondern auch für viele andere im Betrieb“, freute sich der Gastgeber. Personalleiter Carsten Neuroth wies darauf hin, dass es zunehmend schwieriger sei, das passende Personal zu finden, weshalb Menschen mit einem Handicap zunehmend im Blick seien.

Nächste Station war die RuGo Bags GmbH in Ebernhahn, die ihren Kunden unter anderem bei Verpackungen ein zuverlässiger Partner ist. Geschäftsführer Volker Nengel führte den Besuchern zunächst mit der „Recover-E-Bag“ eine Neuentwicklung seines Unternehmens zur Brandbekämpfung von E-Autos vor. Im Mittelpunkt stand aber für die Gäste ein Mitarbeiter, der über die „Unterstützte Beschäftigung“ der Caritas ins Unternehmen kam. „Er ist uns ein zuverlässiger Mitarbeiter geworden, der seine Arbeit selbstständig erledigt und wunderbar integriert ist“, lobte der Chef seinen engagierten Lagerhelfer, dessen Beschäftigung zudem noch aus öffentlichen Mitteln gefördert wird.

Ein Unternehmen, das 1961 als Einmannbetrieb gegründet wurde, stand dann mit der WWL Westerwaldlogistik in Moschheim auf dem Reiseplan. Der Sohn des Gründers und Geschäftsführer Dirk Körting stellte fest: „Vorurteile gegen Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt wurden bei uns eindeutig widerlegt, sie sind zuverlässig und motiviert.“ Bei einem Rundgang mit Besichtigung der barrierefrei umgestalteten Arbeitsplätze zeigte sich der Geschäftsführer begeistert von der unkomplizierten Förderung und Betreuung durch die zuständigen Behörden und die Auszeichnung mit einem Landespreis.

Letzte Station war die Itex Gaebler-Industrie-Textilpflege in Heiligenroth. Geschäftsführerin Eva Reiter stellte die Inklusionsgruppe vor: „Wir beschäftigen acht Menschen mit Behinderung, denen man dies auf den ersten Blick meist nicht ansieht.“ Die Zusammenarbeit mit ihnen sei optimal, und aktuell werde die Einstellung einer Rollstuhlfahrerin mit Multipler Sklerose vorbereitet. Im Gespräch schilderte einer der Betroffenen sein Schicksal: „Nach einem Schlaganfall wurde hier im Unternehmen alles dafür getan, dass ich bleiben und meine Arbeit weiter voll ausfüllen kann!“ Seniorchef Rainer Rabe wies darauf hin, dass die Gesundheit der 195 Beschäftigten generell ein hohes Ziel im Betrieb ist.

Als „Reiseleiter“ der Inklusionstour dankte Uli Schmidt allen Beteiligten. „Wir sind mit der Inklusion im Wäller Arbeitsmarkt nicht mehr am Anfang, aber die aktuelle Situation kann nicht zufriedenstellen. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann ein großer Teil der Arbeitsplätze von einem Menschen mit einer Behinderung gut ausgefüllt werden. red

Lösungen, Tipps und Beteiligte

Es gibt viele Fördermöglichkeiten für Arbeitgeber, die Menschen mit Behinderung einstellen wollen. Die Agentur für Arbeit in Montabaur und das Integrationsamt in Koblenz beraten Unternehmen und unterstützen finanziell. Oft helfen auch einfache, wenig kostspielige Lösungen.

Investitionen in Barrierefreiheit zahlen sich für Unternehmen gleich mehrfach aus: Nicht nur neue Mitarbeitende mit Behinderung, auch ältere oder erkrankte Kollegen profitieren und bleiben länger arbeitsfähig. Außerdem: Sozial engagierte Unternehmen sind ein attraktiver Arbeitgeber für alle Fachkräfte – nicht nur für diejenigen mit Behinderung. Und auch Kunden schätzen soziales Engagement und profitieren von barrierefrei zugänglichen Waren und Dienstleistungen.

Alle Akteure sind in der Verantwortung, verstärkte Anstrengungen, Impulse und Instrumente einzusetzen, um einen entschlossenen Teil dazu beizutragen, den Wäller Arbeitsmarkt mittelfristig inklusiv, gerecht und gesund auszurichten, betont Organisator Uli Schmidt.

Teilnehmer der Rundtour waren: Matthias Rösch, Landesbehindertenbeauftragter; MdB Dr. Tanja Machalet (SPD); Cornelia Böwing, Mitarbeiterin im Inklusionsreferat des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Transformation und Demografie; Colin Geßner, Rehateam der Agentur für Arbeit Montabaur; Christoph Seimetz, Behindertenbeauftragter des Westerwaldkreises; Lothar Lehmler, BDH-Bundesvorstand (früher langjähriger Leiter der MBR Vallendar); Gabi Crecelius, Bereichsleitung Integrationsfachdienst beim Diakonischen Werk Westerwald; Tim Herrmann, Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber beim DW Westerwald; Santana Hoppe, Integrationsamt Koblenz, und Uli Schmidt aus Horbach, Koordinator SBR. red

Westerwälder Zeitung
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