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Westerwald/Solms

Alltag einer ALS-Patientin: Wenn Atmen nicht mehr von allein klappt

Von Verena Hallermann
Liebevoll kümmert sich Dieter Krause um seine Lebensgefährtin. Eleonore Kunz leidet an der Nervenkrankheit ALS und ist seit einigen Wochen auf ein Beatmungsgerät angewiesen. Das Paar meistert seinen Alltag mithilfe eines Intensivpflegedienstes. Foto: Verena Hallermann
Liebevoll kümmert sich Dieter Krause um seine Lebensgefährtin. Eleonore Kunz leidet an der Nervenkrankheit ALS und ist seit einigen Wochen auf ein Beatmungsgerät angewiesen. Das Paar meistert seinen Alltag mithilfe eines Intensivpflegedienstes. Foto: Verena Hallermann

Manchmal brauchen Menschen Hilfe beim Atmen. Eleonore Kunz ist eine von ihnen. Die ALS-Patientin wollte aber nicht in eine Klinik. Sie wird heute in den eigenen vier Wänden betreut.

Lesezeit: 4 Minuten
Eleonore Kunz' Lippen formen sich zu einem stummen Danke. Sie liegt im Bett, ein Beatmungsschlauch in der Lunge nimmt ihr die Stimme, hilft ihr zu atmen. Medizinische Geräte stehen neben ihrem Krankenlager, zeigen ihren Puls, versorgen sie mit Sauerstoff. Die 84-jährige Frau blickt zu ihrem Lebensgefährten. Sie lächelt sanft und ...
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Die größte Herausforderung ist die Betreuung der Angehörigen

Westerwald. Wenn das Atmen zur Herausforderung wird, sind Menschen oftmals auf eine künstliche Beatmung angewiesen. Dafür ist nicht unbedingt ein Krankenhausaufenthalt notwendig. Spezielle Pflegedienste ermöglichen den Patienten eine außerklinische Intensivpflege in den eigenen vier Wänden. Unsere Zeitung hat sich mit dem ambulanten Pflegedienst Vedia aus Wallmerod unterhalten. Geschäftsführer Erich J. Wind berichtet, dass oft Nervenerkrankungen Ursache für eine geschwächte Atemmuskulatur sind.

Welche Leistungen beinhaltet die außerklinische Intensivpflege?

Dazu gehören die kontinuierliche Beobachtung und Intervention mit den notwendigen medizinischen Maßnahmen und auch die Dokumentation der Vitalfunktionen wie zum Beispiel Puls, Blutdruck und die Beatmungsparameter. Aber auch ärztliche Tätigkeiten und Behandlungspflege wie Wundversorgung und Verbandswechsel, die Grundpflege (Hilfe beim Waschen) und auf Wunsch auch eine hauswirtschaftliche Versorgung (wie einkaufen, kochen, spülen) gehören dazu. Außerdem: die Betreuung der Angehörigen. Nicht zuletzt ist dies die größte Herausforderung in der außerklinischen Intensivpflege.

Inwiefern?

Nach dem schon sehr schicksalshaften und teilweise sehr traumatisierenden Ereignis des betroffenen Klienten benötigen wir für die Versorgung eines Klienten mindestens fünf Vollzeitkräfte. Die spezielle Krankenbeobachtung verpflichtet die Anwesenheit einer examinierten Pflegefachkraft rund um die Uhr. Dies bedeutet eine sehr große Umstellung und einen Eingriff in die Privatsphäre der jeweiligen Familien und Angehörigen.

Wie wichtig ist eine außerklinische Intensivpflege heute?

Aufgrund des demografischen Wandels und des Pflegestärkungsgesetzes sind ambulante Pflegedienste jeglicher Spezialisierung sehr gefragt. Die betroffenen Patienten erfahren eine spürbare Verbesserung ihres Allgemeinzustandes in ihrem gewohnten häuslichen Umfeld. Alleine diese Tatsache hat dafür gesorgt, dass wir in den letzten Jahren, zu unserer Freude, einige Patienten aufgrund deutlicher Verbesserung ihres Gesundheitszustandes nicht mehr intensivpflegerisch versorgen mussten.

Welche Vorteile hat eine Betreuung in den eigenen vier Wänden im Vergleich zu einem Klinikaufenthalt?

Die Vorteile liegen auf der Hand. Denn aufgrund von schweren Hospitalisierungen, Traumatisierungen und massivem Heimweh im Krankenhaus verbessert sich der Allgemeinzustand im häuslichen Umfeld zusehends. Zudem hat die Versorgung eines Patienten in seiner Häuslichkeit den Vorteil, dass eine Pflegefachkraft rund um die Uhr für den einen Patienten zur Verfügung steht. Dies gewährleistet eine intensive und vor allem individuelle Pflege, eingestellt und geplant auf den jeweiligen Patienten mit all seinen Bedürfnissen, Ängsten, Nöten und nicht zuletzt seinem Krankheitsbild. Außerdem sind gezielte Therapien wie zum Beispiel Ergotherapien, Logopädie oder Physiotherapie im häuslichen Umfeld eine Bereicherung und tragen entscheidend zur Genesung bei.

An welche Patienten richtet sich ihr Angebot?

Die Intensiv- und Beatmungspflege richtet sich an kranke und hilfsbedürftige erwachsene Menschen, die über keine oder unzureichende Ressourcen verfügen, sich selbst zu helfen und deren Körperfunktionen mithilfe technischer Geräte intensiv überwacht und/oder unterstützt werden müssen. Erkrankungen, die dazu führen, sind unter anderem Multiple Sklerose (MS), Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Lungenerkrankungen wie COPD oder auch Unfallereignisse.

Wie können Patienten Ihr Angebot in Anspruch nehmen?

In der Regel werden wir von den umliegenden Rehakliniken oder Krankenhäusern durch deren Sozialdienste kontaktiert. Dennoch können uns Familienangehörige, Freunde und Bekannte des betroffenen Patienten kontaktieren, gerne per Anruf, E-Mail oder persönlich in unserem Büro. Meine Frau ist ausgebildete Pflegeberaterin und steht mit Rat und Tat zur Seite. Sie kümmert sich um alle Anträge bei den Kostenträgern (Kranken- und Pflegekassen), gibt wertvolle Hilfestellung bei der Antragstellung für Hilfs- und Heilmittel und bemüht sich in Zusammenarbeit mit Angehörigen um das therapeutische Angebot für die Klienten. Finanziert wird die außerklinische Intensivpflege zum größten Teil über die Krankenkasse, Pflegekasse oder die Sozialämter.

Was kostet eine außerklinische Intensivpflege/Heimbeatmung?

Aufgrund des sehr hohen Personalaufwandes kostet eine häusliche Intensivpflege rund 22.000 Euro monatlich. Dieser Betrag ist alleine für die Pflege des Patienten zu veranschlagen, hinzu kommen Kosten für Anbieter von Heil- und Hilfsmitteln sowie die medizinische Versorgung durch Hausärzte und Fachärzte und Kosten für Therapeuten.

Das Gespräch führte Verena Hallermann

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