Mit Sieferts Einstieg in den Wahlkampf werden die Karten völlig neu gemischt. Bisher mussten sowohl CDU-Kandidat Thomas Becher wie auch Marcel Will (SPD) vor allem schauen, dass sie bekannt werden. Denn beide traten bisher weder parteipolitisch noch in Vereinen groß in Erscheinung. Wäre es bei diesem Duell geblieben und wären wir auf dem Spielbrett „Bekanntheit“, würden beide Figuren also vom gleichen Feld aus starten.
Nun aber steigt ein Kandidat zu, der seit mehr als einem Jahrzehnt auf unterschiedlichsten Ebenen ehrenamtlich engagiert ist – als Chef des örtlichen Volleyballklubs, als Betreuer auf der Scheune, als Karnevalist, in der Kommunalpolitik. Mit der ULL haben es Siefert und Mitstreiter vor 13 Jahren tatsächlich geschafft, junge Menschen für Kommunalpolitik zu begeistern, die bis dahin einen großen Bogen herum gemacht haben. In den Stadtrat ist Bewegung gekommen und auch der so wortgewandte OB Labonte musste die ein oder andere Verbalattacke mit der Faust in der Tasche über sich ergehen lassen. Siefert spricht Tacheles, wenngleich nicht immer im richtigen Ton.
Aber 13 Jahre sind nun mal 13 Jahre – auch Lennart Siefert ist heute Teil der etablierten Kommunalpolitik. Er hat zwei Mal für den Landtag kandidiert, musste zuletzt schmerzlich einen schlechten Listenplatz bei den Freien Wählern hinnehmen. Parteiengeschacher, dem auch er sich unterworfen hat. Man könnte auch sagen: Lennart Siefert hat seine Unschuld verloren.
Nun tritt er an, um in einer Stadt Oberbürgermeister zu werden, die ihren Verwaltungschef bisher stets konservativ gewählt hat. Soll sich das ändern, muss Siefert zeigen, dass er auch heute noch der etwas andere Kandidat ist. Und er darf – dies unterscheidet einen OB nämlich vom Fraktionsvorsitzenden – im Wahlkampf kein Porzellan zerschlagen. Gerade bei der SPD. Dies hat Siefert in der Vergangenheit munter getan. Möchte er aber eine realistische Chance auf den Sieg haben, muss er diese Scherben aufkehren – gerade im Hinblick auf einen (wahrscheinlichen) zweiten Wahlgang.