Das von der Lebenshilfe vielerorts praktizierte integrative und heilpädagogische Kita-Modell scheint in Rheinland-Pfalz vor dem Aus zu stehen. Kleine Gruppen, mehr Personal und besondere räumliche Möglichkeiten für Heilpädagogik, Ergo- und andere Therapien zeichnen auch die Einrichtung in Singhofen aus. Zudem befindet sich die Kita unmittelbar neben der Erich Kästner-Schule, der kreisweit einzigen Förderschule für Kinder mit geistiger Behinderung. Dorthin wechseln nach der Kitazeit ein nicht geringer Teil der beeinträchtigten Kinder. Die bisherigen Rahmenbedingungen der Finanzierung solcher Kitas steht jedoch vor Veränderungen, die einen Betrieb für die Zukunft offenbar infrage stellen.
Demo im Süden des Landes
In Kaiserslautern haben in dieser Woche Eltern für den Erhalt integrativer Kitas demonstriert, nachdem die dortige Lebenshilfe Westpfalz angekündigt hatte, die Einrichtungen mittelfristig schließen zu müssen, wenn deren Finanzierung nicht gesichert werde. Uwe Bruchhäuser (SPD), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau, vermutet, dass auch die Lebenshilfe-Kita in Singhofen selbst ohne Insolvenz des als Verein organisierten Trägers in der jetzigen Form auf Dauer keine Zukunft gehabt hätte. „Das Modell trägt unter den neuen Rahmenbedingungen nicht mehr“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Landesregierung habe angekündigt, das neue Kitagesetz und seine Auswirkungen zu evaluieren, doch welche Schlüsse man dann daraus ziehen werde, sei offen.
Das Land setzt mit den neuen Vorgaben voll und ganz auf Inklusion vor Ort. In dem Mitte 2021 in Kraft getretenen Gesetz heißt es, dass die Kindertagesbetreuung von Kindern mit und ohne Behinderungen in der Regel gemeinsam stattfindet. Kurz: Die für den Wohnort eines Kindes mit Beeinträchtigung zuständigen Kitas müssen für angemessene Betreuung und Förderung sorgen. Dort werden also künftig verstärkt Integrationskräfte eingesetzt werden, weil je nach Schwere der Beeinträchtigung eine Eins-zu-eins-Betreuung der Kinder notwendig ist.
Regeleinrichtungen überfordert
Die mit den neuen Landesvorgaben verbundenen Herausforderungen waren jüngst Thema im Kita-Trägerausschuss der VG Bad Ems-Nassau. Im Laufe der Diskussionen war von Elternvertretern wie auch Pädagogen mehrfach der Ausspruch „eine Katastrophe“ zu hören. In der Sitzung wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass es beeinträchtigte Kinder gibt, denen es schwerfällt, mit so vielen Kindern zusammen zu sein, wie sie in Regelgruppen der Kitas üblich sind. Die Leiterin einer Einrichtung wies darauf hin, dass ihre Kita – obwohl ein Neubau – gar nicht über die räumlichen Kapazitäten verfüge, damit beeinträchtigte Kinder vor Ort therapiert werden können. Die Folge sei, dass die Eltern künftig ihren Nachwuchs selbst zu entsprechenden Praxen fahren müssten. „Die können dann faktisch gar nicht mehr arbeiten gehen“, meinte die Kitaleiterin.
Die Erste Beigeordnete der VG, Gisela Bertram (SPD), geht davon aus, dass ähnliche Fragen künftig auf alle Kitas zukommen werden. Um gewappnet zu sein, müsse man sich kompetente Berater ins Boot holen. „Es geht darum, die Kinder nicht aufzubewahren, sondern sie zu fördern“, sagte sie. „Ich denke, eine Regelkindertagesstätte ist damit überfordert.“ crz