Nastätten/Rhein-Lahn

Nach Flut in Eifel: Facebook-Aufruf tritt Hilfswelle im Blauen Ländchen los

Von Bernd-Christoph Matern
Fünf große Sattelzüge voller Hilfsgüter für Hochwasseropfer haben sich am Sonntag vom TÜV-Gelände in Nastätten aus in Richtung Nürburgring auf den Weg gemacht. Geladen hatten sie unter anderem Trinkwasser, Hygieneartikel, Tierfutter, Spielsachen und Kleidung. Foto: Bernd-Christoph Matern
Fünf große Sattelzüge voller Hilfsgüter für Hochwasseropfer haben sich am Sonntag vom TÜV-Gelände in Nastätten aus in Richtung Nürburgring auf den Weg gemacht. Geladen hatten sie unter anderem Trinkwasser, Hygieneartikel, Tierfutter, Spielsachen und Kleidung. Foto: Bernd-Christoph Matern

Eine Welle der Hilfsbereitschaft hat ein kleiner Facebook-Aufruf zur Unterstützung der Flutopfer in der Eifel ausgelöst. Allein fünf große Sattelzüge voller Hilfsgüter sind am Wochenende vom TÜV-Gelände in Nastätten aus gen Nürburgring gestartet. Ihr Inhalt: Tausende Liter Trinkwasser, Hygieneartikel, Tierfutter, Kartons, Spielsachen und Kleidung; ein anderer Lkw hat Werkzeuge und Notstromaggregate geladen.

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Tiana Singhof ist sprachlos. Als sie ihren Hilfsaufruf am Donnerstagabend auf Facebook postet, löst das eine unglaubliche Bereitschaft zum Helfen aus. „Wir dachten, da kommen vielleicht zwei Busse voll mit Spenden zusammen“, berichtet sie von der Idee. Mit Freundin Natalie Zöller ist sie dann überwältigt von der spontanen Unterstützung, die den beiden innerhalb kürzester Zeit pausenlos von hilfsbereiten Menschen und Firmen, nicht nur aus dem Rhein-Lahn-Kreis, angeboten werden.

Wenig Schlaf, dafür umso mehr Telefonate und Nachrichten über digitale Kanäle bestimmen das Wochenende. „Das war unglaublich, wie schnell da über Netzwerke Unterstützung kam.“ Auf diese Weise werden etwa in einer Nachtaktion allein 1000 20-Liter-Kanister Trinkwasser organisiert und nach Nastätten geliefert. Ein Verpackungsbetrieb sagt die Lieferung von Kartons zu, ein Drogeriemarkt räumt sein Lager leer, um die wichtigen Hygiene-Artikel ins Katastrophengebiet transportieren zu lassen.

Neben solch bereitwillig zugesagten Einzelspenden von Firmen gilt es, die logistische Herausforderung zu meistern, die mit dem Aufruf zu Sachspenden am Sonntagmorgen verbunden ist. Auch hier ist die Verbundenheit in der Region, in der es so viele vertraute Kontakte gibt, der Schlüssel zur Hilfe. Heimische Speditionen bieten ihre großen 40-Tonner für den Transport an, Verwaltungen und Bauhof unterstützen in der Verkehrsregelung, und im Nu finden sich zudem mehrere Dutzend anpackende Hände, um die Hilfsgüter auf dem TÜV-Gelände vorzusortieren und dann in den Lastwagen zu verstauen.

Mitarbeitende von Firmen, Freunde, Angehörige von Feuerwehren und anderen Rettungsorganisationen und ganz viele hilfsbereite Bürgerinnen und Bürger sorgen für ein helfend geordnetes Gewusel zwischen Ladeflächen und vollgeladenen Kleintransportern, Hängern und jeder Menge Autos, die gestern zwischen 10 und 13 Uhr zu Hunderten den TÜV ansteuern.

Schon ein Stau an der Kreiselzufahrt in die Rheinstraße gegen 10 Uhr zeigt die enorme Hilfsbereitschaft der Menschen. Mehr als eine halbe Stunde warten da viele, bevor sie auf zwei Spuren von Berthold Singhof am TÜV eingewiesen werden, um ihre Fonds und den Kofferraum mit Hilfsartikeln ausladen zu können. Zweimal fährt Nicole Seidel dort vor, denn ihren Wagen mit Kleidern muss sie wieder mit nach Hause nehmen. Dafür ist einfach kein Platz mehr in den Lagern am Nürburgring. „Das macht gar nichts“, sagt sie, „das ist eine wunderbare Aktion.“ Die Menschen in der Eifel hätten jetzt wohl ganz andere Probleme, als mal etwas im Stau zu stehen und vielleicht etwas umsonst in ein Auto ein- und auszupacken.

Ähnlich sieht das Ursula Hain. Sie ist mit Freunden und zwei großen Anhängern aus Frohnhausen bei Dillenburg fast zwei Stunden in die Bienenstadt gefahren, um Decken, Tierfutter, Gummistiefel und andere Hilfsgüter zu bringen. Ihre Enkelin hatte im Internet von der Hilfsaktion im 100 Kilometer entfernten Nastätten erfahren. „Wir haben bei uns im Ort mithilfe der Feuerwehr gesammelt und sortiert, um etwas für die Menschen in Not zu tun und nicht nur vor dem Fernseher die Bilder zu sehen, die uns sehr berührt haben.“

Dann kreuzt Heinz Heymann mit dem Gabelstapler aus seiner gegenüberliegenden Firma die mit Autos gesäumte Straße. Er lädt eine ganze Palette mit Sprudelwasser aus dem Transporter von Heiko Zöller in einen Lastwagen um. „Die hat gestern ein Privatmann an der Kasse eines Supermarktes bezahlt, damit wir sie in die Eifel mitnehmen können“, freut sich Tiana Singhof auch über eine solch spontane Einzelspende. An die vielen Helferinnen und Helfer auf dem Gelände denken einmal mehr die heimischen Betriebe aus Nastätten und den Nachbargemeinden mit ihren Spenden: Ein Getränkemarkt liefert Kisten mit Mineralwasser, Bäckereien sorgen für Brötchen und Kuchen und die Metzgerei für deftige Stärkung.

Direkt aus dem Krisengebiet kommt Norman Klein. Nach den erschreckenden Bildern, die der DRK-Mann während seines Einsatzes erlebt, seien diese vielen helfenden Menschen für ihn eine Motivation für seinen Dienst mit der Schnelleinsatzgruppe Rhein-Lahn. „Ich bin wirklich überwältigt, was hier heute abgeht“, sagt der erfahrene Ersthelfer, bevor er am Abend wieder zu seinem Dienst in die Eifel zurückkehrt.

„Wie schnell da jetzt so viele Leute ihre Hilfe angeboten haben, ist überwältigend und einfach unfassbar“, formuliert mit einer großen Umzugskiste in der Hand und Schweißperlen auf der Stirn Nastättens Stadtbürgermeister Marco Ludwig. Das sei ebenso unfassbar, wie das Ausmaß des geschehenen Unglücks. „Ich bin so stolz auf die Menschen im Blauen Ländchen und weit darüber hinaus. Hier zeigt sich erneut, dass wir zusammenhalten und ein großes Herz haben“, erklärt VG-Bürgermeister Jens Güllering. Da zeigten sich die sozialen Netzwerke von ihrer positiven Seite.

Mehr als 100 Helfer aus Kreis in Krisenregion – Zahlreiche Spendenaktionen initiiert

Das Ausmaß der Flutkatastrophe hat bei den Menschen im Rhein-Lahn-Kreis eine große Bestürzung ausgelöst. „In Gedanken sind wir bei den Opfern und ihren Angehörigen. Ihnen gilt unser Mitgefühl“, so Landrat Frank Puchtler in einer Pressemitteilung.

Mehr als 100 Helfer aus dem Rhein-Lahn-Kreis waren und sind in der Krisenregion vor Ort im Einsatz, um zu helfen. Zu ihren Aufgaben gehören unter anderem der Betrieb der kreiseigenen Sandsackfüllanlage, die Unterstützung der technischen Einsatzleitung der Leitstelle Koblenz und bei der Wasserrettung mit Rettungsbooten, Strömungsrettern und Tauchern unter der Leitung des Brand- und Katastrophenschutzinspekteurs des Rhein-Lahn-Kreises Guido Erler und seinen Stellvertretern. „Ich danke allen Helfern für ihren Einsatz bei dieser furchtbaren Katastrophe und hoffe, dass alle gesund nach Hause kommen“, betont der Landrat weiter. Sach- und Geldspenden würden durch zahlreiche Hilfsorganisationen, Institutionen, Vereine und Firmen gesammelt.

Die Verbandsgemeinde Adenau weist im Internet allerdings darauf hin, keine Hilfsgüter ohne Absprache zu sammeln und anzuliefern. Die Lager seien „glücklicherweise mehr als voll“, heißt es auf der Internetseite www.hochwasseradenau.de. Dort gibt es auch die Möglichkeit, sich als Helfer zu registrieren. Geldspenden sind unter anderem an den Bürgerfonds der VG Adenau möglich. Unsere Zeitung hat eine Übersicht an Spendenmöglichkeiten zusammengetragen. Diese finden Sie online unter der Adresse www.ku-rz.de/hilfsangebote red

Flutkatastrophe im Ahrtal
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