Rhein-Lahn/Rhein-Hunsrück

Hilfe in der Not ist alles, was für sie zählt: Bauern aus der Region unterstützen an der Ahr tatkräftig

Von Karin Kring, Monika Pradelok
Die chaotische Situation in Ahrweiler zeigen die Bilder der Landwirte aus dem Taunus (unten), die sie bei ihrem Hilfseinsatz von den Fahrzeugen aus gemacht haben.
Die chaotische Situation in Ahrweiler zeigen die Bilder der Landwirte aus dem Taunus (unten), die sie bei ihrem Hilfseinsatz von den Fahrzeugen aus gemacht haben. Foto: Christian Wenn

Sie haben alle selbst alle Hände voll zu tun. Gerade jetzt zur Erntezeit. Als sie aber die Bilder von der schrecklichen Flutkatastrophe im Fernsehen und in den Medien sahen, zögerten sie nicht. Für die befreundeten Landwirte Moritz Schmidt (Lierschied), Rene Feldpausch (Eschbach), Steffen Peiter (Himmighofen), sowie Christian Wenn (Himmighofen), Inhaber einer Werkstatt für Land-, Bau- und Forstmaschinen, war klar: Sie wollen den Menschen an der Ahr helfen.

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Sie wollten sich auf den Weg machen, wie viele andere Bauern aus der Umgebung, zum Beispiel aus dem Hunsrück, auch. Denn sie haben genau die Fahrzeuge, die im Katastrophengebiet gebraucht werden: Traktoren, Anhänger, Radlader, kurz Landmaschinen, die auch auf verschlammten Straßen und Wegen noch einsetzbar sind. Ganz so einfach, wie gehofft, war das nicht. Denn, so würde in allen Medien gesagt, es solle möglichst niemand „auf eigene Faust“ in das zerstörte Gebiet fahren.

„Stundenlang haben wir am Samstagmorgen versucht, unsere Hilfe mit drei Schleppern samt Anhängern, Teleskoplader und Werkstattwagen bei der Hotline in Ahrweiler anzubieten“, schildert Christian Wenn. Ohne Erfolg. „Nach weiteren Stunden des Wartens und dem Fertigmachen der Maschinen, haben wir gegen Abend beschlossen, ohne direkten Auftrag nach Ahrweiler zu fahren. Denn bei etlichen Liveberichten hat man gesehen und gehört, dass noch viel Hilfe benötigt wird.“

Menschen vor Ort dankbar

Über viele Umwege und chaotische Straßenverhältnisse kam die Gruppe schließlich in Ahrweiler an und hat am Sonntagmorgen Unmengen von Schlamm, Geröll und Sperrmüll verladen und abtransportiert. Aber auch dies war nicht einfach. Die Koordination vor Ort sei mangelhaft gewesen.

„Auf den Straßen war teilweise kein Durchkommen“, berichtet Wenn, „die einfachsten Möglichkeiten, wie Einbahnstraßenverkehr, wurden nicht konsequent verfolgt beziehungsweise umgesetzt. Unsere Schlepper mit Anhänger waren teilweise für eine Tour zum Abladen auf den angelegten Schuttplätzen 45 Minuten unterwegs, obwohl es nur ein paar Hundert Meter Fahrtstrecke waren.“ Seine Erfahrung: „Vor Ort funktioniert leider nur das, was die Helfer selbst anpacken.“

Die Menschen, denen die Landwirte zu Hilfe kamen, waren sehr dankbar. „Die Keller stehen teilweise noch voll mit Wasser, die Häuser sind zum Teil unterspült, drohen einzustürzen. Autos liegen übereinander in Gärten, Garagen sind eingestürzt“, schildern Wenn und seine Freunde. „Alle Helfer sind fleißig, arbeiten Hand in Hand. Die Versorgung der Helfer mit Essen und Getränken ist gut. „Wir waren überwältigt von den vielen Helfern vor Ort, die teilweise tagelang dort waren, von der Hilfsbereitschaft der Menschen, der Solidarität und dem Zusammenhalt.“

Die chaotische Situation in Ahrweiler zeigen die Bilder der Landwirte aus dem Taunus (unten), die sie bei ihrem Hilfseinsatz von den Fahrzeugen aus gemacht haben.

Christian Wenn

„Alles kaputt und voller Schrott“: Seit Tagen schaufeln freiwillige Helfer – darunter auch Landwirte aus dem Rhein-Lahn- und dem Rhein-Hunsrück-Kreis – an verschiedenen Orten im Ahrtal unter anderem die Straßen frei.

Manuel Bauermann, Agrarservice

Christian Wenn

Ganz ähnliches erlebte Klaus Bauermann, Landwirt aus Roth im Hunsrück. Als er die ersten Bilder von der Hochwasserkatastrophe sieht, überlegt er nicht lange, packt seinen Seesack und begibt sich am Freitag umgehend mit einem Kollegen ins Krisengebiet – nach Bad Neuenahr, um genau zu sein. Kein leichtes Unterfangen, denn viele Wege sind gesperrt, da sie entweder unbefahrbar oder weggerissen worden sind.

Nach etlichen Stunden endlich am Ziel angekommen, stockt ihnen der Atem. Zerstörung, wohin das Auge reicht. „Es war surreal. Wie in einem Kriegsfilm. Einfach schrecklich“, erzählt Bauermann. Trotz der beschwerlichen Reise wollen die beiden Männer direkt loslegen. Ihr Tatendrang wird jedoch kurzzeitig ausgebremst, denn vor Ort ist niemand, der ihnen sagen kann, wo sie helfen können.

Anfangen in Eigeninitiative

Also fangen sie auf Eigeninitiative an, auf einem zentralen Platz zu räumen – etwas wovon das Land, der Krisenstab sowie das Pressezentrum Hochwasser-Ahrweiler tunlichst abraten (siehe „Nicht einfach ins Hochwassergebiet fahren“). Nach nur wenigen Tagen kennen sich die Bauern und Bauunternehmer untereinander, arbeiten Hand in Hand. Auch die Bundeswehr packt mit an, berichtet Bauermann. „Die sind in die Häuser und haben tatkräftig angepackt.“

Währenddessen hätten die Landwirte mit ihren Geräten „gute Arbeit geleistet“, die Bauunternehmer mit ihren Maschinen aber „noch bessere“. „Das ist aber nur meine subjektive Meinung“, räumt er ein und stellt klar, dass jeder Helfer – egal, ob Privat- oder Feuerwehrmann – sein Bestes gegeben hätte.

„Sie müssen sich das so vorstellen: Jeder denkt, dass in dem Ort, wo er hilft, die Not und der Schaden am Größten sind. Dabei gibt es Gebiete, die es noch härter getroffen hat.“ Dann sagt er: „Selbst wenn es keine Verwaltung vor Ort gegeben hat – was anhand der Verwüstung auch kein Wunder ist – , wussten alle – Handwerker, Landwirte, Forstunternehmer – aufgrund ihrer Erfahrung und ihrem Willen zu helfen, was zu tun ist. Das hat die Arbeit ungemein vorangetrieben.“ Am Montag ist Klaus Bauermann wieder zurück in den Hunsrück gefahren. Da sein Radlager noch in Bad Neuenahr steht, plant er demnächst wieder ins Katastrophengebiet aufzubrechen.

Froh, etwas bewegen zu können

Am Sonntagabend gegen 21.30 Uhr waren die Landwirte aus Eschbach, Himmighofen und Lierschied wieder zu Hause. Denn am Montag startete für sie die Getreideernte und die Maschinen wurden in den eigenen Betrieben benötigt. Auch wenn es nur ein Tag war – sie alle sind froh, dass sie etwas bewegen konnten. „Auch wenn alles unkoordiniert und unorganisiert wirkt, ist in den vergangenen Tagen viel passiert – von offizieller sowie inoffizieller Seite“, meint der Hunsrücker Klaus Bauermann. „Mit dieser gemeinsamen Vorarbeit hat man den Menschen im Katastrophengebiet ungemein geholfen. Und das zählt doch, oder?“

Nicht einfach ins Hochwassergebiet fahren!

Auf Nachfrage unserer Zeitung teilt das Pressezentrum Hochwasser-Ahrweiler mit, dass Menschen, die helfen möchten, nicht einfach auf eigene Faust ins Hochwassergebiet fahren sollen. „Das ist aber von Anfang an kommuniziert worden“, erklärt ein Mitarbeiter.

Wer Interesse hat, kann sich an die Hotline „Hilfsangebote“ unter Tel. 02641/975 90 0 wenden. Hier können sich Bürger melden, die bei der Bewältigung der Katastrophe unterstützen möchten – beispielsweise mit Hilfsangeboten, Sachspenden, Arbeitsmaterialien, Transport- oder Logistikmöglichkeiten.

Alternativ kann eine E-Mail an hochwasserhilfe@kreis-ahrweiler.de geschickt werden. Hier bittet das Pressezentrum allerdings um Verständnis, dass die Bearbeitung aufgrund der vielen Anfragen etwas Zeit in Anspruch nimmt. Die Hotline ist täglich von 9 bis 20 Uhr erreichbar.

Bauern- und Winzerverband: „Bei schrecklichen Ereignissen halten alle zusammen“

Die Hilfsbereitschaft untereinander ist in diesem Tagen besonders groß, teilt Bastian Faust, Landwirt aus Niederweiler und Vorsitzender des Bauern- und Winzerverbands Rhein-Hunsrück, auf Nachfrage mit. „Ob mit Traktoren, Güllefässern oder Baggern – bei schrecklichen Ereignissen helfen alle und halten zusammen.“ In vielen Gemeinden seien die Landwirte die ersten gewesen, die nach dem Hochwasser vor Ort waren. „Sie sind zu Hunderten mit ihren Traktoren und Maschinen in die betroffenen Regionen gefahren.

Viele sind immer noch vor Ort. Denn wo Autos keine Chance gegen das Wasser und den Dreck haben, wurden und werden zur Unterstützung von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk mit Traktoren, Baggern, Radladern, Güllefässern und Kippern Menschen gerettet, Keller ausgepumpt und Straßen freigeräumt“, so Faust.

Doch damit nicht genug. „Die Solidarität zwischen den Bauern und Winzern untereinander ist riesengroß, Futter und Stroh wurden schon in die betroffenen Gemeinden gebracht, um die erste Not zu lindern. Sachspenden sind in ausreichendem Maß vorhanden.“ Nun würde es darum gehen, die Kräfte für die nächsten Monate und Jahre zu bündeln, um die betroffenen Menschen beim Wiederaufbau ihrer Existenz zu unterstützen.

Flutkatastrophe im Ahrtal
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