Ist ein Kirchenraum ohne die üblichen Bänke überhaupt vorstellbar? Was in der Friedenskirche vollzogen wurde, bedeutet einen markanten Einschnitt. Unverzichtbar für einen Gottesdienst sind Kirchenbänke nicht. Wäre dies der Fall, müsste man jeden Zeltgottesdienst bei Festen als minderwertig einstufen, denn da sitzt die Gemeinde auf Bierzeltgarnituren. Natürlich besteht zwischen beiden Extremen ein Unterschied, denn der Atmosphäre in einer Kirche kann sich kein Gläubiger entziehen, ob evangelisch, katholisch oder einer anderen Konfession zugehörig. Kirchenräume berühren die Menschen, egal ob die Ausgestaltung von barocker Üppigkeit geprägt ist oder durch Schlichtheit besticht – wie in der Friedenskirche in Kirchberg.
Gottes Wort hören kann man überall, auch stehend unter freiem Himmel. Entscheidend ist die Botschaft und die persönliche Erbauung, die Gläubige mit nach Hause nehmen. Das Ambiente spielt dabei eine wichtige Rolle, doch die – provokante und überzogene – Frage lautet: Wieviel „Bierzelt“ ist aus der Friedenskirche geworden, nur weil man die Bänke entfernt hat? Was ist der Friedenskirche letztendlich abhanden gekommen? Das Pfarrertrio in Kirchberg verweist auf die Vorteile des neuen Raumkonzepts. Es ist nachvollziehbar, wenn Pfarrerin Karin Heß-Stoffel sich wohler fühlt, mit einer (überschaubaren) Gemeinde im Kreis zu sitzen, als einzelne Schäfchen, die sich im großen Innenraum auf den Kirchenbänken verteilen, frontal und weit entfernt gegenüberzustehen. Und wenn sich eine Kirche in unserer Region für eine solch radikale Umgestaltung eignet, dann die Friedenskirche mit ihrer Schlichtheit. In der katholischen Liebfrauenkirche in Oberwesel wäre so ein Schritt völlig deplatziert.
Das neue Ambiente in Kirchberg ist die eine Sache. Entscheidend wird aber sein, wie die optische Veränderung gelebt wird. Hier sind die Pfarrer und die Gemeinde gefordert, zu „liefern“ und das neue Raumkonzept zu nutzen. Hier und da ein Konzert, eine Ausstellung oder „Stuhlkreisgottesdienste“ reichen nicht.
Neues ist immer gewöhnungsbedürftig. Aber neue Gottesdienstformen und andere Aktivitäten sind geeignet, der wachsenden Abkehr der Gläubigen von der Kirche zu begegnen. Umgekehrt müssen Gläubige sich auch auf Veränderungen einlassen und für sich entscheiden, ob sie sich immer noch in ihrer angestammten Kirche aufgehoben fühlen. Diese Entscheidung nimmt ihnen niemand ab, sie darf aber auch nicht allein an Äußerlichkeiten festgemacht werden.