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Rheinböllen

Streit um Rheinböllener Politik: Wie transparent war Stadt bei Neubaugebiet?

Von Volker Boch
Während die Bagger im Neubaugebiet „Kopsacker“ rollen, gibt es viel Streit um die Vorgänge im Stadtrat, in dem mutmaßlich mehr als nur rein demokratisch motivierte Entscheidungen getroffen worden sind. Es wird in Einzelfällen sogar persönliche Vorteilnahme unterstellt.  Foto: Volker Boch
Während die Bagger im Neubaugebiet „Kopsacker“ rollen, gibt es viel Streit um die Vorgänge im Stadtrat, in dem mutmaßlich mehr als nur rein demokratisch motivierte Entscheidungen getroffen worden sind. Es wird in Einzelfällen sogar persönliche Vorteilnahme unterstellt. Foto: Volker Boch

Der politische Ton ist rauer geworden in Rheinböllen. Seit Wochen gibt es eine herbe Kontroverse um das Demokratieverständnis einzelner Kommunalpolitiker. Es geht um die Frage, ob sich politisch aktive Personen beim Neubaugebiet „Kopsacker“ korrekt und auch fair verhalten haben. Bei aller Freude über die Vergabe von 68 der 74 Bauplätze in diesem neuen Wohnareal sagt Stadtbürgermeisterin Bernadette Jourdant deutlich: „Es gab viel Streit in diesem Neubaugebiet und teilweise auch schmutzige alte Thematiken.“ Dahinter steckt vor allem ein Streit um den An- und Verkauf von Grundstücken im „Kopsacker“.

Lesezeit: 4 Minuten
Gegenüber lokalen Politikern wurden in Rheinböllen in den vergangenen Wochen und Monaten verschiedene Vorwürfe formuliert, die Bürgermeisterin Jourdant im Gespräch mit unserer Zeitung bestätigt. Letztlich sah sich der Stadtrat sogar dazu veranlasst, einen bereits am 31. August 2020 (vermeintlich) abschließend gefassten Beschluss kurz vor Jahresende am 15. Dezember noch einmal ...
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Rheinböllener Neubaugebiet: Sicherten sich Ratsmitglieder individuelle Vorteile?

Bernadette Jourdant, Stadtbürgermeisterin von Rheinböllen, hat sich Zeit für ein ausführliches Gespräch genommen. Die Thematik ist pikant, weshalb auch Michael Boos, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen, an dem Austausch teilnimmt. Es geht um mehr als nur einen kleinen Streit in der Stadt. Es geht auch um die Frage, ob sich Politiker vorsätzlich oder mindestens fahrlässig fehlerhaft verhalten haben könnten, um individuelle Vorteile daraus zu ziehen.

Auch die Bauabteilung der VG ist tief eingetaucht in die Rheinböllener Sachverhalte. Zuletzt hat sie eigens ihren Juristen entsandt, als der Stadtrat einen Beschluss zum Verkauf eines Wirtschaftsweges neu gefasst hat. Bei dem Gespräch mit Jourdant und Boos geht es nun darum, Vorwürfe und Gerüchte zu diskutieren, die längst nicht nur in den politischen Gefilden von Rheinböllen die Runde machen. Und die Fragen nach dem Demokratieverständnis einzelner Politiker haben laut werden lassen.

Der Sachverhalt ist eigentlich simpel: Die Stadt Rheinböllen hat ein Neubaugebiet mit insgesamt 74 Bauplätzen erschlossen und dieses unter dem Namen „Kopsacker“ vergangenen Herbst erfolgreich vermarktet. Die einst landwirtschaftlichen Flächen des Neubaugebietes waren teils von der Stadt, teils von privaten Investoren erworben und in Bauland umgewandelt worden. Dieses Bauland veräußerte die Stadt in einem Bieterverfahren, für das sich im September Interessenten bewerben konnten. Wie Bürgermeisterin Jourdant erläutert, sind nur noch sechs Grundstücke erhältlich.

Zum Auslöser eines intensiven Streits kam es, weil unmittelbar vor dem Beginn des Bieterverfahrens ein bis dato als „unverkäuflich“ geltender Wirtschaftsweg einem der Baugrundstücke “zugeschlagen" wurde. Zuvor waren außerdem einzelne Parzellen im Hinblick ihrer Fläche „optimiert“ worden. Dies alles geschah, genauso wie der Flächenankauf zur Erschließung des Baugebietes insgesamt, in den üblichen Verfahren – also in Abstimmung zwischen Ausschüssen, Stadtrat und Verwaltung. Offen ist aber, ob alle Vorgänge korrekt waren. Die Streitfragen dazu sind kompliziert und umfangreich, die Vorwürfe – auch mutmaßlicher persönlicher Vorteilnahme – weitreichend. Es fallen drei Themenfelder besonders auf, die den Rat und das politische Agieren in ein fragwürdiges Licht rücken:

1 Nicht nur die Stadt Rheinböllen, sondern auch private Investoren wurden beim Ankauf von Flächen tätig, die als Neubaugebiet „Kopsacker“ erschlossen wurden. Es steht der Vorwurf im Raum, dass mindestens ein solcher Ankauf durch politisches „Insiderwissen“ begünstigt gewesen sein könnte. Konkret sollen Politiker, die in Gremien der Stadt vertreten sind, den Kauf ehemals landwirtschaftlicher Flächen angebahnt beziehungsweise vollzogen haben, nachdem in nichtöffentlicher Stadtratssitzung bekannt gemacht worden war, dass es einen Handschlagvertrag zwischen anderen, ortsfremden Investoren und den privaten Flächenbesitzern geben soll. Vorwurf: Das vertrauliche politische Wissen dieser Sitzung soll genutzt worden sein, um gezielt einen eigenen Kauf anzubahnen und damit auswärtige Investoren aus dem Geschäft zu verdrängen.

Stadtbürgermeisterin Jourdant bestätigt auf Anfrage diesen von verschiedenen Seiten geäußerten Vorwurf. „Ich hatte den Verdacht, dass dies so geschehen ist. Ein weiterer Beteiligter hatte mich über den Verkauf informiert. Nachweisen konnte ich jedoch nicht, ob das Wissen aus der Sitzung hervorging oder durch die privaten Beziehungen der betreffenden Person.“ Wie Jourdant weiter erläutert, hätte ein politisch engagierter Investor, den sie daraufhin persönlich zur Rede gestellt habe, ihr erklärt, dass der Kauf lediglich aufgrund von langen freundschaftlichen Beziehungen seiner Familie zum Verkäufer angebahnt worden sei. Ob dies zu der offensichtlichen Tatsache, dass es laut Jourdant bereits einen Handschlagvertrag mit einem anderen Investor gegeben haben soll, passt, gilt als strittig.

„Ich habe den Ältestenrat umgehend über diesen Vorgang informiert und auch mit dem Ratsmitglied gesprochen“, sagt Jourdant. „Ich konnte aber nicht nachweisen, dass das Wissen nicht durch die private Beziehung bekannt wurde.“ Die Bürgermeisterin betont, dass sie das Agieren des allem Anschein nach in dieser Sache resolut aufgetretenen Kaufinteressenten – sofern es möglicherweise auf dem Wissen aus nichtöffentlicher Sitzung basierte – nicht gutheißt. „Dieser Vorgang ist für die Stadt, aber auch für mich persönlich mehr als ärgerlich“, sagt Jourdant. „Der Rat und ich sind hier sehr in Misskredit geraten, was uns sicher immer wieder einholen wird.“ Eine Handhabe gab es aus ihrer Sicht allerdings nicht. Der Kauf wurde abgewickelt, von restriktiven Maßnahmen innerhalb der betreffenden politischen Ratsfraktion ist nichts zu hören.

2 Es wurden einzelne Grundstücke im Neubaugebiet „Kopsacker“ im Laufe des Verfahrens in ihrem Zuschnitt verändert. Einzelne Grundstücke wurden dabei offensichtlich deutlich vergrößert. Diskutiert wird nun, ob möglicherweise kommunalpolitisch engagierte Personen dadurch mittelbare oder unmittelbare persönliche Vorteile erzielen konnten.

Wie Bürgermeisterin Jourdant erläutert, wurden insgesamt acht Änderungen von Grundstücken im Neubaugebiet „Kopsacker“ beschlossen. „Die CDU-Fraktion hatte einige Vorschläge zur Parzellierung eingebracht, diese wurden durch den Fraktionssprecher an alle Fraktionen versendet. Über diese Vorschläge wurde in der Ratssitzung vom 4. Dezember 2019 beraten und beschlossen.“ Das Gerücht, dass angeblich in nichtöffentlicher Sitzung ein Hinweis aus dem Rat aufgekommen sein soll, dass die Interessen von einzelnen, in Rheinböllen politisch engagierten Personen stärker zu berücksichtigen seien, weist Jourdant vehement zurück. Vielmehr verweist sie auf ein mit viel Aufwand seitens der Verwaltung betriebenes und transparentes Bewerbungsverfahren für die Grundstücke, das in den ersten beiden Septemberwochen 2020 lief.

„Für die Vergabe hatte der Rat in der Sitzung vom 9. Februar 2020 Vergaberichtlinien erstellt“, erläutert Jourdant. „Wir hatten im Vorfeld eine Interessentenliste angelegt, auf der circa 190 Interessenten standen. Diese Liste wurde von meiner Mitarbeiterin und mir abtelefoniert, sodass wir schließlich noch mehr als 100 Interessenten hatten. Da wir Corona-bedingt keine Informationsveranstaltung abhalten konnten, wurden die Auskünfte auf einer Cloud zur Verfügung gestellt. Die Interessenten bekamen eine E-Mail mit dem Link zur Cloud, gleichzeitig wurde der Link auf den Homepages der VG und der Stadt sowie im Amtsblatt veröffentlicht.“ Die Bewerbungen konnten vom 1. bis 14. September an eine eigens eingerichtete E-Mail-Adresse gesendet werden. „Diese war auch nur für diesen Zeitraum erreichbar“, betont Jourdant. Vor und nach diesem Bewerbungszeitraum war demnach keine Wunschäußerung für Grundstücke möglich.

Die Bewerbungen wurden, wie Jourdant weiter erläutert, mit Eingangsdatum erfasst und nach Grundstücken geordnet. Am 22. September erfolgte dann ein Treffen mit dem Ältestenrat, bei dem die Bewerbungen gesichtet wurden, erklärt sie weiter. „Bei Mehrfachnennungen ist das Eingangsdatum entscheidend gewesen. Die Bewerber konnten sich auf vier Grundstücke bewerben, mit Priorisierung. Es gab einige Doppelnennungen, dort habe ich versucht, die Bewerber auf ihre optionalen Grundstücke umzulegen, das war in den meisten Fällen möglich.“ Bei rund einem Dutzend Bewerber wurde in einer öffentlichen Bauausschusssitzung per Losverfahren entschieden. Jourdant bekräftigt, dass es bei diesem transparenten Verfahren keine Bevorzugungen gegeben habe.

Am Rande des Neubaugebietes verlief bis dato entlang der bestehenden Bebauung ein Wirtschaftsweg (rechts im Hintergrund), für den sich Anlieger in den Vorjahren beworben hatten. Vom Verkaufsverfahren wurden diese Anlieger durch das Agieren des Stadtrates aber faktisch ausgeschlossen.
Am Rande des Neubaugebietes verlief bis dato entlang der bestehenden Bebauung ein Wirtschaftsweg (rechts im Hintergrund), für den sich Anlieger in den Vorjahren beworben hatten. Vom Verkaufsverfahren wurden diese Anlieger durch das Agieren des Stadtrates aber faktisch ausgeschlossen.
Foto: Volker Boch

3 Ein am Rand des Neubaugebietes liegendes Grundstück wurde durch Anpassungen des Zuschnitts deutlich vergrößert und durch den „gekoppelten“ Verkauf eines angrenzenden Wirtschaftsweges ergänzt. Letzteres wurde vom Stadtrat am 31. August 2020 beschlossen. Dies geschah, bevor die Verlegung einer in diesem Wirtschaftsweg liegenden Hauptwasserleitung fixiert war und bevor das Bieterverfahren zum Neubaugebiet begonnen hatte. Beim Grundsatzbeschluss zum Verkauf des Wirtschaftsweges stimmte ein Ratsmitglied mit ab, das möglicherweise befangen war. Am Tag nach der Abstimmung gab dieses Ratsmitglied im Rahmen des am 1. September gestarteten Bieterverfahrens für die Grundstücke im Neubaugebiet im Auftrag eines Anverwandten die Bewerbung für jenes Grundstück ab, das am Abend zuvor mit seiner Stimme um den zu veräußernden Wirtschaftsweg „ergänzt“ worden war. Nicht informiert über den Verkauf des Wirtschaftsweges wurden zwei auf der gegenüberliegenden Seite des Weges wohnende Anlieger, die im Jahr 2017 ihr Kaufinteresse am Wirtschaftsweg geäußert hatten. Die Stadt lehnte den Verkauf damals mit Verweis auf die Hauptwasserleitung ab. Nachdem die Anlieger wenige Tage nach der Stadtratssitzung von dem Verkauf der Parzelle erfuhren, meldeten sie dem Vernehmen nach deutlichen Protest an. Aus dem Rat ist zu hören, dass auch von möglichen rechtlichen Schritten gegen die Stadt die Rede war. Die Anlieger hatten keine Kenntnis von den politischen Vorgängen, obwohl einer der Anlieger in der gleichen Partei engagiert ist wie jenes Ratsmitglied, das vermutlich nicht hätte mit abstimmen dürfen. Versuche einer Einigung scheiterten wohl ebenso wie die Forderung der Anlieger, dass die Angelegenheit des Wegeverkaufs aufgrund der Grundsätzlichkeit dieser Sache öffentlich verhandelt werden müsste. Am 15. Dezember 2020 entschied der unter Druck geratene Stadtrat im Beisein des Juristen der VG-Verwaltung erneut über den Wegeverkauf. Nichtöffentlich wurde – jetzt unter konkreter Namensnennung – zugunsten des Kaufinteressenten entschieden, der sich am 1. September für das nahe Neubaugrundstück beworben hatte.

Wie Stadtbürgermeisterin Jourdant einräumt, war die erneute Verhandlung des Verkaufes des Wirtschaftsweges am 15. Dezember notwendig, da der Beschluss aus dem August „womöglich nicht rechtswirksam“ war. „Es hätte eventuell öffentlich verhandelt werden müssen“, sagt sie. Zudem stellt die Bürgermeisterin fest, dass das betreffende Ratsmitglied im August nicht hätte mit beschließen dürfen. „Daher wurde der Beschluss zunächst am 10. November 2020, nach einem Gespräch mit allen Beteiligten, nochmals bekräftigt. Auch nach diesem Beschluss sollte ich nochmals ein Gespräch mit den Beteiligten führen, das allerdings ergebnislos verlief. Am 15. Dezember 2020 wurde der Beschluss bei einer Neinstimme, drei Enthaltungen und 14 Jastimmen beschlossen.“

Wie die Bürgermeisterin weiter ausführt, sei bereits Anfang August klar gewesen, dass die Wasserleitung aus dem Wirtschaftsweg heraus verlegt und die Leitung gekappt wird. Schriftlich habe dies aber erst am 2. November 2020 vorgelegen – also weit nach dem Beschluss des Stadtrates über den Verkauf des Grundstückes, das den beiden anderen Interessierten in der Vergangenheit just aus dem Grund der dort liegenden Leitung versagt worden war.

Jourdant bestätigt, dass es in der Vergangenheit konkrete Anfragen zu dem betreffenden Flurstück gegeben hatte. „Da es bereits im Jahr 2017 Interessenten für das Grundstück gab und das Bewerberverfahren am 1. September 2020 begann, musste geklärt werden, was mit diesem Grundstück geschehen soll“, sagt sie. „Behalten schien keine Option.“ Im Gespräch erläutert sie weiter, dass die Gremien sich intensiv damit befasst hätten. „Dieser Punkt wurde bereits mehrfach im Ältestenrat angesprochen.“

Entscheidend war wohl der Vorstoß eines SPD-Ratsmitglieds im Hauptausschuss am 17. August 2020 – Tenor: Das Grundstück solle dem betreffenden Neubaugrundstück zugeschlagen werden. Dieser Vorschlag wurde als Empfehlung an den Stadtrat weitergegeben, der daraufhin am 31. August entschied, dass das zuvor vergrößerte Grundstück zusammen mit dem Wirtschaftsweg verkauft werden soll. Am nächsten Morgen kam dann im Rahmen des Bewerbungsverfahrens die maßgebliche Kaufanfrage durch besagtes Stadtratsmitglied, wie Bürgermeisterin Jourdant erläutert. Sie erklärt weiter, dass das Grundstück durch die vorherigen Veränderungen bereits zu einem der größten Grundstücke im Neubaugebiet geworden war. Allerdings, so schränkt sie ein, sei das Baufenster auf diesem Grundstück beeinträchtigt gewesen. Deshalb habe sich der Stadtrat letztlich dafür ausgesprochen, den schmalen Wirtschaftsweg als Ergänzungsfläche zum gleichen – vergleichsweise hohen – Preis wie das Grundstück mit zu verkaufen. Da das Grundstück nicht als Baugrundstück ausgewiesen worden war, sei hier kein Bieterverfahren notwendig gewesen, erklärt sie.

Jourdant erläutert, dass sie persönlich „es lieber gesehen hätte“, wenn es hier, wie an zwei anderen Stellen in Rheinböllen in der Bacharacher Straße und in der Beethovenstraße, eine öffentliche Fläche gegeben hätte – ein frei für alle Bürger zugänglicher „Naschgarten“. Zudem habe sie im Hauptausschuss Mitte August den Umstand angesprochen, dass in der Vergangenheit zwei Anlieger ihr Interesse an dem Grundstück gezeigt hätten. Faktisch erfuhren diese allerdings erst nach der Entscheidung des Stadtrates Anfang September durch die Bürgermeisterin bei einer Veranstaltung der Stadt eher zufällig von dem beschlossenen Verkauf an einen Dritten. „Das Ansinnen des Rates war es, das Grundstück im Neubaugebiet attraktiver zu machen“, erklärt Jourdant – und fügt an: „Es hätte im Nachhinein öffentlich verhandelt werden müssen.“

Jourdant erklärt weiter, dass es die Frage gegeben habe, ob der Beschluss vom 31. August überhaupt rechtswirksam ist. Denn es wurden im Stadtrat offensichtlich keine entscheidenden schützenswerten Interessen berührt, die eine nichtöffentliche Entscheidung gerechtfertig hätten. Dies war bei der zweiten Entscheidung des Stadtrates am 15. Dezember 2020 dann aber wohl anders, denn da stand der Name des Käufers fest – der Kaufpreis war aufgrund des Standardsatzes von 130 Euro pro Quadratmeter im Neubaugebiet „Kopsacker“ indes hinlänglich bekannt. Anders als mit dem schützenswerten Interesse des Käufernamens lässt sich wohl kaum begründen, dass der Stadtrat erneut nichtöffentlich dazu tagte.

Zudem ist davon zu hören, dass es im Vorfeld der Sitzung Rumoren gegeben hatte. Dem Stadtrat schien wohl daran gelegen, dass die Sache keine hohen Wellen schlägt. Denn wie Jourdant deutlich macht, hatte sie vor der Sitzung mit den widerstreitenden Parteien Gespräche geführt, die allerdings keinen positiven Ausgang brachten – und kein Ergebnis, das auch den Interessen der Stadt gerecht geworden wäre. „Der Beschluss des Stadtrates vom 15. Dezember 2020 kam dann zustande, weil es keine Einigung gab“, erklärt sie.

Für Jourdant ist die Angelegenheit in zweifacher Hinsicht ärgerlich. Zum einen, weil es Mitte der 1990er-Jahre in Rheinböllen eine Entscheidung dafür gegeben hat, den Ausoniusweg, zu dem der strittige Wirtschaftsweg gehörte, in Teilen zu kappen. Wäre dies nicht passiert, hätte es die Diskussion um eine Privatisierung ihrer Auffassung nach erst gar nicht gegeben. Zum anderen sagt Jourdant: „Es hat ein Geschmäckle, das habe ich auch in der Hauptausschusssitzung im August gesagt. Ich habe betont, dass ein Verkauf sauber geregelt werden muss.“ Auf dem Papier wurde dies durch den neuerlichen Beschluss vom 15. Dezember 2020 erreicht, aber geheilt wurde der Zwist nicht. „Es ist mir ein Anliegen, dass die Parteien miteinander sprechen und aufeinander zugehen“, sagt Jourdant.

Auf dem ehemaligen Wirtschaftsweg wird derweil bald Leben einkehren, dort darf gebaut werden. Denn mit dem Wegfall der Leitungsrechte hat der Stadtrat am 15. Dezember 2020 das Bepflanzung- und Bebauungsverbot dieser Parzelle gekippt. „Damit der neue Eigentümer das Grundstück entsprechend beplanen kann, muss der Bebauungsplan entsprechend angepasst werden“, erklärt Jourdant. Ob dieser Bebauungsplan auch den politischen Ärger beseitigt, muss sich zeigen.

Von unserem Chefreporter Volker Boch

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