Es lebe die Gleichgültigkeit! Dazu passt der alte Kalauer: „Sitzen zwei Kühe im Keller und hacken Heizöl. Sagt die eine: Morgen ist Pfingsten. Antwortet die andere: Ist mir egal, ich gehe sowieso nicht hin.“ So weit, so sinnfrei. Die Briefwahl – eingerichtet für Menschen, die am Wahltag verhindert sind und trotzdem eine Möglichkeit haben sollen, ihre Stimme abzugeben – erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Man kann am Wahlsonntag schön daheim auf der Couch sitzenbleiben, muss sich nicht ins Wahllokal begeben, um sein Kreuzchen zu machen.
Und offenbar schwindet die Anzahl der Menschen immer mehr, für die es ein feierlicher Akt der Demokratie ist, an die Urne zu treten, um seine Stimme dort hineinzustecken. Würden Menschen, die in ihrem Land unterdrückt werden und denen freie Wahlen versagt sind, per Briefwahl abstimmen, wenn sie plötzlich in die Lage versetzt würden, sich an einer Wahl aktiv zu beteiligen? Im Sonntagsanzug ins Wahllokal pilgern würden sie, um mit stolzgeschwellter Brust ihren Stimmzettel in die Wahlurne zu stecken. Das Video oder das Selfie von der Stimmabgabe ginge nahezu in Echtzeit an die liebe Verwandtschaft.
Und hier kriegen es manche Zeitgenossen nicht einmal auf die Reihe, ihre Briefwahl rechtzeitig abzuschicken bzw. abzugeben. „Och, die Post hat meine Stimme nicht rechtzeitig zugestellt? Na, dann hab ich eben Pech gehabt.“ Aber wenn bei Aldi die Kinderkleidung im Angebot ist, stehen sie morgens auf der Matte, schließlich haben sie die Prospekte zuvor genau studiert, wissen, wann der Discounter aufmacht und stehen vor Landeöffnung bereit, um den besten Platz für die Schnäppchenjagd zu ergattern. Aber sich an einer Wahl beteiligen? Warum? Weil so unser System funktioniert! Ist es wirklich zu viel verlangt, rechtzeitig seine Briefwahl abzuschicken? Eine Wahl darf nicht zu den Dingen gehören, die uns im Leben gleichgültig sind.