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Rheinböllen

Rheinböllener Neubaugebiet: Sicherten sich Ratsmitglieder individuelle Vorteile?

Von Volker Boch
Betreten verboten? Das Gefühl, in diesem Neubaugebiet aus Sicht einzelner politischer Funktionsträger unerwünscht zu sein, hatten Investoren, die laut Stadtbürgermeisterin Bernadette Jourdant zwar bereits über einen Handschlagvertrag verfügten, aber letztlich nicht zum Zug kamen.  Fotos: Volker Boch
Betreten verboten? Das Gefühl, in diesem Neubaugebiet aus Sicht einzelner politischer Funktionsträger unerwünscht zu sein, hatten Investoren, die laut Stadtbürgermeisterin Bernadette Jourdant zwar bereits über einen Handschlagvertrag verfügten, aber letztlich nicht zum Zug kamen. Fotos: Volker Boch Foto: Volker Boch

Bernadette Jourdant, Stadtbürgermeisterin von Rheinböllen, hat sich Zeit für ein ausführliches Gespräch genommen. Die Thematik ist pikant, weshalb auch Michael Boos, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen, an dem Austausch teilnimmt. Es geht um mehr als nur einen kleinen Streit in der Stadt. Es geht auch um die Frage, ob sich Politiker vorsätzlich oder mindestens fahrlässig fehlerhaft verhalten haben könnten, um individuelle Vorteile daraus zu ziehen.

Lesezeit: 10 Minuten
Auch die Bauabteilung der VG ist tief eingetaucht in die Rheinböllener Sachverhalte. Zuletzt hat sie eigens ihren Juristen entsandt, als der Stadtrat einen Beschluss zum Verkauf eines Wirtschaftsweges neu gefasst hat. Bei dem Gespräch mit Jourdant und Boos geht es nun darum, Vorwürfe und Gerüchte zu diskutieren, die längst nicht ...
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Streit um Rheinböllener Politik: Wie transparent war Stadt bei Neubaugebiet?

Rheinböllen. Der politische Ton ist rauer geworden in Rheinböllen. Seit Wochen gibt es eine herbe Kontroverse um das Demokratieverständnis einzelner Kommunalpolitiker. Es geht um die Frage, ob sich politisch aktive Personen beim Neubaugebiet „Kopsacker“ korrekt und auch fair verhalten haben. Bei aller Freude über die Vergabe von 68 der 74 Bauplätze in diesem neuen Wohnareal sagt Stadtbürgermeisterin Bernadette Jourdant deutlich: „Es gab viel Streit in diesem Neubaugebiet und teilweise auch schmutzige alte Thematiken.“ Dahinter steckt vor allem ein Streit um den An- und Verkauf von Grundstücken im „Kopsacker“.

Gegenüber lokalen Politikern wurden in Rheinböllen in den vergangenen Wochen und Monaten verschiedene Vorwürfe formuliert, die Bürgermeisterin Jourdant im Gespräch mit unserer Zeitung bestätigt. Letztlich sah sich der Stadtrat sogar dazu veranlasst, einen bereits am 31. August 2020 (vermeintlich) abschließend gefassten Beschluss kurz vor Jahresende am 15. Dezember noch einmal neu zu fixieren. Dies geschah ganz offensichtlich unter dem Druck, dass ein möglicherweise nicht rechtswirksamer, fehlerhaft vollzogener Beschluss einer eventuellen gerichtlichen Überprüfung nicht Stand halten würde. Es soll in Teilen des Rates große Sorge gegeben haben, dass es politisch und juristisch krachen und dies Ratsmitglieder beschädigen könnte. Wie die Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen auf Anfrage erklärt, wurden gegen das Vorgehen der Stadt Beschwerden eingelegt.

Nach eigenem Ermessen gehandelt

Wie die VG-Verwaltung erläutert, war die Stadt bezüglich der Vergabe von Grundstücken im Neubaugebiet „Kopsacker“ in Eigenregie aktiv. „Die Stadt Rheinböllen ist beim Verkauf von Grundstücken fiskalisch tätig. Es handelt sich nicht um ein formelles Vergabeverfahren. Die Stadt kann im eigenen Ermessen Grundstücke vermarkten“, erklärt die VG-Verwaltung. „In der Entscheidung über den Verkauf von Grundstücken ist die Stadt Rheinböllen im Rahmen ihrer fiskalischen Tätigkeit frei. Es wurde mit allen Anliegern verhandelt.“ Lediglich die Abwicklung mit dem Notariat übernahm – wie üblich – die VG-Verwaltung. Allerdings haben, wie die Verwaltung weiter erläutert, zwei Anlieger Beschwerden erhoben. Es geht bei diesen Beschwerden darum, dass die Stadt am 31. August 2020 beschlossen hat, einen Bauplatz des Neubaugebietes „gekoppelt“ mit einem neben diesem Grundstück liegenden Wirtschaftsweg zu verkaufen. Für diesen Wirtschaftsweg hatten sich drei Jahre zuvor bereits Anlieger interessiert, die auf der gegenüberliegenden Seite des Weges wohnen. Im Jahr 2017 lehnte die Stadt dieses private Ansinnen aber ab. Hintergrund war, wie Bürgermeisterin Jourdant erläutert, dass in dem Wirtschaftsweg eine Wasserleitung lag.

Als der Stadtrat am 31. August 2020 nun den Verkauf dieses Wirtschaftsweges beschloss, lag die Wasserleitung nach wie vor in dem Weg. Zudem wurde zwar kein Käufer konkret in den Beschluss mit aufgenommen, dem Vernehmen nach war in den Reihen des Stadtrates aber durchaus bekannt, dass ein Interessent aus dem engen Umfeld des Stadtrates das entsprechende Grundstück in Kombination mit dem Wirtschaftsweg kaufen wollte. Das Baugrundstück war im Vorfeld bereits in seiner Fläche vergrößert worden. Es gab später auch keinen anderen Bewerber als den besagten Interessenten. Die Verbandsgemeinde erklärt mit Blick auf die Aktenlage indes: „Im Beschluss vom 31. August 2020 war noch kein Käufer bekannt. Im Anschluss wurde das Bewerbungsverfahren für die Baugrundstücke im ,Kopsacker’ durchgeführt.“

Bewerbung eines „Inoffiziellen“

Für den bis dato „inoffiziellen“ Kaufinteressenten wurde tags darauf, am 1. September 2020, als das Bewerbungsverfahren offiziell begann, sofort eine Bewerbung abgegeben. „Die Familie war der einzige Bewerber für die Parzelle“, erläutert die VG-Verwaltung. Sie erklärt weiter, dass in diesem Zusammenhang dann der Wunsch geäußert worden sei, auch die Parzelle des Wirtschaftsweges zu erwerben. „Zu diesem Zeitpunkt wurde bekannt, dass die Wasserleitung stillgelegt wird und als bebaubare Fläche verkauft werden kann.“ Stillgelegt wurde die Wasserleitung faktisch erst Monate danach. „Aufgrund der Zusage der Stadt verzichtete die Familie auf eine Berücksichtigung bei einem anderen Grundstück“, erklärt die VG-Verwaltung. Die Anlieger, die sich drei Jahre zuvor (erfolglos) beworben hatten, erfuhren von dem Verkauf unterdessen Tage später und eher beiläufig.

Wie aus Rheinböllen zu hören ist, sorgte dieses Vorgehen für viel Ärger. Denn der Beschluss vom 31. August warf Fragen auf und ließ weitere Vorwürfe laut werden, die sich mit dem Neubaugebiet insgesamt befassen. „Der Beschluss vom 31. August 2020 wurde vonseiten der Stadt als wirksam betrachtet“, erklärt die Verbandsgemeinde auf Anfrage. Dennoch kam es am 15. Dezember 2020 zu einer erneuten Befassung des Rates in dieser Sache. Dazu erklärt die VG-Verwaltung: „Rein vorsorglich, um etwaige Verfahrensfehler zu heilen, wurde der Beschluss wiederholt.“ Dies geschah wohl, um nach den Beschwerden der Anlieger einem möglichen rechtlichen Verfahren zuvorzukommen: „Die Beschlüsse sind im Grunde inhaltsgleich“, betont die VG-Verwaltung.

Stadtbürgermeisterin Jourdant macht keinen Hehl daraus, dass sie manchen Streitpunkt im Nachhinein gern anders gelöst hätte und das Vorgehen einzelner politisch tätiger Personen anzweifelt. Es geht dabei unter anderem um den Ankauf von Flächen. Jourdant betont aber auch, dass aus ihrer Sicht die strittigen Fragen durch die erneute Sitzung vom 15. Dezember korrekt bearbeitet und gelöst seien. VG-Chef Michael Boos stimmt dieser Auffassung aus Sicht der Bauabteilung der Verbandsgemeinde zu.

Keine öffentliche Debatte

Ein Problem, das sich nicht mehr lösen lässt, scheint heute zu sein, dass einige der maßgeblichen Entscheidungen in nichtöffentlicher Sitzung getroffen wurden. Damit wurde eine transparente Diskussion verhindert und das Verfahren insgesamt alles andere als „offen“ wahrgenommen. Zudem wird von möglichen Absprachen in politischen Kreisen und sogar von mutmaßlicher persönlicher Vorteilnahme berichtet. Es gibt ein Rumoren rund um das Neubaugebiet, das sich schwer ausräumen lässt.

Von unserem Chefreporter Volker Boch

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