Soonwald/Region

„Öffentlicher Brief“ der Initiative Soonwald: Verein wünscht sich Diskussion zur Windkraft

Verein wünscht sich Diskussion zur Windkraft Foto: frei

„Wir sind besorgt über die fehlende öffentliche Diskussion zu den schwerwiegenden Zukunftsentscheidungen, die aktuell für unsere Region anstehen.“ Mit diesen Worten eröffnet die Initiative Soonwald gemeinsam mit „Gleichgesinnten aus der Region“ einen „Öffentlichen Brief an unsere Nachbarn und Freunde, an alle Menschen, die in der Soonwald-Nahe-Glan-Region leben“.

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Bezug nimmt der Verein darin auf die Ausbaupläne der Windkraft insbesondere in der Verbandsgemeinde (VG) Nahe-Glan und damit auch am Rand des Soonwalds bei Seesbach und Schwarzerden.

Es herrsche ein beunruhigendes und irritierendes Schweigen zu den Plänen der Windkraftindustrie in der VG Nahe-Glan und dem verbreiteten Gerücht, die neuen Windkraftanlagen seien schon „beschlossene Sache“, schreibt die Initiative. Richtig aber sei, dass planungsrechtlich fast alle diese Pläne noch im Frühstadium und umkehrbar seien. „Wir wünschen uns daher eine breite faktenbasierte Auseinandersetzung über den weiteren Ausbau der Windkraftindustrie in unserer Heimat und die Alternativen dazu“, heißt es weiter. Und zu dieser Diskussion wolle der Verein mit dem Brief beitragen.

Naheland als Windindustriegebiet

„Bei den vorliegenden Plänen für unsere Region geht es nicht mehr nur um ein paar mehr Großanlagen hier und da. Es geht um mehr als 100 zusätzliche Windräder. Derzeit sind offizielle Planabsichten für mindestens 17 neue Standorte bekannt, die eng beieinanderliegen“, erklärt die Initiative. Die prägenden Höhen, Wälder und Wiesen würden einem großräumigen, weithin sichtbaren Windindustriegebiet Naheland Platz machen. In der Regel würden neue Anlagen mit einer Höhe von circa 250 Metern errichtet, „allein die Rotoren haben einen Durchmesser von der Höhe des Kölner Doms“, macht sie deutlich. Die nächste Anlagengeneration werde in Richtung von 300 Metern gehen. „Diese Zielvorstellungen der Planer bedeuten konkret eine umfassende Neugestaltung unserer Landschaft“, sind die Unterzeichner besorgt.

Die Gemeinden würden sich Einnahmen von den Pachtverträgen mit Windkraftbetreibern versprechen. Doch es gehe letztlich nie nur um eine Gemeinde. „Die Entscheidungen betreffen das Erscheinungsbild des gesamten Soonwald/Nahe/Glantal-Raums“, ist der Verein sicher. Dazu gehörten unter anderen Schwarzerden, Seesbach, Weiler, Nußbaum und Bockenau sowie südlich der Nahe die Gemarkungen von Limbach, Kirschroth, Hundsbach, Desloch, Abtweiler, Odernheim (Moorplacken) und Hallgarten.

Laut Koalitionsvertrag werde die Ausweisung von 2 Prozent der Landesflächen in Deutschland für Windenergie gewünscht. „Schon heute aber verfügt unsere Region über mehr Windenergieflächen, als diese Zielvorstellung einfordert. Damit haben wir die ambitionierten Ziele in puncto Windenergie bereits übererfüllt“, erklärt die Initiative. Andere Regionen mit teilweise weit besseren Windverhältnissen hingegen hätten ihren Solidaritätsbeitrag noch nicht ansatzweise geleistet. Dennoch gingen die Pläne der Windkraftindustrie in der Region noch weit über die Vorstellungen der Bundes- und Landesregierung hinaus. „Sie sehen schon jetzt etwa 6 Prozent der Flächen in der VG Nahe-Glan für neue Großanlagen vor“, macht die Initiative deutlich.

Die Folgen dieses Ausbaus seien verhängnisvoll: „Landschaften mit einem hohen Anteil an Windrädern gelten als ,vorbelastet’. In ihrem Umfeld können weitere neue Anlagen durch einfachen Antrag genehmigt werden. Einmal in Gang gesetzt, ist dieser ,Türöffnereffekt’ kaum noch zu kontrollieren. Es kommt zu einer Ballung der Großanlagen, die für Neuentwicklungen irgendwann ausgetauscht oder rückgebaut werden muss. Gerade mittel- und langfristig zeigen sich die Gefahren der Konzernstrategien: Sie gehen einher mit dem Wertverlust unserer Heimat.“

„Fakten prüfen“ als Gebot

Daher sei das Gebot der Stunde: „Fakten prüfen“. Generell sei die Energiegewinnung aus Windrädern strittig, auch hinsichtlich der Effizienz, ist der Verein sicher. Das gelte gerade auch für windarme Standorte, wie sie mehrheitlich in der Region anzutreffen seien. „Zudem hat diese Technologie schwerwiegende Nachteile für Natur, Klima und Menschen, unter anderem die Zerstörung der Umwelt durch den Abbau der Ausgangsmaterialien in anderen Ländern, verbaute Landschaften bei uns, CO2-verbrauchende Betonfundamente, negative Auswirkungen auf Böden, Regionalklima und Wasserhaushalt, schwerlasttaugliche Zuwegungen sowie die Zerschneidung und Entwertung bisher intakter Lebensräume“, zählen die Unterzeichner auf. Windräder seien also alles andere als „öko“. Entscheidend sei auch die spürbare Entwertung der wirtschaftlichen Ressourcen und der Lebensqualität. Es gehe um weit mehr als die Frage, ob man Windräder „mag“ oder nicht, heißt es weiter. Zum Wertverlust von Immobilien gebe es belastbare Studien, er betrage je nach Situation 10 bis nahezu 100 Prozent.

Das Minus bei der touristischen Wertschöpfung liege im Schnitt bei 20 Prozent. „Vor allem bei Naturtouristen und beim anspruchsvollen Qualitätspublikum geht das Interesse massiv zurück. Das ist für unsere Region besonders schmerzlich, da unsere Chancen gerade bei dieser Zielgruppe aus den nahen Ballungsräumen Rhein/Main und Köln/Bonn liegen“, schreibt die Initiative. Damit stünden den Pachteinnahmen für Gemeinden von 10.000 bis 150.000 Euro je nach Lage größere Wertverluste und Schäden gegenüber; nicht zuletzt auch durch die Haftungsrisiken.

Was sind die Zukunftsperspektiven?

„Doch noch ist nicht alles verloren. Wir sind optimistisch, dass wir es mit vereinten Kräften schaffen, die Pläne der Windkraftindustrie zugunsten nachhaltiger regionaler Konzepte überflüssig zu machen“, zeigen sich die Unterzeichner kämpferisch. Es gebe inzwischen eine ganze Reihe intelligenter und hocheffizienter Strategien, die Klimaziele zu erreichen, ohne weiteren Schaden anzurichten. „Vieles ist auch schon ansatzweise vorhanden beziehungsweise lässt sich zügig umsetzen. Zum Beispiel der Schutz unserer Waldgebiete als größter CO2-Senker“, schreiben sie. Schon vor fast 30 Jahren habe die Initiative Soonwald dazu einen Anfang gemacht.

Gleiches gelte für Ernährung. „Nach neuesten Zahlen der UNO stammen 31 Prozent der menschengemachten Treibhausgase von dem, was täglich eingekauft wird und auf dem Teller landet. Auch zu dieser Herausforderung haben wir bereits einen erfolgreichen und für uns passenden Weg gefunden: die Regionalmarke ,SooNahe’. So tragen wir zum Klimaschutz bei, und wir fördern unsere Region. Sollte das nicht der Richtstab bei jeder unserer Entscheidungen sein?“, fragen sie. Eine grundlegende Diskussion darüber, welche Zukunftsperspektive für die Region gewollt sei, sei daher überfällig.