Irgendwie müssen Politiker doch ein wenig Gleiche unter Gleichen sein. Wer kann schließlich von sich behaupten, im öffentlichen Raum in den vergangenen Monaten einem musikalischen Liveauftritt gelauscht zu haben?
Wir alle vermissen die Kultur sehnsüchtig, doch um die kurze Ansprache von Irene Theiß als der „lebensältesten“ Ratsfrau einzurahmen, spielte Hans-Jörg Haas von der Kreismusikschule exklusiv für den Kreistag am Flügel auf. Es war bemerkenswert, dass zwei Tage, bevor alle Schotten dicht gemacht werden, und einen Tag, bevor ein Corona-Impfzentrum an den Start gehen soll, ausgerechnet im Kreistag ein solcher Beitrag zu Gehör kommen durfte. Es wird auch nicht jeder verstehen.
Aber eins sei gesagt: Herr Haas spielte wunderbar, wirklich schade, dass solche Genüsse eigentlich nicht erlaubt sind. Apropos Verständnis: Es wäre gut, wenn Politiker häufiger nicht nur schön reden, sondern auch schön handeln würden. Es klingt zwar stringent, wenn Fraktionschefs erklären, dass wir eine „schwere“, „fordernde“, „sehr schwierige“ Zeit erleben. Und: „Niemand fühlt sich sehr wohl mit so vielen Leuten in einer Halle.“ Aber mal ehrlich: wirklich nicht? Immerhin dauert die öffentliche Sitzung fast zweieinhalb Stunden, plus 15 nicht öffentliche Tagesordnungspunkte. In voller Halle, bei geschlossener Tür. Wer die Corona-Bekämpfungsverordnungen ernst nimmt, hätte vielleicht noch ein bisschen mehr Solidarität mit denjenigen zeigen können, die ab Mittwoch ihre Läden zuschließen müssen, sich privat nicht mehr sehen können oder nicht ins Altenheim oder Krankenhaus dürfen.
Mit Verlaub, wenn Fraktionschefs obendrein sagen, dass die „KKK-Regeln“ gelten würden, also: „Kurz-Knackig-Konstruktiv“ – dann fehlen fast nur noch die Häppchen und ein Glas Wein zum Jahresabschluss. Es gab auch was zu feiern: Dass der Hunsrück keine Berge mehr hat – behaupteten zumindest drei Fraktionschefs, die das E-Bike für sich entdeckt haben und jetzt mit Rad- statt Ottomotor übers Hügelland feuern. Und dass jede Fraktion am Ende ihre Schäfchen ins Trockene gebracht hatte – bis auf die FDP, die zuletzt vielleicht einfach zu viele Dinge abgelehnt hatte. Und die erlaubte es sich außerdem, bei Landrat Bröhr süffisant Geld für eine kommunale Mittelrheinbrücke anzufragen. Die SPD hatte im Kreisausschuss zwar angekündigt, die Brücke im Kreistag zu thematisieren, ließ das dann aber doch lieber links liegen wie einen der vielen flachen E-Bike-Hügel auf dem Hunsrück.