Landwirte aus der Rhein-Hunsrück-Region packen mit an – Feuerwehrmann erklärt, wie Einsätze vor Ort ablaufen
„Alles kaputt und voller Schrott“: Seit Tagen schaufeln freiwillige Helfer – darunter auch Landwirte aus dem Rhein-Lahn- und dem Rhein-Hunsrück-Kreis – an verschiedenen Orten im Ahrtal unter anderem die Straßen frei.
Manuel Bauermann, Agrarservice
Andreas Roth, stellvertretender Wehrleiter der Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen und Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Simmern, hat die Zerstörung in dem Ort Rech festgehalten.
Andreas Roth
Hier hat das Hochwasser die Ahrbrücke – die einzige Zufahrt zum Ort – zerstört.
Andreas Roth
Allerdings werden dieser Tage Stimmen laut, dass Feuerwehr, THW, Polizei oder Bundeswehr vor Ort „Däumchen drehen würden“. Das sieht Roth nicht: „Jeder packt an!“ Er vermutet, dass es in einigen Gebieten durchaus „unkontrolliert“ zugehen könnte. Denn nicht in allen Orten gebe es Einsatzabschnittsleitungen, welche die Selbsthilfe der Bevölkerung und die Unterstützung durch Kräfte des Katastrophenschutzes koordinieren. „Das ist für viele freiwillige Helfer natürlich schwer nachvollziehbar und nicht zufriedenstellend.“
Überhaupt hat er das Gefühl, dass die Nerven bei einigen Leuten blank liegen. „Das ist bei der Lage auch verständlich“, gibt er zu. Dann erklärt er, dass es Gebiete gibt, in denen die Feuerwehrführung besondere Priorisierungen sieht. In allen überfluteten Bereichen ging es zunächst um Menschenrettung. „In dem Moment denkt niemand daran, mit Aufräumarbeiten zu beginnen.“ Oder in Sinzig. „Dort muss der Energiebetrieb wiederhergestellt werden.“ Andere Orte wiederum – wie Rech – sind nur schwer zu erreichen und mussten wieder passierbar gemacht werden. Die Liste der Aufgaben scheint endlos, die Gründe, warum Einsatzkräfte nicht an anderen „Baustellen“ anpacken, vielfältig. „Jeder geht zwar verschiedenen Aufgaben nach, und scheint nach außen hin einen anderen Fokus zu haben, aber letztendlich haben wir alle dasselbe Ziel: helfen, retten, unterstützen.“Ohne lange zu überlegen: Seesack gepackt und direkt losgefahren
Letzteres deckt sich mit Klaus Bauermanns Beobachtungen. Als der Landwirt aus Roth die ersten Bilder von der Hochwasserkatastrophe im Norden von Rheinland-Pfalz vergangene Woche sieht, überlegt er nicht lange, packt seinen Seesack und begibt sich am Freitag umgehend mit einem Kollegen ins Krisengebiet – nach Bad Neuenahr, um genau zu sein. Kein leichtes Unterfangen, denn viele Wege sind gesperrt, da sie entweder unbefahrbar oder weggerissen worden sind.
Nach etlichen Stunden endlich am Ziel angekommen, stockt ihnen der Atem. Zerstörung wohin das Auge reicht. „Es war surreal. Wie in einem Kriegsfilm. Einfach schrecklich“, erzählt Bauermann. Trotz der beschwerlichen Reise wollen die beiden Männer direkt loslegen. Ihr Tatendrang wird jedoch kurzzeitig ausgebremst, denn vor Ort ist niemand, der ihnen sagen kann, wo sie helfen können.
Also fangen sie auf Eigeninitiative an, auf einem zentralen Platz zu räumen – etwas wovon das Land, der Krisenstab sowie das Pressezentrum Hochwasser-Ahrweiler tunlichst abraten (siehe „Nicht einfach ins Hochwassergebiet fahren“). Nach nur wenigen Tagen kennen sich die Bauern und Bauunternehmer untereinander, arbeiten Hand in Hand. Auch die Bundeswehr packt mit an, berichtet Bauermann. „Die sind in die Häuser und haben tatkräftig angepackt.“ Währenddessen hätten die Landwirte mit ihren Geräten „gute Arbeit geleistet“, die Bauunternehmer mit ihren Maschinen aber „noch bessere“. „Das ist aber nur meine subjektive Meinung“, räumt er ein und stellt klar, dass jeder Helfer – egal, ob Privat- oder Feuerwehrmann – sein Bestes gegeben hätte.
„Sie müssen sich das so vorstellen: Jeder denkt, dass in dem Ort, wo er hilft, die Not und der Schaden am größten sind. Dabei gibt es Gebiete, die es noch härter getroffen hat.“ Dann sagt er: „Selbst, wenn es keine Verwaltung vor Ort gegeben hat – was anhand der Verwüstung auch kein Wunder ist – , wussten alle – Handwerker, Landwirte, Forstunternehmer – aufgrund ihrer Erfahrung und ihrem Willen zu helfen, was zu tun ist.“ Am Montag ging es für Klaus Bauermann wieder zurück nach Roth. Da sein Radlader noch in Bad Neuenahr steht, plant er demnächst wieder ins Katastrophengebiet aufzubrechen.Viele folgen Aufrufen über die sozialen Netzwerke
Auch Lohnunternehmer Manuel Bauermann aus Bubach hat das vor. „Fürs Wochenende ist Regen vorhergesagt, deshalb werden wir wohl wieder hinfahren“, sagt er bestimmt. Gemeinsam mit Emil Sachsenweger, ebenfalls Lohnunternehmer und Landwirt aus Morbach, sei er einem Aufruf über das soziale Netzwerk Instagram gefolgt und habe sich für zwei Tage nach Bad Neuenahr sowie Ahrweiler begeben. Ähnlich wie bei Klaus Bauermann wird ihr Eifer erst einmal ausgebremst, da niemand da ist, der ihnen sagen kann, wo sie anpacken sollen. „Da war zwar jemand vom Bauhof, der wusste aber auch nicht weiter“, erzählt Manuel Bauermann. „Also sind wir weiter in den Ort reingefahren, wo wir einen anderen Landwirt angetroffen haben, der gerade eine Straße geräumt hat. Sein Tipp: Einfach eine Straße aussuchen und leer räumen.“
Nicht einfach ins Hochwassergebiet fahren!
Auf Nachfrage unserer Zeitung teilt das Pressezentrum Hochwasser-Ahrweiler mit, dass Menschen, die helfen möchten, nicht einfach auf eigene Faust ins Hochwassergebiet fahren. „Das ist aber von Anfang an kommuniziert worden“, erklärt ein Mitarbeiter. Wer Interesse hat, kann sich an die Hotline „Hilfsangebote“ unter Tel. 02641/975 90 0 wenden.
Hier können sich Bürgerinnen und Bürger melden, die bei der Bewältigung der Katastrophe unterstützen möchten – beispielsweise mit Hilfsangeboten, Sachspenden, Arbeitsmaterialien, Transport- oder Logistikmöglichkeiten. Alternativ kann eine E-Mail an hochwasserhilfe@kreis-ahrweiler.de geschickt werden. Hier bittet das Pressezentrum allerdings um Verständnis, dass die Bearbeitung aufgrund der vielen Anfragen etwas Zeit in Anspruch nimmt. Die Hotline ist täglich von 9 bis 20 Uhr erreichbar.
Er findet eine „Hauptverkehrsader“ – die Weinbergstraße in Bad Neuenahr – und schaufelt sie frei. „Alles war kaputt und voller Schrott – eigentlich müsste alles abgerissen und neu aufgebaut werden“, sagt er.
In der Straße kommt er mit Anwohnern in Kontakt. „Sie haben sich beschwert, dass nichts gemacht wird oder niemand gefragt hat, ob sie etwas benötigen“, erzählt Manuel Bauermann und wird ernst: „Es gibt Orte, wo keine Einsatzkräfte unterwegs sind. Oder wenn sie gesehen werden, dann dürfen sie nichts machen, weil sie anderen Aufgaben zugeteilt sind.“
Er ist sich sicher: „Wären die Landwirte, Förster, Bauunternehmer und anderen Helfer nicht mit ihren Maschinen ausgerückt, würde der ganze Schutt nach acht Wochen noch da liegen. Die Situation ist wirklich katastrophal. Niemand ist da, der Auskünfte oder klare Ansagen erteilen kann.“
Ein subjektives Gefühl, dass Andreas Roth und Klaus Bauermann aus ihren Erfahrungen sowie Erzählungen der vergangenen Tage ein Stück weit zu entkräften wissen. Klaus Bauermann: „Auch wenn alles unkoordiniert und unorganisiert wirkt, ist in der ersten Woche nach dem Hochwasser viel passiert – von offizieller sowie inoffizieller Seite. Mit dieser gemeinsamen Vorarbeit hat man den Menschen im Katastrophengebiet ungemein geholfen. Und das zählt doch, oder?“