Warnung vor einer Spaltung der Gesellschaft und zugleich die Ermunterung für demokratisches und bürgerschaftliches Engagement – für seine Rede im Stadtrat St. Goar erhält Ministerpräsident a. D. Kurt Beck (SPD) minutenlangen Applaus. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der bekannte Landespolitiker dabei die Herausforderungen und zugleich die elementare Bedeutung des kommunalpolitischen Ehrenamtes hervorhebt.
Zunächst dankt Beck auch all jenen Kandidatinnen und Kandidaten, die sich zur Wahl für den Stadtrat gestellt haben, aber nicht in das Gremium gewählt wurden. Auch diese Menschen verdienten Anerkennung für ihr Engagement und ihre Arbeit. Eine Anerkennung, so Beck, die in unserer Gesellschaft unterentwickelt sei. Dabei sei es ein „hoher Wert“, sich gerade in dieser schweren Zeit einzubringen, um Politik zu gestalten.
„Ich hätte mir vor Jahren nicht vorstellen können, dass um uns herum Kriege und Terror herrschen“, erklärt Kurt Beck. All dies aber habe Einfluss auch auf den wirtschaftlichen Ertrag und damit letztlich auf die Steuern in einer Stadt wie St. Goar. Dennoch: „Wir müssen entschlossen bleiben, unsere Haltung an den Werten zu orientieren, auf die sich die Völker geeinigt haben.“ Die Bundesrepublik Deutschland trage Verantwortung, müsse deutlich machen, das man nicht hinnehmen werde, was sich Putin in der Ukraine herausgenommen hat.
„Es geht nicht nur um den Preis, sondern auch um den Wert.“
Kurt Beck zu ehrenamtlichem Engagement
Eine weitere Herausforderung sei die Bewältigung des menschengemachten Klimawandels und seiner Folgen, die an keiner Stadt, an keiner Familie vorbeigehen. Nicht zuletzt erinnert Kurt Beck an die Veränderungen in den Betrieben und für die Arbeitsplätze durch die zunehmende Digitalisierung, was sich ebenfalls auf Kommunen und die hier lebenden Menschen auswirken werde. Wer so viel Neues verarbeiten und denken muss wie die Menschen zurzeit, der brauche einen festen Boden unter den Füßen. Und den biete als kleinste staatliche Einheit die Kommune.
Was aber auch Kommunalpolitiker jeden Tag erleben müssen, so der Redner, sei „unausgegorene Kritik bis hin zu Hass“, gerade im Internet. Beck appellierte dagegen an seine Zuhörer, dass der Begriff „Respekt“ in der Gesellschaft wieder stärker gelebt werden müsse. Wer sich dem Wähler stellt, sich in einem Rat engagiert, der habe Anerkennung und Respekt verdient. Mehrheitswahlen müssten respektiert werden. Es brauche einen „anständigen Umgang“ miteinander und einen „werteorientierten Umgang“ mit Menschen, auch in Vereinen und Verbänden, damit sich in kommenden Generationen noch Bürger finden, die sich engagieren. „Es geht nicht nur um den Preis“, so Kurt Beck, „sondern auch um den Wert.“
“Wir dürfen uns in der Gesellschaft nicht auseinandertreiben lassen."
Kurt Beck über gesellschaftlichen Zusammenhalt
Wenn ein US-Politiker von „Feinden“ statt politischen Kontrahenten spricht, dann, so Beck, sei eine Grenze überschritten. Das Beispiel sei als Warnung zu verstehen: „Wir dürfen uns in der Gesellschaft nicht auseinandertreiben lassen“, der Spaltpilz dürfe nicht in die Städte und Gemeinden hineinwirken. Zur Demokratie gehöre immer auch die Fähigkeit zum Kompromiss und die Möglichkeit, eine andere Meinung zu artikulieren.
Es werde auch für den neuen Stadtrat in St. Goar keine leichte Aufgabe, aber eine lohnende. Auf die große Geschichte der Stadt können Rat und Bürger stolz sein, was zugleich eine Verantwortung für das Gemeinwesen bedeute. St. Goar aber habe gute Zukunftschancen im Rahmen des Welterbes und der Buga 2029. Darauf müsse man sich gut vorbereiten, auch fragen, was die Bürger wünschen und welche Maßnahmen über den Tag hinauswirken. Kurt Beck appelliert daran, bei den Bürgerinnen und Bürgern eine Art Ehrgeiz zu initiieren, um die weitere Entwicklung gemeinsam positiv zu gestalten und das Gemeinschaftliche in der Stadt in Zukunft besser dastehen zu lassen.