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Emmelshausen

Kein Point mehr in Emmelshausen: Der „Poppertempel“ hat Geschichte(n) geschrieben

Von Suzanne Breitbach
Ein ehemaliger Treffpunkt für junge Leute im Vorderhunsrück ist endgültig Geschichte. Kurz vor Weihnachten war das Geschäftsgebäude in Emmelshausen weitestgehend abgerissen. Restarbeiten wurden zum Jahresbeginn erledigt.  Foto: Suzanne Breitbach
Ein ehemaliger Treffpunkt für junge Leute im Vorderhunsrück ist endgültig Geschichte. Kurz vor Weihnachten war das Geschäftsgebäude in Emmelshausen weitestgehend abgerissen. Restarbeiten wurden zum Jahresbeginn erledigt. Foto: Suzanne Breitbach

Das große Gebäude am Marktplatz, in dem mehr als 25 Jahre die überregional bekannte Diskothek Point von Januar 1980 bis zur endgültigen Schließung am 16. Mai 2007 im Kellergeschoss untergebracht war, ist Geschichte. Die Abrissbirne hat im Dezember kräftig gewirkt – das gesamte Haus ist abgerissen.

Lesezeit: 1 Minute
Somit bleibt nur noch die Erinnerung an vergangene Zeiten, als die oberen Geschäftsräume als Restaurant, Café, Fitnessstudio, Lebensmittelmarkt, Convenda, Reithalle mit Bewirtung oder zuletzt als Imbiss und Dänisches Bettenlager genutzt wurden. Heute ist die Stadt Emmelshausen Eigentümerin, die den Abriss beauftragt hat. Rund 270.000 Euro hat der Abriss gekostet. Mit einer ...
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Der „Poppertempel“ hat jede Menge Anekdoten hervorgebracht: Wir erinnern uns – Sie sich auch?

Emmelshausen. Das Point ist seit einiger Zeit Geschichte, doch es hat auch Geschichte(n) geschrieben und jede Menge Anekdoten hervorgebracht – ganz wie es sich für eine Legende gehört. So ziemlich jeder hat ein Erlebnis der besonderen Art, das er mit der berüchtigten Disco im Vorderhunsrück verbindet. Fast jeder kann „einen Schwank aus seiner Jugend“ erzählen. Hier sind zwei Beispiele aus unserer Redaktion, die Sie, liebe Leser, nicht nur zum Schmunzeln bringen, sondern auch dazu anregen sollen, uns ihre Anekdoten zu schicken.

Thomas Torkler hatte einen großen Auftritt und eine Begegnung mit Manfred Sexauer:

Ins Point? Nein! Jemand, der in der Simmerner Disco „Joy“ musikalisch sozialisiert wurde, setzte keinen Fuß über die Türschwelle dieses Poppertempels. Noch dazu, wenn man selbst nicht nur Musikkonsument, sondern in einer Band aktiv war. Damals eiferte der Möchtegerngitarrenvirtuose seinen damaligen Helden Carlos Santana, Michael Sagmeister, Al di Meola oder Larry Carlton nach. Ab Mitte der 70er-Jahre war eben eine Musikrichtung namens Jazzrock auf dem Vormarsch. Da war das Disco-Gestampfe aus dem Point verpönt und allein schon aus ideologischen Gründen gegen die vergötterten „anspruchsvollen“ Klänge chancenlos. Und denen hechelte die Band Ganesha damals durchaus erfolgreich auf lokalen Veranstaltungen hinterher. Am Schlagzeug saß seinerzeit übrigens jemand, der heute Stadtbürgermeister von Simmern ist.

Und mitten in diese Phase platzte es hinein, dieses Angebot, im Point aufzutreten. Erste Reaktion – niemals! Denkste. Es lockte nämlich ein Auftritt im Radio und ein Interview mit dem bekannten Moderator des Saarländischen Rundfunks, Manfred Sexauer. Die ideologischen Bedenken in Bezug auf den Veranstaltungsort waren schnell verflogen („wir werden den Disco-Fuzzis schon zeigen, was rischdisch Mussik ist“).

Gesagt, getan. Der Kontakt mit den Radioleuten war nett. Die Band fieberte ihrem ersten Radioauftritt entgegen, hatte ihre treue Fangemeinde rebellisch gemacht, von denen an diesem Abend auch einige erstmals den heiligen Discotempel in Emmelshausen betreten sollten.

Kurz vor dem denkwürdigen Ereignis kam dann allerdings noch mal Bewegung in die Sache. Der Radiosender wollte dann doch lieber ein zuvor aufgenommenes Tonband der Band während der Livesendung laufen lassen, das wäre soundmäßig unproblematischer. Ganesha und Playback? Nee, hier gab es dann null Toleranz mehr. Entweder live oder gar nicht, lautete die Antwort. Lieber verzichtete man auf den ersten Radioauftritt, als die eigenen Fans wie bei Dieter Thomas Hecks Hitparade mit einem Playbackauftritt zu beglücken.

Die Standhaftigkeit hatte sich gelohnt. Ganesha spielte live, den Fans hat's gefallen, der Autor dieser Zeilen gab weltmännisch sein erstes Radiointerview, und sooo außerirdisch war's ja auch gar nicht im Point. Da erging's dem Kollegen wenige Jahre später schon anders.

Der “Poppertempel" hat zahlreiche Geschichte(n) geschrieben
Foto: Fotolia

Ingo Lips ging auf Ufo-Jagd und hatte am Ende (k)eine Begegnung der dritten Art:

Der Hunsrück, unendliche Weiten: Auch von der Rheinhöhe aus kann man sie zumindest erahnen an diesem nebligen Winterabend. Von Sternzeit keine Spur. Wir befinden uns in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts – und die Hauptpersonen dieser Geschichte stehen nicht auf der Kommandobrücke der „Enterprise“. Stattdessen richtet ein gelangweilter Teenager auf dem Balkon seines Elternhauses seinen Blick zum trostlosen Himmel über Urbar.

Doch plötzlich: Ein Lichtkreis erscheint wie aus dem Nichts, verharrt, um nach kurzer Zeit wieder zu verschwinden. Dann sind es plötzlich zwei dieser seltsamen Erscheinungen, schließlich werden es immer mehr, leuchten auf, bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit, um im nächsten Moment wie von Geisterhand zu verschwinden.

Der Teenager hört auf, cool zu sein, und sucht Rat bei der älteren Generation. Kurz danach erscheint seine Mutter auf dem Balkon, doch auch sie ist nun mehr als beunruhigt. Von Bettruhe kann keine Rede mehr sein. Das da oben am Himmel hat nichts mit dem Stern von Bethlehem zu tun, und es ist auch keine Marienerscheinung! Nein, die Antwort muss außerhalb des dörflichen Erfahrungshorizonts liegen, und so starten Mutter und Kind todesmutig zu einer nächtlichen Expedition.

In der Familienkutsche geht es in wilder Fahrt über die Rheinhöhe. In Biebernheim erhärtet sich der Verdacht, dass eine Invasion der Außerirdischen kurz bevorsteht: Die Kreise werden deutlicher. Unten in St. Goar verliert sich ihre Spur. Die Aliens haben wohl geschnallt, wer ihnen auf den Fersen ist – sie sollen schon bald merken, mit wem sie es zu tun haben!

In Hirzenach fällt der folgenschwere Entschluss, die Expedition wieder auf die Höhe zu verlegen: In rasanter Geschwindigkeit lässt das Erdenduo Holzfeld links liegen und düst in Richtung Karbach. Hier bekommt die seltsame Himmelserscheinung eine deutlich sichtbare Verbindung zur Erde, und nach wenigen Minuten findet das Abenteuer von Mutter und Sohn ein abruptes Ende – und das Rätsel seine ernüchternde Auflösung in Emmelshausen: Seltsam gewandete Menschen strömen in eine berüchtigte Diskothek. Sie mögen unter Geschmacksverirrung leiden, aber sie sind definitiv keine Außerirdischen. Im Jargon der damaligen Zeit werden sie abfällig als Popper bezeichnet, und einige schwärmen an diesem Abend nicht nur von der Musik von Modern Talking, sondern sind auch ganz verzückt von der aufwendigen „Lasershow am Point“.

So etwas hatte die Provinz noch nicht gesehen – das Mutter-und-Sohn-Gespann erst recht nicht, und so fuhren beide wieder ins beschauliche Dorf zurück, um erwartungsvoll der Zukunft entgegenzusehen. Was würde diese moderne Zeit wohl noch alles bringen? Immerhin war eine Verrücktheit aufgeklärt, aber bis heute bleiben Fragen offen: Gingen in dieser Nacht noch mehr Hunsrücker auf Ufo-Jagd? Oder: Erhielt die damals noch grüne Erdenpatrouille in der Bopparder Burg Funksignale von aufgeregten Erdlingen, die seltsame Himmelserscheinungen beobachteten?

Das Eingangsportal zu den heiligen Hallen in Emmelshausen.
Das Eingangsportal zu den heiligen Hallen in Emmelshausen.
Foto: Werner Dupuis

Haben auch Sie eine interessante Geschichte zum Point? Schicken Sie sie an unsere Redaktion – gern auch mit Foto – an die Adresse simmern@rhein-zeitung.net

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