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Kirchberg

In Kirchberg mahnen 63 Stolpersteine: Erinnerung an ermordete Mitbürger bleibt notwendig

Von Werner Dupuis
Nun sind die letzten der 63 Stolpersteine im Kirchberger Pflaster verlegt.<br /> 
Nun sind die letzten der 63 Stolpersteine im Kirchberger Pflaster verlegt.
 
Foto: Werner Dupuis

Nach den Jahren 2017 und 2019 machte am Wochenende Gunter Demnig zum dritten Mal Station in Kirchberg, um seine Stolpersteine zu verlegen. An fünf Stationen platzierte er vor den Wohnungen der Menschen, in denen sie zuletzt lebten, bevor sie aus ihrer Heimatstadt wegzogen oder deportiert wurden, seine quadratischen Gedenksteine. Auf den Betonquadern sind auf einer Messingplatte die Namen und Lebensdaten dieser Menschen eingraviert.

Lesezeit: 2 Minuten
Ein Planungsteam aus den im Kichberger Stadtrat vertretenen Parteien und der Kirchen hatte die Aktion vorbereitet und die Namen und Lebensgeschichten der Betroffenen zusammengetragen. Schüler der Kooperativen Gesamtschule (KGS) verlasen die Biografien und sorgten für die musikalische Umrahmung. In 1265 Kommunen, in Deutschland und weiteren 26 Ländern, konnte der Aktionskünstler Gunter ...
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Im Konzentrationslager umgekommen oder unbekannt verschollen

Kirchberg. An folgende ehemalige Kirchberger Bürger, die während der Nazizeit deportiert und ermordet wurden, erinnern weitere neue Stolpersteine.

In einem abgerissenen Haus am heutigen Obertorplatz lebten Frank Albert, geboren 1878 in Kirchberg, und seine Schwester Luise Albert, geboren 1877 in Kirchberg. Beide meldeten sich am 6. Dezember 1938 in Kirchberg ab und zogen nach Köln. Von dort wurde Albert 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er am 8. November 1942 starb. Luise Albert wurde mit ihrem Mann Wilhelm Schlumowitz am 7. Dezember 1941 von Köln ins Ghetto Riga gebracht, wo beide umgekommen sind.

In einer Mietswohnung in der Inspektionsgasse 10 lebten das Ehepaar Siegmund und Johanna Frank mit ihren Kindern Emil, Selma und Else. Frank wurde in Bruttig geboren und war von Beruf Handelsmann. Seine Frau stammte aus Kirchberg. Beide wurden am 25. Juli 1942 ab Düsseldorf ins KZ Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Ihre drei Kinder konnten früh genug in die USA, nach England und Palästina auswandern.

In der Inspektionsgasse 8 lebte Leopold Frank. Er wurde 1876 in Kirchberg geboren und war Handelsmann. Verheiratet war er mit Rosa Frank geborene Mayer. Beide verließen Kirchberg am 22. Dezember 1938 nach Übergriffen in der Pogromnacht und zogen nach Köln. Von dort wurden sie über das Ghetto in Lodz im Mai 1942 in das Vernichtungslager Chelmno deportiert und ermordet. Das Ehepaar hatte einen Sohn und zwei Töchter. Sohn Alfred wurde in Chelmno umgebracht. Den Töchtern gelang die Flucht in die USA.

Bertha Martha Simon, geborene Gerson, wurde 1880 in Sohren geboren. Sie lebte in Kirchberg in der Simmerner Straße 1. Ihr Ehemann starb bereits 1932. Sie zog 1937 nach Köln-Sülz. Ihre Flucht führte sie über Belgien nach Monaco. Möglicherweise gehörte sie zu den Juden, die vom Fürsten von Monaco an die Nazis ausgeliefert wurde. Von einem Lager bei Paris wurde sie am 28. Oktober 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

In der Kappeler Straße 23 lebte das Ehepaar Robert und Emmi Israel mit Tochter Thea und Sohn Michael Oppenheimer. Robert Israel war 1892 in Kirchberg geboren, Handelsmann und Viehhändler. Über Köln wurde er 1941 nach Litzmannstadt deportiert und am 3. Juli 1944 in Chelmno ermordet. Emmi Israel, geboren 1901 in Wehr, besuchte die Nähschule der Franziskanerinnen in Niederzissen. Ihre Deportation erfolgte ab Köln am 30. Oktober 1941 nach Litzmannstadt. Ihr Schicksal ist ungewiss. Tochter Thea, geboren 1937 Kirchberg, ist auch am 30. Oktober nach Litzmannstadt deportiert worden und blieb ebenfalls verschollen.

Michael Oppenheimer, geboren 1886 in Aufseß in Bayern, war Kaufmann und wohnte 1921 in Köln und später in Kirchberg. Er wurde am 27. Juli 1942 über Trier und Köln nach Theresienstadt und am 16. Oktober 1944 ins Vernichtungslager Ausschwitz deportiert, wo er am gleichen Tag ermordet wurde. wd

Erkennen, dass wir alle anders sind: Thomas Torkler zu Stolpersteinen in Kirchberg

Die Vergangenheit endlich mal ruhen lassen? Es muss doch schließlich mal Schluss sein mit dem ewig erhobenen Zeigefinger? Wir leben ja im 21. Jahrhundert, und der Zweite Weltkrieg ist doch längst vorbei! Solche Sprüche sind so bekannt wie fehl am Platz.

Das Einzige, was aus diesen Sätzen stehen bleiben darf, ist: „Es muss doch endlich mal Schluss sein.“ Aber natürlich in anderem Sinn. Wenn die 14-jährige Schülerin Finni Wagner aus Kirchberg berichtet, sie habe in ihrer Schule und in ihrem Umfeld noch keinen Antisemitismus erlebt, dann darf man hoffen, dass das auch so bleibt.

Aber kaum schreibt man diese Zeile, drängt sich die Frage auf: Warum muss man hoffen, dass es so bleibt? Weil eben noch lange nicht Schluss zu sein scheint. Täglich erfahren wir in den Nachrichten, dass Antisemitismus allgegenwärtig ist. Mehr noch: Das weltweit Menschen angefeindet werden, weil sie sich entschieden haben, in bestimmter Art und Weise zu leben, irgendeine Religion praktizieren oder sich nach anderen selbst auferlegten Regeln richten. Oder einfach, weil sie dort hineingeboren wurden. Menschen sterben in irgendeines Gottes Namen. Islamisten töten Ungläubige, Christen haben das vor 500 Jahren getan. Im Namen Gottes, nachdem Columbus die sogenannte Neue Welt entdeckt hat. In Nordirland jagten sogar die einen Christen die anderen Christen in die Luft.

Und in der Inspektionsgasse krakeelt ein Anwohner gegen Stolpersteine, die Mahnmale gegen das Vergessen, die sich genau dagegen wenden, gegen die Diskriminierung, die Verfolgung und das Töten von Menschen. Menschen, die einfach nur „anders“ sind, die anders aussehen, anders denken, etwas anderes essen, die sich anders verhalten, denen andere Dinge wichtig sind. Dabei wird zu leicht vergessen: Wir sind alle „anders“.

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