Mittelrhein

Fahrrinne soll tiefer werden: Verschwindet die Inselromantik am Mittelrhein?

Von Jens Albes
Ein Frachtschiff passiert auf dem Rhein die Stadt Lorch. Die Behörden planen eine Vertiefung des Rheins, damit die Schiffe auch bei Niedrigwasser mehr Fracht transportieren können.
Ein Frachtschiff passiert auf dem Rhein die Stadt Lorch. Die Behörden planen eine Vertiefung des Rheins, damit die Schiffe auch bei Niedrigwasser mehr Fracht transportieren können. Foto: dpa

Gut für die Umwelt, schelcht fürs Weltwerbe? Binnenschiffe ersetzen viele Lastwagen. Daher soll die Fahrrinne im Welterbe Oberes Mittelrheintal tiefer werden – auch mit neuen Steindämmen. Kritiker befürchten weniger Rheinromantik und mehr verschlammte Uferzonen.

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Seit mehr als 200 Jahren ist die Rheininsel vor Bacharach im Eigentum der Winzerfamilie Bastian. Doch nun hat Weingutsbesitzer Friedrich Bastian Angst, „dass die Inselromantik wegfällt“. Im Herzen des Welterbes Oberes Mittelrheintal soll künftig ein Querbauwerk, also ein Steinwall, die Insel Heyles’en Werth mit dem Bacharacher Ufer verbinden.

Abgesehen von einer abgesenkten „Überflutungsschwelle“ von 15 Metern wäre das lange Querbauwerk laut Bastian meist sichtbar – und das Eiland somit eigentlich kein Eiland mehr. Zudem befürchtet der Winzer mehr Verlandung zwischen dem Rheinufer und seiner Insel. Mit dem neuen Strömungsbauwerk soll mehr Wasser in die Fahrrinne auf die andere Seite der Insel geleitet werden, damit Frachtschiffe auch bei Niedrigwasser mehr laden können.

Beseitigung von Untiefen sorgt für Kritik

Die Beseitigung von Untiefen im Mittelrhein für die Schifffahrt verzögert und verteuert sich allerdings. Zugleich wird zunehmend Kritik laut. Ziel des Projekts ist es, die Fahrrinne zwischen Wiesbaden und St. Goar von garantierten 1,90 Metern auf durchgängig 2,10 Meter in Bezug auf einen definierten Wasserstand zu vertiefen. Sechs „Tiefenengstellen“, unter anderem nahe dem weltberühmten Loreley-Felsen, sollen beseitigt werden. Experten sollen im Rhein Felsgrund abfräsen und kiessandigen Flussboden wegbaggern sowie mit Längs- und Querbauwerken den Wasserspiegel anheben.

Inselwinzer Friedrich Bastian rudert zu seiner Rheininsel Heyles’en Werth bei Bacharach.  Fotos: Thomas Frey/dpa
Inselwinzer Friedrich Bastian rudert zu seiner Rheininsel Heyles’en Werth bei Bacharach. Fotos: Thomas Frey/dpa
Foto: dpa
Besonders das Niedrigwasser im extrem trockenen Jahr 2018 soll im bundesweiten Wasserstraßennetz Milliardenschäden verursacht haben – viele Schiffe konnten damals lange nur zum Teil beladen werden. Im Zuge des Klimawandels erwarten Experten künftig mehr Niedrigwasserphasen. Im Bundesverkehrswegeplan 2030 heißt es zur Vertiefung von Europas meistbefahrender Binnenwasserstraße im Welterbegebiet von Rheinland-Pfalz und Hessen: „Wasserqualität, Gewässerdynamik und die Durchgängigkeit des Wasserkörpers werden vorhabenbedingt nicht beeinträchtigt.“ Ökologisch hochwertige flache und vor Schiffswellen geschützte Bereiche für Fische würden sogar erweitert.

Welterbe-Status in Gefahr?

Doch es ist auch zu lesen: „Eine erhebliche Beeinträchtigung der Vogelschutzgebiete kann nicht ausgeschlossen werden (Wasservögel).“ In Bacharach sagt der Zweite Beigeordnete Rainald Kauer (parteilos), der Bau von Längs- und Querleitwerken würde hier zu mehr ufernaher Verschlammung und mehr Stechmücken führen. Ruderer würden von neuen Steinwällen behindert. Die Stadt Bacharach kritisiert den Bau von Leitwerken als veraltet: „Der heutige Transport von Kohle, Gas und Öl auf dem Rhein stellt nicht die Zukunft dar.“ Mit zunehmender Digitalisierung, moderner Logistik und Navigation sowie der etwa vom Chemieriesen BASF begonnenen Einführung von Niedrigwasserschiffen ließen sich schonende Effekte für Tiere und Pflanzen erzielen. Der bereits 1906 gegründete Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz begrüßt jede Ertüchtigung der Binnenwasserstraßen für mehr Verlagerung von Lkw-Fracht auf Schiffe.

Er kritisiert aber zugleich: „Die geplanten Leitwerke werden das Jahr über wegen der klimabedingten Zunahme der Niedrigwasserperioden das Bild der Mittelrheinlandschaft deutlich länger prägen, als dies die bisherigen 100-jährigen Erfahrungen mit Hoch- und Niedrigwasser vermuten lassen. Mindestens neun Monate im Jahr dürften die Leitwerke 1,50 Meter oder mehr aus dem Wasser ragen.“

Angesichts ihrer Dimensionen lasse sich nicht ausschließen, „dass der Status des Oberen Mittelrheintals als Weltkulturerbe in Gefahr gerät“. Die Kulturlandschaft Dresdner Elbtal hatte wegen eines Brückenbaus einst ihren Welterbetitel verloren. Projektgebietsleiterin Sabine Kramer vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Rhein in Duisburg versichert, bei der laufenden Beteiligung der Öffentlichkeit werde auf die Kritik eingegangen. Leitwerke sollten „optimiert“ werden. Für Ruderer und Kanuten werde geprüft, inwieweit niedrigere „Überlaufschwellen“ verbreitert werden könnten, damit Wassersportler „bei normalem Wasserstand möglichst darüberfahren können“.

Rücksicht auf Buga 2029 nötig

Laut Kramer geht es auf fast 900 Kilometer schiffbarem Rhein nur um die sechs störenden „Tiefenengstellen“ auf rund 50 Kilometern. Flussabwärts von Lorch und rheinabwärts von Oberwesel sei für das vorgesehene Fräsverfahren auf dem Rheingrund je eine „Testbaggerung im Felsen“ geplant, um die Auswirkungen auf die Umwelt gegebenenfalls zu verringern. Auch das rheinland-pfälzische Verkehrsministerium betont, die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes befinde sich „mit den verschiedenen Akteuren im Dialog mit dem Ziel, eine für möglichst alle Belange akzeptable Lösung zu erarbeiten“. Das Projekt sei erstmals 2016 in Bingen vorgestellt worden. Zunächst sollte es bis 2030 abgeschlossen sein.

Beeinträchtigt es also die Bundesgartenschau (Buga) 2029 im Oberen Mittelrheintal? Kramer winkt ab. Die Pläne seien komplex und es fehlten Ingenieure: „Vermutlich starten die Bauarbeiten daher erst Ende 2029 und enden nicht vor Mitte 2033.“ Falls sie doch schon früher beginnen sollten, würden Einschränkungen für Fahrgastschiffe und Fähren rechtzeitig bekannt gegeben. Zudem könnten Schwimmbagger als eine Attraktion für Familien mit Kindern in die Buga integriert werden.

Im Bundesverkehrswegeplan 2030 sind noch 60 Millionen Euro für die sogenannte Abladeoptimierung im Mittelrhein veranschlagt. Doch laut dem rheinland-pfälzischen Verkehrsministerium stammt diese Summe „aus einer sehr frühen Planungsphase“. Projektgebietsleiterin Kramer rechnet nach eigenen Worten mit etlichen zusätzlichen Millionen Euro. Winzer Bastian fragt sich bei seiner 800 Meter langen und 150 Meter breiten Insel, die 1976 von Filmemacher Wim Wenders im Streifen „Im Lauf der Zeit“ verewigt wurde, zudem, „ob ich irgendwann wegen der schleichenden Verlandung nicht mehr mit dem Boot rüberkomme“.