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Rhein-Hunsrück

Das Bus-Chaos geht weiter: Droht ein Kollaps im Raum Kirchberg?

Von Volker Boch
Das regionale Busunternehmen, das freiwillig Schülerfahrten im Linienbündel Hunsrückhöhenstraße Süd geleistet hat, kann dies wegen anderer Verpflichtungen nicht fortführen. Landrat Marlon Bröhr erklärte am Mittwoch, dass das System im Raum Kirchberg heute „möglicherweise komplett kollabieren“ kann.  Fotos: Werner Dupuis
Das regionale Busunternehmen, das freiwillig Schülerfahrten im Linienbündel Hunsrückhöhenstraße Süd geleistet hat, kann dies wegen anderer Verpflichtungen nicht fortführen. Landrat Marlon Bröhr erklärte am Mittwoch, dass das System im Raum Kirchberg heute „möglicherweise komplett kollabieren“ kann. Fotos: Werner Dupuis Foto: Werner Dupuias

Das neue regionale ÖPNV-System steht vor einer heftigen Nagelprobe: Am Freitag muss der Kreistag in einer Sondersitzung darüber entscheiden, wie künftig insbesondere die Beförderung von Kindern und Jugendlichen in die Schulen und Kindertagesstätten geregelt werden kann. Die Sitzung ist dringend, denn ab Donnerstag droht die Schülerbeförderung im Raum Kirchberg komplett zum Erliegen zu kommen. Landrat Marlon Bröhr informierte am Mittwoch in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz über einen möglichen Kollaps im Linienbündel Hunsrückhöhenstraße Süd.

Lesezeit: 4 Minuten
Gemeinsam mit der zuständigen Dezernentin Sandra Zilles und Karin Bamberger vom Fachbereich Kreisentwicklung informierte Bröhr am Mittwochnachmittag über die immer problematischere Lage. Er erklärte, dass im Raum Kirchberg das System „möglicherweise morgen komplett kollabieren kann“. Demnach hat eine E-Mail vom Dienstagabend für eine weitere Verschärfung des ohnehin großen Dilemmas gesorgt. ...
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Kommentar: Volker Boch zum nächsten Chaostag im Busverkehr

Ist dieses Konzept eine gute Idee?

Wieder wartende Kinder an der Haltestelle, wieder ein Tag mit chaotischen Zuständen und heftig verärgerten Eltern. Es ist kaum zu glauben, aber derzeit zumindest im Raum Kirchberg leider wahr: Im Herzen eines bis zur Gurkenkrümmung durchorganisierten EU-Kernlands funktioniert ein wichtiger Basisdienst der Gesellschaft überhaupt nicht mehr. Die Schulbeförderung, eine Pflichtaufgabe des Kreises, ist dermaßen unsicher, dass Landrat Marlon Bröhr und die Kreisverwaltung am Mittwoch für den Raum Kirchberg eine Art Notstand ausgerufen und darüber im Rahmen einer kurzfristige angesetzten Pressekonferenz sowie mit Flugblättern an den Schulen breit informiert haben. Aus Sicht der Behörde war dies ein nachvollziehbarer und transparenter Schritt. Vor dem Hintergrund eines als modern angedachten ÖPNV-Konzeptes mitsamt europaweiter Ausschreibung und jährlichem Invest von 13,75 Millionen Euro ist es aber ein Offenbarungseid.

Bei der Kreisverwaltung und damit auch bei Landrat Bröhr landen derzeit massive Kritik und auch einige Häme. Sicher, es ist ein einfaches Mittel, dort Ärger abzuladen, wo die Pflichtaufgabe verortet ist. Aber hinter den zahlreichen Wuttelefonaten steckt ein komplexes System der schönen neuen Welt, bei dem die Kreisverwaltung am Ende lediglich derjenige ist, der die Schelte erhält. Die Frage ist doch vielmehr, ob die Herausforderungen in diesem Fall nicht nur für die beiden insolventen Firmen nicht schlicht zu groß waren. Ein aufgepumptes ÖPNV-System mit teils leeren Bussen fahren zu lassen, für welche die Fahrer an allen Enden fehlen, ist vielleicht keine Spitzenidee. Zumindest nicht, wenn Kinder auf der Strecke bleiben.

VRM zum Bus-Chaos im Hunsrück: „Start ist im Wesentlichen gut verlaufen“

Rhein-Hunsrück. Das neue ÖPNV-System im Kreis ist zum 1. August an den Start gegangen und steht kurz nach Beginn des neuen Schuljahres insbesondere aufgrund zweier Insolvenzverfahren vor dem Kollaps. Im Auftrag des Rhein-Hunsrück-Kreises hatte der Verkehrsverbund Rhein-Mosel (VRM) die Ausschreibung der Linienbündel vorbereitet und das Konzept des Systems erarbeitet. Nach dem Start bewertet der VRM den Auftakt „im Wesentlichen“ als gut.

Nach dem Bekanntwerden der massiven Probleme haben wir den VRM befragt:

Wie bewerten Sie den Start des neuen ÖPNV-Systems insbesondere vor dem Hintergrund des Schuljahresbeginns?

Der Start ist – wie bei anderen Linienbündeln auch – zum Schuljahresbeginn im Wesentlichen gut verlaufen. Bei ca. 10 Prozent der Fahrten gab es Probleme (Ausfälle, erhebliche Verspätungen), die jedoch im Wesentlichen mit der kurzfristigen Insolvenzanmeldung und anschließenden Nichterbringung der Leistung seitens der VBN Nagoldtal zusammenhängt. Auf Grund der Leistungsübernahme durch die DeinBus GmbH sowie die Unterstützung eines lokalen Unternehmens konnten die Fahrten zu Beginn des Schuljahres überwiegend erbracht werden.

Aus Sicht von Eltern und Kindern werden verschiedentlich enorme Sprachprobleme geschildert. Gibt es aus Ihrer Sicht ein Kommunikationsproblem zwischen Fahrern und Insassen der Busse?

Neben der Tarifkenntnis wird in den Ausschreibungs- und Vertragsunterlagen hierzu folgendes gefordert: „Das Fahrpersonal muss der deutschen Sprache mächtig sein und Streckenkunde besitzen.“ Sollte dies nicht der Fall sein, gehen wir davon aus, dass dieser Mangel in Kürze durch Nachschulungen behoben wird. Vielleicht muss man hier berücksichtigen, dass in Deutschland derzeit zu wenig Busfahrer auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Es ist aus unserer Sicht verständlich, wenn sich die Verkehrsunternehmen auch nach geeignetem Personal im europäischen Ausland umsehen.

Nach der VBN Nagoldtal befindet sich nun auch das Unternehmen DeinBus GmbH in einem Insolvenzverfahren. Welche Auswirkungen hat dies konkret für das Linienbündel Hunsrückhöhenstraße Süd sowie das Gesamtsystem?

Da das vorläufige Insolvenzverfahren erst am 12. August eröffnet worden ist, muss nun abgewartet werden, inwieweit der bestellte Insolvenzverwalter in die Leistungserbringung bestehender Verträge eintreten kann. Dieser muss sich erst einen Überblick verschaffen. Hierzu sind die Ergebnisse entsprechender Abstimmungsgespräche abzuwarten, dann können gegebenenfalls weitere Maßnahmen ergriffen werden.

Experten bewerten das Linienbündel Süd als anspruchsvoll insbesondere hinsichtlich der zu fahrenden Kilometer. Wie bewerten Sie diese Einschätzung?

Den „Experten“ würden wir entgegnen, dass es in anderen Bereichen des VRM einige Bündel mit mehr Nutzwagenkilometer-Umfängen und auch einer höheren Erbringungskomplexität gibt als im Linienbündel „Hunsrück Süd“.

Ist die Ausschreibung des ÖPNV-Systems für den Kreis aus Ihrer Sicht für den angedachten Zeitraum leistbar?

Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die ausgeschriebene Leistung im geplanten Zeitraum erbringbar ist.

Es gibt zahlreiche Beschwerden von Eltern und betroffenen Familien wegen geänderten Anbindungen, längeren Wartezeiten und kreisweit ausgefallenen Verbindungen. Müssen die Linienbündel bzw. das neue ÖPNV-System für den Kreis in Gänze überdacht werden?

Bei jeder größeren Systemumstellung gibt es Anlaufschwierigkeiten. Oft sind die neuen Möglichkeiten und Verbesserungen für die Nutzer des ÖPNV noch zu unbekannt und müssen für die jeweils individuellen Mobilitätsbedürfnisse neu entdeckt werden. Auch wir bedauern die Ausfälle und Unregelmäßigkeiten, die besonders in einem Bündel aufgrund eines Insolvenzverfahrens auftreten und arbeiten hier gemeinsam mit der Kreisverwaltung an Lösungen.

Wer hat die Linienbündel und Verbindungen konkret festgelegt?

Die Verkehrsangebote in den Linienbündeln wurden gemeinsam von dem Aufgabenträger für den ÖPNV, also dem Rhein-Hunsrück-Kreis, einem vom Land Rheinland-Pfalz beauftragten Planungsbüro und der Verkehrsabteilung des Verkehrsverbundes Rhein-Mosel im Rahmen des ÖPNV-Konzeptes Rheinland-Pfalz Nord geplant. Hierbei wurden alle zuständigen Verwaltungen, Gremien und Schulen im Kreis über den Zeitraum von ca. zwei Jahren vorab eingebunden. Näheres zu den Zielen des ÖPNV-Konzeptes ist unserer Info-Broschüre zu entnehmen.

Offensichtlich fehlen nach wie vor zahlreiche Fahrer. Wie viele?

Aufgrund des angespannten Arbeitsmarktes im Bereich der Busfahrer und des erwähnten Insolvenzverfahrens fehlen tatsächlich noch einige Fahrer, um das geplante Angebot fahren zu können. Über die genaue Zahl der fehlenden Fahrer können nur die Verkehrsunternehmen selbst Angaben machen, jedoch bemühen sich die Verkehrsunternehmen, kurzfristig weiteres Personal zu akquirieren.

Waren im Vorfeld des Starts des neuen ÖPNV-Systems im Rhein-Hunsrück-Kreis Anzeichen wirtschaftlicher Probleme der beteiligten Unternehmen bekannt?

Erst kurz vor dem Bündelstart am 1. August wurde bekannt, dass ein Partner der Bietergemeinschaft VBN Nagoldtal/DeinBus vorläufige Insolvenz beantragt hat. Es wurde jedoch ein Konzept vorgestellt, wie der andere Partner die Leistung mit Unterstützung eines lokalen Unternehmens übernehmen kann.

Die Fragen stellte Volker Boch

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