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Bad Kreuznach

„Wirtschaftswunderweihnacht in Bad Kreuznach“: Erinnerungen an die Schicksale der kleinen Leute

Von Harald Gebhardt
„Wirtschaftswunderweihnacht in Bad Kreuznach“ heißt das neue Buch von Marita Peil, das am 1. Dezember erscheint.  Foto: Stefan Munzlinger
„Wirtschaftswunderweihnacht in Bad Kreuznach“ heißt das neue Buch von Marita Peil, das am 1. Dezember erscheint. Foto: Stefan Munzlinger

Es sind diesmal die „kleinen Leute“, die Gewinner und Verlierer in der Nachkriegszeit, in der Aufbauphase und den Wirtschaftswunderjahren, denen die Bad Kreuznacher Autorin Marita Peil in ihrem neuen Buch „Wirtschaftswunderweihnacht in Bad Kreuznach“ ihre ganze Aufmerksamkeit schenkt. Drei Jahre lang hat sie daran gearbeitet.

Lesezeit: 4 Minuten
Peil, die 2013 mit dem Sonderpreis der Stadt für ihre „lebendige Geschichtsschreibung“ ausgezeichnet wurde, beweist darin einmal mehr, dass Geschichte nicht langweilig sein muss, sondern lebendig, unterhaltsam sein kann. „Ich wollte die Leute darstellen, die in der Nachkriegszeit und in den Wirtschaftswunderjahren nicht zu den großen Gewinnern zählten“, sagt Peil. ...
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Autorin Marita Peil im Interview: Alltagsleben in einer spannenden Zeit

Frau Peil, Ihr neues Buch „Wirtschaftswunderweihnacht in Bad Kreuznach“ unterscheidet sich in der Konzeption von ihren bisherigen Werken. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, den historischen Stoff auf diese Art, als „heiter-besinnlichen Spaziergang“, wie Sie im Vorwort schreiben, in Episoden und Erzählungen aufzugreifen?

Es gibt kaum Literatur über die Wirtschaftswunderjahre in Bad Kreuznach. Ein Grund dafür ist wohl, dass diese Zeit für den Lokalhistoriker nicht lange genug zurückliegt. Ich habe mir die Wirtschaftswunderjahre in unserer Stadt im Allgemeinen und die Weihnachtszeit damals im Besonderen auf die Fahne geschrieben, weil ich noch mitbekam, wie es zu jener Zeit in Kreuznach aussah. Die Straßen der Innenstadt waren noch keine Fußgängerzone – und dann die Geschäfte: Reinhardt, Eberhart, Ziegler, Puppenfee/Krämer, Owin, Orth ...; die Cafés: Kiefer am Kornmarkt, Schläger/Lubitz und Heuchert in der Kreuzstraße ... So viele schöne Erinnerungen, aber auch ein ganz anderes Lebensgefühl. Insbesondere die Weihnachtszeit in den 1950ern – nach dem Krieg und in der Aufbauphase – war sehr spannend, aber auch spannungsgeladen, wies doch gerade sie die großen Diskrepanzen zwischen Arm und Reich auf. Es gab viele Gewinner und noch mehr Verlierer. Über diese Menschen, aber auch über die Wirtschaftswunderweihnachtszeit, in der sich die Einen viel und Andere kaum etwas leisten, üppig oder gar nicht schenken und feiern konnten, beschloss ich, ein Buch zu schreiben. Es sollte sich nicht nur mit der Stadtgeschichte befassen, sondern eben mit den Schicksalen dieser „kleinen Leute“, die mitten im Alltagsleben standen. Mein großes Anliegen ist, dass auch von der jüngeren Stadt- und Alltagsgeschichte nichts verloren geht.

Sie selbst sind 1959 geboren. Welche Erinnerungen gibt es in ihrer eigenen Familie noch an die Zeit in den 1950er-Jahren?

Es war das typische Alltagsleben. Mein Vater beispielsweise arbeitete in den 1950ern als Gas-, Wasser- und Heizungsinstallateur. Damals gab es noch die Sechstagewoche bei nur zwei Wochen (!) Jahresurlaub im Durchschnitt. Mein Vater hatte das große Glück, vier Urlaubswochen zu erhalten. Er arbeitete richtig hart und ausdauernd, verdiente aber auch gutes Geld und konnte sich etwas leisten. So war er stolzer Besitzer einer BMW 500. Zusammen mit seinen ebenfalls motorradbegeisterten Freunden Karl-Heinz Freund (Ofen-Freund) und dem Friseurmeister Otto Seckler fuhr er in den schönsten Wochen des Jahres nach Bayern, Österreich oder sogar nach Italien. Man bedenke: mit dem Motorrad!

Nach Feierabend und am Wochenende kultivierte er seinen großen Garten. Er hatte dort auch ein Wochenendhaus mit vielen „Schikanen“ gebaut. Im Alter sagte mein Vater oft: „Die 50er- und 60er-Jahre waren die beste Zeit Deutschlands.“

Was charakterisiert aus Ihrer Sicht das Lebensgefühl dieser Zeit am besten?

Es ging um Aufbau und Leistung – darum, sich bei harter Arbeit etwas gönnen zu können.

Sie haben auch mit Zeitzeugen gesprochen. Was hat Sie dabei besonders beeindruckt?

Ich habe mit vielen Zeitzeugen geredet. Es war durchweg von starkem Aufbauwillen und persönlichen Schicksalen die Rede.

Wie schwierig gestalteten sich die Recherchen im Vergleich zu ihren früheren Veröffentlichungen?

Ich recherchiere so gut wie nie mithilfe des Internets. Meine Welt sind die Archive und die Gespräche mit Zeitzeugen. Für dieses Buch waren aber Recherchen in Amerika nötig, um etwas über die Kreuznacherin zu erfahren, die mit ihrem amerikanischen Ehemann in die USA gezogen war („Heimweh nach Bad Kreuznach“). In Kreuznach war alle Mühe umsonst, aber bei dem Bestattungsinstitut in Sherburne beziehungsweise Earlville, das die Beisetzung der Frau organisiert hatte, wurde ich fündig. Dazu – auch wegen der Anschrift des Unternehmens – war das Internet erforderlich. Eine äußerst spannende Recherche!

Welches Buchprojekt wollen Sie als Nächstes anpacken?

Entweder ein Nachfolgebuch über die 1960er-Jahre oder ein Roman, in dessen Mittelpunkt zwei Kreuznacher Protagonisten stehen.

Es fragte Harald Gebhardt

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