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Bad Kreuznach

OB-Wahl in Bad Kreuznach: Wegweiser aus der Schuldenfalle gesucht

Von Marian Ristow
Sparen, aber wo und auf wessen Kosten? Die Finanzen sind eines der ganz heißen Themen vor der OB-Wahl in Bad Kreuznach.  Foto: Stefan Munzlinger
Sparen, aber wo und auf wessen Kosten? Die Finanzen sind eines der ganz heißen Themen vor der OB-Wahl in Bad Kreuznach. Foto: Stefan Munzlinger

Derzeit steht die Stadt Bad Kreuznach mit 46 Millionen Euro netto in der Kreide. Wie lässt sich die Schuldenlast in Zukunft reduzieren? Wir haben die vier Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl dazu befragt.

Lesezeit: 1 Minute
„Bei Sanierungsarbeiten im Keller des Hundheimer Hofes wurde ein antiker Goldschatz entdeckt. Die Finanzsorgen der Stadt Bad Kreuznach haben sich damit ein für alle mal erledigt.“ Da man eine derartige Meldung vermutlich in Zukunft eher nicht zu lesen bekommt und sich wohl auch kein BionTech-Ableger auf einer der letzten freien ...
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Emanuel Letz: Gewerbeflächen ausweisen

Folgendermaßen bewertet FDP-Kandidat Emanuel Letz die Situation:

1 Es ist unbestritten, dass unsere Stadt viele wichtige soziale, kulturelle und gesellschaftliche Vorhaben über das Budget der freiwilligen Leistungen finanziert. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Allerdings können wir beobachten, dass die Aufwendungen in einzelnen Bereichen sehr stark zugenommen haben. Deshalb werde ich alle Teilbereiche des Haushalts auf Optimierungspotenziale untersuchen, damit wir die vorhandenen Mittel zielgerichtet einsetzen können. Was die Refinanzierung der freiwilligen Leistungen betrifft, so ist die Gewerbesteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen für unsere Stadt.

2 Die finanzielle Situation unserer Stadt wird letztendlich von zwei wesentlichen Themenfeldern bestimmt: Steuereinnahmen und Abgaben auf der einen Seite sowie der Gesamtheit aller Ausgaben für unsere kommunalen Belange auf der anderen Seite.

Deshalb ist es dringend erforderlich, die Rahmenbedingungen für Unternehmen und Investoren in unserer Stadt zu verbessern, um so nachhaltig für höhere Gewerbesteuereinnahmen zu sorgen. Ganz konkret bedeutet dies, dass wir dringend neue Gewerbeflächen ausweisen müssen.

Darüber hinaus müssen wir mit aller Kraft dafür sorgen, dass unser innerstädtischer Einzelhandel die notwendige Unterstützung bekommt, um unseren Bürgern auch künftig eine attraktives Stadtzentrum bieten zu können. Wir leben als Mittelzentrum nicht zuletzt auch von der Kaufkraft des Umlandes. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir im Bereich der städtischen Verwaltung alle vorhandenen Potenziale in den Bereichen Digitalisierung und Prozessoptimierung nutzen müssen. Ein Blick in vergleichbare Städte zeigt, dass wir hier noch Luft nach oben haben.Weiterhin werde ich mich über die kommunalen Spitzenverbände dafür einsetzen, dass Bund und Land die Kommunen stärker bei der finanziellen Umsetzung von übergeordneten Vorhaben unterstützen.

3 Grundsätzlich möchte ich festhalten, dass bei geplanten Sparmaßnahmen zunächst immer die Folgen umfänglich betrachtet werden sollten. Deshalb werde ich bei diesen Themen immer die zuständigen Dezernate und Abteilungen der Stadtverwaltung einbinden.

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass wir viele Fachleute in der Verwaltung haben, die uns wertvolle Hinweise geben können. Die Schwerpunkte für die kommenden Jahre sehe ich in den Bereichen Digitalisierung und Standortmanagement. Unsere Stadtverwaltung hat zu viele einzelne Standorte, was tendenziell zu ineffizienten Abläufen führt. Deshalb befürworte ich eine Konzentration an wenigen Punkten, auch was ein neues Rathaus am Kornmarkt betrifft.

Heike Kaster-Meurer: Freiwillige Leistungen unabdingbar

Die Aussagen von Amtsinhaberin Heike Kaster-Meurer (SPD):

1 Die sogenannten freiwilligen Leistungen, also Ausgaben für Sportvereine, Kulturschaffende und Wohlfahrtsorganisationen, unterstützen das Ehrenamt und sind für unsere Gesellschaft unabdingbar. Sie machen übrigens nur rund 5 Prozent der Ausgaben aus und wurden von der Kommunalaufsicht budgetiert. Eine Unterstützung dieses Bereichs ist für mich keineswegs freiwillig, sondern wichtig für das Gelingen unseres Zusammenlebens. Schon heute leisten die kommunalen Unternehmen, die Stiftungen, Unternehmen und auch Einzelpersonen durch ihre Spenden wichtige Unterstützung. Darauf werden wir in Zukunft noch stärker angewiesen sein.

2 Seit 2012 sparen wir durch die beschlossene Budgetierung jährlich 2 Millionen Euro im laufenden Haushalt. Das betrifft ganz vorwiegend meinen Teilhaushalt. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist gesunken. Aber Sparen hat auch andere Folgen. Hier einige Beispiele: Die Straßen und insbesondere die Fußwege und Bürgersteige werden in zu geringem Umfang unterhalten, und ihr Zustand wird immer schlechter. Die Pflege und Unterhaltung der Grünpflege ist drastisch reduziert worden, in den Parkanlage gibt es weniger Blühpflanzen und in der Stadt kaum noch Blumenkübel.

Die weitere Reduzierung der Ausgaben bringt Konsequenzen mit sich, die es zu bedenken gilt. Wenn wir beispielsweise das Bäderhaus schließen würden – und das konnte bisher ja glücklicherweise verhindert werden –, hätte das große Auswirklungen auf den Tourismus. Die Besonderheiten einer Stadt sind der Grund, warum Touristen in die Stadt kommen und Menschen hier gut und gerne leben. Es bleibt also noch die Bemühung, die Einnahmen zu steigern. Ich sehe in der aktuellen Pandemielage keine Möglichkeit, den Gewerbesteuerhebesatz, der in der Stadt bei 405 und zum Beispiel in Rüdesheim bei 365 liegt, zu erhöhen.

Das Gleiche gilt für die Grundsteuer, die auf die Mieten umgelegt wird. Eine nachhaltige Einnahmenerhöhung ist meines Erachtens nur zu erreichen, wenn die Stadt prosperiert und die „weichen Wirtschaftsfaktoren“ stimmen, also die soziale Infrastruktur attraktiv ist, es gute Freizeitangebote und Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung gibt.

3 Ohne Qualitätsverlust und Gestaltungsverzicht können wir nicht mehr weiter sparen. Ich verstehe kommunalpolitische Arbeit immer als Gestaltungsaufgabe. Immer wieder wurde behauptet, dass wir bei Abgabe unseres städtischen Jugendamts an den Landkreis sparen könnten. Diese Behauptung wurde nie durch Fakten belegt. Durch eine Abgabe hätten wir keinerlei politischen Einfluss mehr auf die Jugend- und Familienpolitik in unserer Stadt.

Karl-Heinz Delaveaux: Freiwillige Leistungen überprüfen

Karl-Heinz Delaveaux (FWG) möchte die defizitäre Finanzlage in Bad Kreuznach so angehen:

1 Aufgrund der defizitären Finanzlage der Stadt Bad Kreuznach bedarf es einer sofortigen Überprüfung aller freiwilligen Leistungen. Zwecks Refinanzierung muss über eine Anpassung der Eintrittspreise nachgedacht werden, zumindest bei den freiwilligen Leistungen, die von einem finanzkräftigeren Zielpublikum stark nachgefragt werden.

Die Abgabe des städtischen Jugendamtes an den Kreis ist – wie vom Stadtrat schon lange beschlossen – endlich umzusetzen, somit würden Ausgaben von 1,5 Millionen Euro im Jahr eingespart. Familienfreundliche freiwillige Leistungen, wie zum Beispiel das Schwimmbad im Stadtteil Bosenheim, stehen für mich nicht zur Disposition, ebenso sollten Puppentheater und die Museumsangebote beibehalten werden.

Ich möchte aber Maßnahmen zur Erhöhung der Besucherzahlen anstreben, wie beispielsweise Kreuznacher Kultur- und Museumstage et cetera.

2 Durch Abgabe des Jugendamtes und die Aufgabe des Bäderhauses (oder kostendeckende Ausgestaltung der Eintrittspreise im Bäderhaus) könnten insgesamt rund 2 bis 2,3 Millionen Euro Einsparpotenzial kurzfristig realisiert werden.

Weiteres Sparpotenzial sehe ich bei der städtischen Personalpolitik. Durch mich wird es in den nächsten Jahren keine weiteren Stellenmehrungen mehr geben. Ich würde zu Beginn meiner Amtszeit eine Arbeitsbelastungs- und Stellenbedarfsanalyse in allen Bereichen der Verwaltung durchführen, wobei die Aufgaben- und Fallzahlenentwicklung der jeweiligen Teilbereiche der Verwaltungseinheiten mit der Entwicklung der Stellenzahlen der vergangenen acht Jahre abgeglichen würde.

3 Daraus würden sich gegebenenfalls Personalumsetzungen und Verschiebungen ergeben, welche bei stark belasteten Verwaltungseinheiten zu Personalzuteilungen führten, während weniger ausgelastete Verwaltungsbereiche Personal abgeben müssten. Insgesamt käme es hier zur Vermeidung weiterer Stellenmehrungen. Und der Grundsatz der sparsamen und bürgerfreundlichen Haushaltsführung würde beachtet.

Langfristige Verbesserungen der Finanzlage der Stadt könnten insbesondere auch durch eine aktive Wirtschaftsförderungs- und Unternehmensansiedlungspolitik erreicht werden, da so eine Mehrung der Gewerbesteuern entstehen würde und durch neue Arbeitsplätze ein höherer Anteil an Lohnsteueranteilen für die Stadt zu erwarten wäre.

Sabine Drees: Keine Verschwendung mehr

Die Antworten von CDU-Kandidatin Sabine Drees:

1 Die Antworten zu diesen beiden Fragen hängen eng zusammen. Freiwillige Leistungen können wir uns nur dann leisten, wenn wir aufzeigen, wie wir langfristig unseren Haushalt ausgleichen. Das ist zurzeit nicht in Sicht.

Unsere finanzielle Situation kann verbessert werden, wenn wir unsere Einnahmen erhöhen, durch die Gewerbesteuer und die Grundsteuer. Diese Einnahmen erhöhen sich beispielsweise durch Zuzug oder Erweiterungen von Unternehmen und Familien. Es ist wichtig, ein enges Band zwischen Stadt und Wirtschaft zu pflegen. Dadurch entstehen auch attraktive Arbeitsplätze, und die Anteile der Stadt an der Gemeinschaftssteuer Einkommensteuer erhöhen sich. Daraus ergeben sich wiederum Handlungsspielräume für freiwillige Leistungen.

2 Bad Kreuznach hat mit 21,6 Prozent einen außergewöhnlich hohen Anteil von Kinderarmut. Über die Rechtsansprüche hinaus können wir freiwillig mehr tun, um armen Kindern Zukunftsaussichten zu bieten. Auch andere Leistungen für den Sport und die Kultur müssten nicht mehr ständig auf den Prüfstand. Eine verschuldete Stadt wie Bad Kreuznach wird am Gängelband der Kommunalaufsicht geführt.

Nicht die Stadt, sondern die Kommunalaufsicht gibt grünes Licht für Einzelentscheidungen, etwa den Kauf des Sparkassengebäudes am Kornmarkt, den ich forcieren würde. Nicht die Kommunalaufsicht, sondern die Stadt kennt die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Bürgerinnen und Bürger. Deswegen müssen wir vor Ort eigenständige Entscheidungen treffen.

3 Sparen würde ich an unnötigen Ausgaben. Dabei setze ich auf eine gute Zusammenarbeit mit dem neuen Bürgermeister und Kämmerer Thomas Blechschmidt. Zurzeit durchforstet er gemeinsam mit dem Rat alle Ausgaben. Bad Kreuznach ist des Öfteren wegen öffentlicher Verschwendung aufgefallen. Das Fahrradparkhaus hat zu Recht Eingang in das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler gefunden. Auch andere Millionengräber belasten die Stadt.

Das Casinogebäude muss dringend fertiggestellt werden, allerdings steht die zukünftige Nutzung immer noch nicht fest. Damit laufen wir Gefahr, dass wir an der künftigen Nutzung vorbeisanieren. Dadurch können hohe Folgekosten entstehen. In Zusammenarbeit mit der Sparkasse Rhein- Nahe würde ich tragfähige Finanzierungslösungen mit einem Nutzungskonzept suchen. Auch falsche Entscheidungen könnten die Stadt teuer zu stehen kommen. Als Oberbürgermeisterin würde ich darauf achten, dass bei städtischen Bauten die Kosten nicht aus dem Ruder laufen und außerdem bürgerorientierte, rechtssichere Entscheidungen getroffen werden.

Die Oberbürgermeister-Wahl in Bad Kreuznach 2022
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