Oberhausen(Nahe)/Meddersheim

Nahe(r) Genuss, Teil acht: Sekte aus Deutschland sind weiter auf dem Vormarsch

Von Marco Gräff
Bis zu 2000 Flaschen werden bei Erzeuger Heiko Bamberger in Meddersheim auf den Rüttelpulten gleichzeitig zur Vollendung gebracht.
Bis zu 2000 Flaschen werden bei Erzeuger Heiko Bamberger in Meddersheim auf den Rüttelpulten gleichzeitig zur Vollendung gebracht. Foto: Marco Gräff

Deutschland gilt als der größte Schaumweinmarkt der Welt. 2,74 Millionen Hektoliter Sekt und Champagner wurden 2020 in Deutschland abgesetzt. Das sind rund 365 Millionen Flaschen. Vor allem an Festtagen und an Silvester wird besonders viel davon konsumiert. Wir haben uns dazu für unsere Serie in der Region bei einigen Erzeugern umgehört.

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Sekt kann man im Discounter und Supermarkt schon für weniger als 3 Euro je Flasche erwerben. Wenn man bedenkt, dass auf jede Flasche 1,02 Euro Sektsteuer erhoben wird, kann man sich vorstellen, dass da für einen guten Grundwein nicht viel übrig bleibt. Selbst namhafte Erzeuger aus Deutschland versekten in großen Tanks hektoliterweise Wein, der nicht einmal aus Deutschland sein muss. Die meisten Erzeugnisse deutscher Sekthäuser sind demnach keine deutschen Sekte. Legt man allerdings Wert darauf, kauft man seinen Festtagssekt beim regionalen Winzer.

Schon lange im Geschäft und doch noch recht unbekannt ist die Sektkellerei Stein in Oberhausen an der Nahe. Edith Schneider und Sohn Rainer führen das Wein- und Sektgut gemeinsam, welches schon seit 1801 Weinbau betreibt und in den 1960er-Jahren mit der Sektherstellung begonnen hat. Das Gut besitzt circa zwölf Hektar Rebfläche an der Nahe und in der Pfalz. Ein Drittel der Trauben geht in die Sektbereitung. Zurzeit werden die Sekte noch hauptsächlich im Tank vergoren.

Dafür kommt der fertige Grundwein zusammen mit Hefe und 24 Gramm Zucker je Liter Wein in den großen Drucktank. Eine zweite Gärung setzt ein. Es wird solange vergoren, bis die Hefe den Zucker komplett in Alkohol umgewandelt hat. Das dauert zwischen drei Wochen und drei Monaten. Der Vorteil der Tankvergärung liegt in der kostengünstigen Herstellung.

Dennoch können solche Sekte durchaus Charakter entwickeln, wie etwa der „Riesling extra trocken“ vom Sektgut Stein beweist. Durch ein langes Hefelager zeigt sich der Rieslingsekt sehr würzig und vollmundig, für die Rebsorte aber auch sehr cremig und untypisch karamellartig. Für 7 Euro ist er zu haben. Die „Cuvée Stein“ (Weißburgunder und Riesling) kommt eleganter daher. Rund, mit dem gewissen Kick, könnte er zu einem Bestseller avancieren, ein Sekt nach der Methode der traditionellen Flaschengärung.

Für den Silvester-Nachschub ist gesorgt: Rainer Schneider (rechts) vom Wein- und Sektgut Stein aus Oberhausen an der Nahe beim Abfüllen neuer Sekte.
Für den Silvester-Nachschub ist gesorgt: Rainer Schneider (rechts) vom Wein- und Sektgut Stein aus Oberhausen an der Nahe beim Abfüllen neuer Sekte.
Foto: Marco Gräff

Mindestens neun Monate muss der Sekt in der Flasche reifen, bis er degorgiert, das heißt von der Hefe getrennt wird. Dafür rüttelt man die Flaschen nach und nach langsam aus der Waagrechten kopfüber in die Senkrechte. Die Hefe sammelt sich im Flaschenhals und wird herausgeschleudert, wenn der Verschluss entfernt wird. Dann nur noch mit der sogenannten Dosage auffüllen – und der Sekt ist fertig.

Mit der Dosage bestimmt man die jeweilige Restsüße des Sekts. Bei einem Sekt entspricht trocken nicht einem trockenen Wein, sondern eher einem süßeren. Durch die prägnante Kohlensäure entsteht ein anderes Geschmacksbild. Wer also einen richtig trockenen Sekt trinken mag, greift besser zu einem „Brut“. Den bieten die Steins auch in der Neukreation „Charlie“ an. Es ist kein Sekt im klassischen Sinn, sondern einer, der nur mittels einer Gärung hergestellt wird (Méthode ancestrale). Dabei wird der Grundwein spontan im Fass oder Tank bis zu einem gewissen Restzuckergehalt vergoren. In die Flasche gefüllt, entsteht dann die typische Kohlensäure. Künftig will man aber verstärkt auf den Ausbau von flaschenvergorenen Sekten hinarbeiten, die qualitativ deutlich über den tankvergorenen Sekten liegen.

Ausschließlich Sekte aus traditioneller Herstellung gibt es in der S&M-Sektmanufaktur in Waldlaubersheim. Betriebsleiter Kai Maschtschenko ist kein unbeschriebenes Blatt in der Szene, zeichnete er doch jahrelang für die Erzeugung hochwertiger Sekte bei Volker Raumland in Flörsheim-Dalsheim verantwortlich. In seinem Betrieb wird heute hauptsächlich im Lohn für andere, auch namhafte Winzerbetriebe Sekt hergestellt, alle nach traditioneller Flaschengärung. Dass seit 2017 auch hochwertige Schaumweine unter eigenem Namen vermarktet werden, hat unter anderem den Grund, für Kunden attraktive Möglichkeiten aufzuzeigen. Die S&M-Sektmanufaktur ist zudem der einzige reine Sekthersteller an der Nahe.

Nahe(r) Genuss: Feinschmecker Marco Gräff widmet sich in unserer Serie dem, was gut ist.
Nahe(r) Genuss: Feinschmecker Marco Gräff widmet sich in unserer Serie dem, was gut ist.
Foto: RZ

Bis zu 500.000 Flaschen verlassen jährlich Waldlaubersheim. Alles wird in Flaschen in neun bis zu 60 Monaten vergoren. Man hält ein breites Spektrum an Sorten und Cuvées vor. So werden für jeden Geschmack Sekte von höchster Qualität angeboten, vom klassischen Riesling über Chardonnay, Weißburgunder hin zu Schwarzriesling. Das Flaggschiff aus dem Haus ist die „Grand Cuvée Dosage Zero“ – eine nach französischem Vorbild erzeugte Cuvée aus Schwarzriesling, Spätburgunder und Chardonnay. Im Barrique ausgebaut, zeigen sich in der Nase dezente Frucht und rauchig mineralische Noten. Am Gaumen findet sich eine frische Säure, eine feine Würze und leichte Bitternoten. Ein großer Sekt, der auch seinen Preis hat: 35 Euro werden dafür aufgerufen.

Etwas günstiger kommt der Blanc de Noir Brut nature ins Glas. Für 16 Euro bekommt man einen weiß gekelterten Schaumwein aus Cabernet Sauvignon. Ein kräftiger und zugleich frischer Sekt, der cremig die Aromen von gelben Früchten und etwas Holz vereint – etwas wirklich Besonderes und sehr zu empfehlen.

Am anderen Ende des Anbaugebiets hat Heiko Bamberger in Meddersheim seine Rüttelpulte stehen. Seit 40 Jahren steht das Wein- und Sektgut Bamberger für höchste Qualität. Grade in den vergangenen Jahren konnte Heiko Bamberger einige wichtige Preise einheimsen. Auch aktuell steht ein Bamberger-Sekt beim „Falstaff Sparkling Special“ ganz oben: der 2010 „Grande Réserve Decade“ Riesling brut nature. Mehr als 100 Monate lag der Ausnahmesekt auf der Hefe, bis er handgerüttelt und degorgiert wird. So entsteht ein Sekt, der weltweit jedem Vergleich standhält. Der Jahrgang 2009 hat es aktuell in das Buch „Die besten Weine Deutschlands“ (Gault Millau) geschafft. Diese Exklusivität kann man für 69 Euro erwerben.

Günstiger, aber mit dem gleichen Qualitätsanspruch, bietet Familie Bamberger vier weitere Sekte der Linien Tradition und Prestige an. Der „Blanc & Blanc brut“ (Riesling und Weißburgunder) genoss elf Monate den Kontakt mit der Hefe und ist mit 11,5 Prozent ein echtes Leichtgewicht. Mit viel Geschmack präsentiert sich die Cuvée spritzig, fruchtig und doch elegant im Glas.

Bis so ein eleganter Sekt in den Verkauf kommt, wird jede Flasche rund 50 Mal in die Hand genommen. Viel Arbeit steckt aber schon im Weinberg für einen herausragenden Sekt. Selbst in Steillagen wachsen die Grundweine. Begeistert schwärmt Bamberger für seinen Beruf. Und wenn er dann erzählt, dass mit versammelter Mannschaft grade am Mittag eine Flasche „Pinot Rosé brut nature“ wunderbar zu einer gebratenen Rehleber schmeckte, sieht man seine Augen noch heller leuchten.

Sekte aus Deutschland sind weiter auf dem Vormarsch. Und sie haben es verdient, neu entdeckt zu werden. Betriebe wie Familie Stein in Oberhausen oder Bamberger in Meddersheim erzeugen mit Liebe und Leidenschaft großartige Sekte. Deutscher Riesling-Sekt ist einzigartig – und Kai Maschtschenko bringt es auf den Punkt: „Wir in Deutschland können Sekt!“