Burg Layen

Markenbewusstsein und Kunden mit Profil: Pieroth schreibt in Burg Layen schwarze Zahlen und findet neue Wege

Von Rainer Gräff
Die Vertriebswege der Pieroth-Gruppe haben sich auch in der Pandemie bewährt, kann Vorstand Dr. Sebastian Potyka berichten.  Foto: Rainer Gräff
Die Vertriebswege der Pieroth-Gruppe haben sich auch in der Pandemie bewährt, kann Vorstand Dr. Sebastian Potyka berichten. Foto: Rainer Gräff

Sind Sie mehr der Typ samt und sinnlich, eher frisch und spritzig – oder doch herb und kräftig? Weinkunden der Pieroth AG mit Stammsitz in Burg Layen erfahren das neuerdings in speziellen Profil-Weinproben. Damit sollen sie gezielt angesprochen werden und auswählen können.

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Doch auch die anderen Vertriebswege der Erfinder der Weindirektvermarktung per Hausbesuch funktionieren noch – in Corona-Zeiten sogar online. „Und das bestens“, wie Vorstand Dr. Sebastian Potyka für die gesamte Pieroth-Weingruppe im Gespräch mit dem „Oeffentlichen“ erklärt. Unter seiner Leitung wurde in den vergangenen Jahren umstrukturiert und die Organisation gestrafft. Holding, AG, Betriebs- und Direktvertriebsgesellschaften, PSS Weinkellerei (Langenlonsheim, ehemals WIV) und nicht zuletzt das Stammweingut Pieroth in Burg Layen gehören dazu.

Das Weingut verweist auf eine Familientradition seit dem Jahre 1675, die seit 2018 wieder betont wird. Das Gut als Flaggschiff und Aushängeschild-Betrieb des Konzerns vermarktet nicht nur die eigenen Paradeweine bis zum Großen Gewächs, sondern bietet im Stammgebäude auch der Vinothek und im Obergeschoss der Holding-Verwaltungseinheit Platz.

Die einstigen großen Firmengebäude oberhalb des Weinguts wurden vor zweieinhalb Jahren im Rahmen der Umstrukturierung und Konsolidierung verkauft, heute ist dort für Pieroth nur noch die Vertriebseinheit Deutschland eingemietet. Nicht nur dieses Stück Vergangenheit wurde als Ballast abgestreift – sondern auch die Ereignisse von 1985, als der Glykol-Skandal auch die Pieroth-Gruppe erfasste und stark erschütterte. Vergangenheit sind ferner die Shops in den Städten.

Sebastian Potyka blickt in die Zukunft. Und auf die Gegenwart, in der Corona dem Unternehmen offenkundig kaum etwas anhaben konnte. Zwar fehlten auch Pieroth die Messen und zahlreichen üblichen Präsentationsmöglichkeiten bis hin zu den legendären Hausbesuchen der Direktvermarktungsberater. „Doch 2020 war trotz Corona extrem erfolgreich“, verkündet Potyka. 180 Millionen Euro Umsatz stehen zu Buche – über den Gewinn wird – traditionell – nicht gesprochen. Die Auftragseingänge waren „sehr gut“, das Geschäft insgesamt „coronafest“. Manager Potyka ist stolz: Das Unternehmen ist im dritten Jahr hintereinander hochprofitabel. Alle Teile sind im Ergebnis positiv: „Wir machen Profit und wachsen.“

Auch Pieroth Deutschland wachse wieder und sei die größte Vertriebseinheit der Gruppe. Dank neuer Wege: Nachdem die von Elmar und Kuno Pieroth 1953 „erfundenen“ Hausbesuche wegen Corona kaum noch möglich waren, gewann das Online-Geschäft an Bedeutung, so wie es viele deutsche Winzer für sich entdeckt haben. Der Wein wurde verschickt und der Berater kam per Internetschalte live ins Wohnzimmer. Die „Sitzungen“ wurden in einschlägigen Onlineportalen beworben und bewusst zu sehr günstigen Konditionen vermarktet. Was zählt, sind Kundengewinnung und Anschlussgeschäft. Das gilt aktuell auch für die eingangs erwähnten speziellen Profilseminare. Die eigene Internetseite bietet sie momentan für 19,90 statt 49,90 Euro pro Person an, und das in einem Kölner Café (demnächst auch in Frankfurt), weil wegen der großen Probenanzahl ein Versenden vorab nicht möglich ist.

Auf die Stammkunden baut Pieroth weiter mit seinem Sortiment von zwischen 100 und 150 Produkten aus Deutschland und vielen Teilen der Welt. In fünf Ländern gibt es eigene Gesellschaften. Einzig Japan wurde verkauft („Es passte von den dortigen Strukturen nicht“). Dort werden weiter Pieroth-Produkte in Lizenz gehandelt.

Derzeit zählt die Gruppe rund 1000 Beschäftigte, sagt Potyka. Er nennt Pieroth „ein sehr demokratisches Unternehmen: Wir bieten für jeden Anspruch und Geldbeutel etwas“. Das eigene Weingut, das 25 Hektar Rebflächen bewirtschaftet, hat sich ebenfalls auf den Weg gemacht. Nach und nach läuft der Umbau hin zum biologischen und ökologischen Betrieb. 2021 sei erstmals auf dem Einsatz von Herbiziden verzichtet worden. Die eigenen Pieroth-Weine folgen in ihren Bezeichnungen der Qualitätspyramide. VdP-Betrieb zu werden, ist aber kein Ziel und entspricht auch nicht der Struktur.

Von unserem Redaktionsleiter Rainer Gräff