Kirn. Ein Thema beschäftigt zurzeit viele Lehrer, Eltern sowie Kinder und Jugendliche. Am Montag, 27. November, wird der Kreistag über die Fortführung der Schulsozialarbeit entscheiden. Das Projekt, das seit einigen Jahren sehr erfolgreich durchgeführt wird, läuft Ende 2018 aus. Schüler, Eltern und Lehrer kämpfen um die Weiterführung der Schulsozialarbeit.
Die Kinder- und Jugendärzte an Nahe und Glan unter Federführung von Kinder- und Jugendarzt Dr. Bernd Zerfaß aus Kirn haben ebenfalls eine Stellungnahme zur Fortsetzung der Schulsozialarbeit abgegeben. Unter den mehr als 5000 Unterschriften, die Landrätin Bettina Dickes übergeben wurden, waren auch viele von Kirner Schulen und aus der Praxis von Dr. Bernd Zerfaß. Er hatte diese dem Schulelternbeirat nach Bad Kreuznach geschickt, um zu zeigen, dass man gemeinsam für die Schulsozialarbeit kämpft. Der Arzt ist zudem als Elternvertreter Mitglied in der Steuerungsgruppe Schulsozialarbeit, die sich regelmäßig in der Kreisverwaltung in Bad Kreuznach trifft. Wir sprachen mit Dr. Bernd Zerfaß über die Schulsozialarbeit und sein Engagement.
Warum ist für Sie als Kinder- und Jugendarzt die Schulsozialarbeit so wichtig?
Meine Kollegen und ich haben bei unserer Arbeit täglich mit Kindern zu tun, die in ihrem privaten und schulischen Leben nicht klarkommen. Die Kinder haben physische Beschwerden und Krankheiten. Sie und ihre Eltern wollen dann einen Ratschlag von uns. Das sind unter anderem Lernschwächen, chronische Kopf- und Bauchschmerzen, das Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätssyndrom, Angst, Mobbing und Schulverweigerung, um nur einige zu nennen.
In all diesen Fällen ist der Schulsozialarbeiter für uns häufig der erste Ansprechpartner, denn die Wartezeit bei einem Kinderpsychologen beträgt oft bis zu einem halben Jahr. Das ist viel zu lang, denn die Probleme müssen sofort angegangen werden.
Warum ist Ihrer Erfahrung nach Schulsozialarbeit so besonders wichtig?
Die Schulsozialarbeiter sind für mich, wie schon betont, der erste Ansprechpartner bei den genannten Problemen. Sie genießen bei den Kindern, den Eltern und den Lehrern großes Vertrauen, was eine Vermittlung zwischen allen Beteiligten oft sehr erfolgreich macht. Sie unterliegen außerdem der Schweigepflicht, und das ist für alle, die Hilfe brauchen, ganz besonders wichtig.
Ich kann immer wieder feststellen, dass sich die Symptome verbessern. Außerdem mache ich die Eltern in der Sprechstunde auch darauf aufmerksam, dass sie sich mit dem Schulsozialarbeiter in Verbindung setzen können. Viele denken zunächst nicht daran und sind dankbar für diesen Hinweis. Bei der Steuerungsgruppe Schulsozialarbeit sind die Vertreter des Jugendamtes und der Fachhochschule Köln sowie Lehrer, Eltern und Ärzte dabei, die sich um eine Weiterführung bemühen.
Reichen die Schulsozialarbeiter aus oder müsste es noch mehr geben?
Zunächst einmal wäre der Wegfall der Schulsozialarbeit in unserem Kreis eine Katastrophe für die Kinder und Jugendlichen. Und ja – meiner Meinung nach müsste es noch mehr geben. Die Stunden, beispielsweise an den Grundschulen im Kreis, sind äußerst knapp bemessen. Das sollte aufgestockt werden, denn die Probleme werden nicht kleiner. Von der Fachhochschule Köln wird die Schulsozialarbeit im Kreis Bad Kreuznach wissenschaftlich begleitet, und die konnte und kann den Bedarf ermessen. Die Studienergebnisse wurden veröffentlicht und liegen der Kreisverwaltung vor. Das Ziel sollte sein, dass jeder Jugendliche einen Schulabschluss macht, um in unserer Gesellschaft eine Zukunft zu haben. Das wurde auch vor den Wahlen betont. Dafür brauchen wir die Schiene der Schulsozialarbeit. Deshalb ist es auch gut investiertes Geld, denn wenn die Jugendlichen keinen Arbeitsplatz bekommen, muss doch der Staat zahlen.
Was müsste sich ändern?
Mit den Schulsozialarbeitern müsste man vor allen Dingen fairer umgehen. Bis dato haben sie das Pro-blem, dass sie nicht fest angestellt sind, sondern immer nur befristet. Das ist für eine Lebensplanung nicht besonders dienlich. Deshalb appellieren wir als Kinder- und Jugendärzte an die Kreismitglieder, am 27. November für die langfristige Weiterführung der Schulsozialarbeit zu stimmen.
Das Gespräch führte Rosemarie Hartung