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Kirner Land

Fragen über Fragen im Kirner Land: Ein langer Weg bis zum kommunalen MVZ

Von Armin Seibert
Große Runde mit 40 Teilnehmern im VG-Sitzungssaal ohne Maskenzwang. Thomas Jung (links stehend) und Frank Ensminger hatten ihre Haupt- und Finanzausschüsse in Sachen MVZ geladen. Zu wenig Info wurde beklagt, aber dafür sei man ja jetzt versammelt, sagte Jung. Man müsse handeln und dürfe nicht weiter warten. Wenn die Diakonie mitziehe, umso besser.
Große Runde mit 40 Teilnehmern im VG-Sitzungssaal ohne Maskenzwang. Thomas Jung (links stehend) und Frank Ensminger hatten ihre Haupt- und Finanzausschüsse in Sachen MVZ geladen. Zu wenig Info wurde beklagt, aber dafür sei man ja jetzt versammelt, sagte Jung. Man müsse handeln und dürfe nicht weiter warten. Wenn die Diakonie mitziehe, umso besser. Foto: Armin Seibert

MVZ. Drei Buchstaben, kleine Abkürzung, aber eine große Sache für die Stadt und die Region Kirner Land. Das MVZ, ein Medizinisches Versorgungszentrum, soll die drängende und sich noch verschärfende Hausarztproblematik in Kirn und der Region lösen oder mildern. Fragen über Fragen.

Lesezeit: 5 Minuten
Auf die wichtigste und drängendste Frage gab es ein deutliches Ja. Einstimmig beschlossen die Haupt- und Finanzausschüsse von Stadt Kirn und VG Kirner Land in ihrer Sitzung im Sitzungssaal der Verbandsgemeinde, das MVZ grundsätzlich anzuschieben. Viele Fragen, die in zweieinhalb Stunden im Beisein von Anja Otten (Betriebsberaterin der KV) und ...
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Kommentar zum Ärztemangel im Kirner Land: Keine schnelle Lösung in Sicht?

Wasch mich, aber mach mich nicht nass! Der alte Spruch passt bei der Hausarztdiskussion in Kirn wie die Faust aufs Auge. Der Mangel war schon vor zehn Jahren absehbar, wurde an runden Tischen und mit Projekten von Land und KV propagiert. Und verlief im Sande. Ganz plötzlich schlug es dann in Kirn auf. Dr. Wischmann hörte auf, 1500 Patienten standen im Regen.

Drei Jahre zuvor machte man sich in der Stadt noch über Hochstetten-Dhaun lustig, wo der Rat einstimmig (!) der Idee folgte, zu investieren, einen Arzt zu überzeugen und aufs Land zu holen und zu binden, für ihn eine Praxis nach Maß einzurichten. Die Investition trägt sich. Heute lacht keiner mehr. Hausärzte fehlen landesweit, beklagt die KV, die eigentlich die Verteilfunktion gegen „Ärzteschwemme“ hat und sich im Umkehrschluss keine fertigen Mediziner „backen“ kann. Zumal nicht solche wie es Heribert Schöll mit nahezu 2000 Scheinen einer war, der Tag und Nacht für Patienten unterwegs war. Heute macht das keiner und keine mehr. Ärztinnen könnten das mit Familie und Kindern nicht, nimmt Dr. Peter Jungblut die Kolleginnen in Schutz.

Denen sagen viele nach, sie hätten nur ihre Work-Life-Balance“ im Sinn und nicht das Patientenwohl. Wer es sich aussuchen kann, wann und wo er praktiziert, der tut's. Da kann man in Kirn noch so sehr beklagen, Hausärzte vom alten Schlag würden aussterben. Ja, sie tun's.

Bei Thomas Jung und Frank Ensminger laden Bürger ihren Frust ab, beklagen: Ihr tut nix! Beide sollen Versäumnisse ihrer Vorgänger jetzt schnellstens bereinigen. Das funktioniert nicht mit Schnellschüssen aus der Hüfte. Da sind alle gefordert, die gewählt sind. Dass Informationen spärlich flossen, ist Fakt. Aber es gab sie teils schlichtweg nicht.

So erfuhr Thomas Jung am Dienstag nebenbei: Es sind nicht 2,5 sondern drei freie Hausarztstellen, übermorgen vielleicht 3,5 oder 4. Der Rat hat das Recht, zu fragen, klar. Einer wie Jörg Schäfer, der als Landwirt seine Kalkulation genau kennt, ehe er investiert, darf und muss knallhart nachfragen. Jetzt ist Druck auf dem Kessel. Der wird mit Krankenhausdebatte und Rettungswache noch steigen. Gemeinsam mit der Kommune was schaffen, wünscht sich KV-Betriebswirtin Otten.

Für mich gehört die Diakonie mit ins Boot. Sie hat einst das Krankenhaus für 1 Mark übernommen. Von 15 Millionen Euro Landeszuschüssen ist die Rede. Das Krankenhaus aber wurde ausgedünnt, von der Bürkle-Stiftung bezahlte Geräte gingen nach Kreuznach. Die Diakonie braucht das Kirner Haus jetzt als „Parkplatz“, wenn in Kreuznach saniert werden muss.

Das reicht den Kirnern nicht. Die Diakonie hätte mit dem Abriss des baufälligen alten Verwaltungsgebäudes, wo die Bereitschaftsdienstzentrale fünf Jahre lang saß, eine schnelle Lösung. Vielleicht gelingt der Kommune, VG und dem Kreis mit der Diakonie ein Modell: Altbau abreißen, Container wie am Kirner Bahnhof aufstellen, Rettungswache ausbauen, Bereitschaftsdienstzentrale einrichten (wie von Diakonie angeboten), MVZ einrichten, Parkplätze schaffen. Alles klar? Klingt einfach. Zu einfach.

MVZ im Kirner Land: Die Faktenlage

Drohende Krankenhausschließung trotz Zusage des Landes, das Kirner Haus sei unverzichtbar, drohender Abzug der Rettungswache, versprochenes Landesprojekt (ZUG) als Modell für Hausarztversorgung und Krankenhausnachsorge vor allem für Senioren. Gegen den Ende 2021 wuchtig aufgeschlagenen Hausarztmangel sind das kleine Fische.

In der gemeinsamen Ausschusssitzung ließ Bürgermeister Thomas Jung die Fakten und Daten Revue passieren: Im Herbst 2021 kündigt Dr. Berno Winschmann die Schließung seiner Hausarztpraxis an. Am 10. November gab es ein Gespräch unter anderem mit KV in Sachen Patientenübernahme durch andere Hausärzte, eine Diskussion über die Eröffnung von Zweitpraxen, Telemedizin. Am 24. November dann ein Gespräch mit Hausärzten und KV. Viele gute Ideen gab es unter anderem von Michael Kloos (Datenschutzbeauftragter der Landeskrankenhäuser) und Dr. Peter Jungblut (früher Diakonie-Chefarzt Kirn).

Suche nach interessierten Ärzten, die in einem MVZ angestellt werden möchten. Bei Kaffee und Kuchen habe man (Jung und Ensminger) die Ärztin kennengelernt, die die Verantwortung übernehmen will. Des Weiteren gibt es jetzt zwei weitereÄrzte mit Interesse, angestellt zu werden und darüber hinaus Kirner Ärzte im Ruhestand, die stundenweise helfen möchten. Die Lage ändere sich praktisch täglich, sagte Jung. Auch für ihn gab's am Dienstag neue Fakten. Er war von einem Hausarztfehlbedarf von 2,5 Stellen für Kirn ausgegangen. KV-Betriebswirt Robin Sann informierte (per Videochat), dass es aktuell drei sind. Also 20 Prozent mehr. In Kreuznach fehlten 8,5 Arztstellen, sagte KV-Sprecherin Anja Otten dazu. Also mehr als in Kirn.

Kreuznach hat aber sechsmal so viel Einwohner wie Kirn. Umgerechnet wäre Kreuznach also noch doppelt so gut dran, von Fachärzten und Krankenhäusern ganz zu schweigen, hieß es im Auditorium zur KV-Argumentation. Viele Arbeits- und Rechenmodelle schufen Hendrik Brötzmann (VG-Wirtschaftsförderung) und Michael Kloos zusammen mit der KV. Otten stellte eine Grobkalkulation vor mit 1,5 Vollzeitstellen. Von Gewinn, wie ihn VG-Beigeordneter Hans Helmut Döbell gerne anstreben würde und für möglich hält, war nicht die Rede. Anschubmitfinanzierung könnte von dritter Seite kommen. Die Bürkle-Stiftung wurde zwar mit keinem Wort genannt, aber im Saal interpretierte man den Hinweis so.