Gebürtige Ukrainerin vermittelt auch Unterkünfte an Geflüchtete aus ihrer alten Heimat
Antonia Jung aus Wolfstein sammelt Spenden: Gebürtige Ukrainerin vermittelt auch Unterkünfte
Putin lässt Kiew, die Heimatstadt Antonia Jungs, bombardieren. Die Bevölkerung sucht im Untergrund Schutz vor den Bomben und Raketen. Ihr fehlt es an Wasser, Nahrungsmitteln und Verbandszeug. Foto: dpa
picture alliance/dpa/AP

Antonia Jung betreibt den Campingplatz am Königsberg in Wolfstein gemeinsam mit ihrem Mann Achim Jung. Die gebürtige Ukrainerin wuchs in Kiew auf und lebt schon seit 22 Jahren in Deutschland. Seit ihr Heimatland von Russland bombardiert wird, ist ihr Alltag ganz anders als gewohnt.

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Putin lässt Kiew, die Heimatstadt Antonia Jungs, bombardieren. Die Bevölkerung sucht im Untergrund Schutz vor den Bomben und Raketen. Ihr fehlt es an Wasser, Nahrungsmitteln und Verbandszeug. Foto: dpa
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Ihre Eltern, die Schwester und Neffen leben nur 20 Minuten von Kiew entfernt. Und Antonia Jung muss helfen, handeln, sammelt Spenden für die Bedürftigen und organisiert Hilfstransporte. Die sollen die Ukraine über einen sogenannten grünen Korridor erreichen. In diesem, so haben es die Kriegsparteien vereinbart, können die Hilfstransporte sicher in die Ukraine einfahren. Nach etwa zehn Kilometern übergeben sie dann die Waren vor Ort. Das soll sicherstellen, dass die Hilfsgüter nicht unnötig lange an der Grenze verharren und genau dort hinkommen, wo sie dringend benötig werden.

Steuerraketen töten Zivilisten

„Ich habe gerade mit meiner Familie telefoniert. Gestern war die Stimmung noch hoffnungsvoll, heute klangen sie panisch. Die Angst steigt“, erklärte Antonia Jung am Freitag besorgt. Die Internetverbindung konnte dank des Starlink-Satelliten aufrecht gehalten werden, und sie bekam ständig neue Informationen von ihren Angehörigen. Doch seit Freitag funktioniert diese Verbindung nicht mehr einwandfrei, sodass sie allzu oft gar keinen Kontakt mehr zu den Menschen im Kriegsgebiet herstellen kann.

Die Campingbetreiberin schildert schreckliche Kriegsszenarien: „Putin wird immer aggressiver. Die schießen Bomben ab, die zehn Meter über dem Boden weitere Sprengköpfe abfeuern. Die Frauen trauten sich, mit ihren Kindern auf einen Spielplatz zu gehen, um etwas Abwechslung zu haben. Sie sitzen ja seit vielen Tagen in Verstecken. Da kam eine dieser Raketen – wir nennen sie ‚Streuerraketen’ –, und alle auf dem Spielplatz sind getötet worden. Es waren 20 Kinder.“

Weiter berichtet sie „Es sind mehr als 10.000 tschetschenische Streitkräfte im Land. Sie sind besonders brutal, haben keine Skrupel, jemandem mit dem Messer die Kehle durchzuschneiden. Man erkennt sie gut. Es sind große Männer mit breiten Schultern, und sie sind komplett in Schwarz gekleidet.“ Die zivile ukrainische Bevölkerung verstecke sich in ihren Kellern. Die Menschen drohten zu verhungern und zu verdursten, denn die Infrastruktur ist zerstört.

Antonia Jung steht in einem ihrer Campinghäuser. Es ist das zweite Haus, das sich mit Spenden füllt. Foto: Helena Kreischer
frei privat

Verbandsmaterial wird gebraucht

Etwa 300.000 Menschen haben ihre Heimat verlassen und flüchten Richtung Westen. In den nächsten Tagen werden die ersten auf dem Campingplatz in Wolfstein erwartet. Es sind „Bekannte von Bekannten von Bekannten“, die Familie Jung aufnehmen wird. Aber sie sind nicht die Einzigen. Weitere Flüchtlinge sind auf dem Weg in die Region. Sie werden von Wolfstein aus an private Unterkünfte verteilt. Antonia Jung führt bereits eine Liste mit Freiwilligen, die in der Lage sind, jemandem bei sich Unterschlupf zu gewähren.

„Als ich anfing, Spenden zu sammeln und mich einzusetzen, stieß ich zunächst auf Skepsis. Die deutsche Bevölkerung geht kritisch mit den Medien um. Sie wussten nicht, ob man den Nachrichten noch trauen kann. Viele sind seit der Pandemie wohl sehr verunsichert. Ich erhielt Anrufe – Dutzende – was das soll, was ich hier tue. Aber jetzt hört das Telefon nicht mehr auf zu klingeln, weil die Menschen aktiv helfen möchten und verstehen, wie wichtig das ist“, erläutert Jung.

Geplant war es, einen Transporter am Freitag loszuschicken. Dank der großen Spendenbereitschaft mussten sie aufstocken. Schließlich waren es vier Transporter, gefüllt mit Notwendigkeiten, die sich auf die Reise machten. „Alle Spenden kamen aus privaten Haushalten, dem Kindergarten und der Schule. Ich mache Videos für meine Verwandten, zeige ihnen, wie wir uns kümmern, damit die Hoffnung nicht stirbt. Sie freuen sich über die Hilfe, die Anteilnahme“, erklärt Jung.

Auf die Frage, wie man sie unterstützen kann, kommt eine klare Antwort: „In erster Linie werden Verbandssachen benötigt. Die Menschen verbinden ihre verletzten Gliedmaßen mit abgerissenen Bettlakenfetzen. Sie brauchen frei verkäufliche Arzneimittel, zum Beispiel Wundsalbe, Ibuprofen, Paracetamol. Das Mindesthaltbarkeitsdatum spielt hierbei keine Rolle. Ein Verband ist auch nach Ablauf dieses Datums zu gebrauchen, und Arzneimittel können auch noch verwendet werden. Lebensmittel und vor allem Wasser, sind dringend erforderlich. Wer die Möglichkeit hat, geflüchteten Personen eine Unterkunft zu gewähren, kann sich gern melden.“

Da Antonia Jung bereits viele entsprechende Anfragen erreicht haben, möchte sie noch hinzufügen, dass sie keinerlei Bezahlung für die Aufnahme von Flüchtlingen anbieten kann. Hierfür müsse man sich bei den zuständigen Behörden informieren.

Spenden können abgegeben werden beim Campingplatz am Königsberg, Am Schwimmbad 1, Wolfstein, Telefon 06304/4143. Spendenkonto: Nassauische Sparkasse, IBAN DE47 5105 0015 0870 1258 95.