Kreis Birkenfeld. Der Prozess am Landgericht Neubrandenburg um die zu Tode gefolterte Sarah H. aus Fischbach, die 2011 durch eine Kuppelshow auf Sat.1 bekannt geworden war, ist nach viereinhalb Monaten vorerst geplatzt. Der Haftbefehl gegen den 53 Jahre alten Angeklagten Axel G., der seit 2016 hinter Gittern saß, sei aufgehoben worden. Begründung des Landgerichts: Von dem Mann gehe keine Gefahr aus.
Grund für das Platzen des Prozesses: die längere Erkrankung eines Richters und die Pensionierung von Carl Christian Deutsch, eines weiteren Richters der Schwurgerichtskammer, wie ein Sprecher des Landgerichts am Dienstag erklärte. Damit wird ein dritter Prozess in dem aufsehenerregenden Fall nötig.
Der 53-jährige Axel G. soll seine Lebensgefährtin im Sommer 2016 in seinem Haus in Alt Rehse bei Neubrandenburg im Streit nackt an ein Bett gefesselt und mit einer Peitsche misshandelt haben. Danach ließ er die 32-jährige Frau, die er im Internet kennengelernt hatte und die aus Fischbach im Kreis Birkenfeld zu ihm gezogen war, laut Staatsanwaltschaft weiter gefesselt liegen, wo sie Hunger und Durst litt und später starb.
Der Mann hatte angegeben, sich verfolgt zu fühlen. Ihre Leiche wurde erst Wochen später durch Zufall – die Beamten waren zum wiederholten Male wegen Ruhestörung zum Haus des Angeklagten gerufen worden – gefunden: Sarah H. war in Malervlies gewickelt auf eine Sackkarre geschnallt und soll etwa zwei Monate vorher gestorben sein, wie Gerichtsmediziner später angaben. Die genaue Todesursache blieb unklar.
Der IT-Fachmann war in einem ersten Prozess im März 2017 wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Freiheitsberaubung mit Todesfolge zu fünf Jahren Haft verurteilt worden – für viele ein zu mildes Urteil. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil in einer Revision auf und ordnete die Neuverhandlung an. Der psychische Zustand des Mannes zur Tatzeit sollte genauer geprüft werden. Seit April war nicht öffentlich verhandelt worden. Zu den Zeugen, die bereits gehört wurden, zählt auch Hans-Walter Rienhardt, der Direktor des Idar-Obersteiner Amtsgerichts: Dort hatte der Angeklagte am 23. Dezember 2015 einen sehr fragwürdigen und aggressiven Auftritt.
Ein psychologisches Zwischengutachten liegt mittlerweile vor: Die Gutachterin kommt nach vielen Gesprächen und Analysen zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte nicht psychisch krank sei. Deutsch betonte auf Nachfrage unserer Zeitung, dass aus Sicht des Gerichts keinerlei Fluchtgefahr besteht. Der Angeklagte habe zwei Jahre in Untersuchungshaft gesessen, eine höhere Strafe als fünf Jahre könne er im nächsten Prozess ohnehin nicht erhalten. Die zu erwartende Freiheitsstrafe sei insofern überschaubar.
Auf die Frage, inwieweit einzuschätzen sei, dass vom Angeklagten eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgehe, antwortete Deutsch: „Ich sage nicht, dass von ihm keine Gefahr ausgeht.“ Er habe Axel G. allerdings nun häufig vor Gericht erlebt und komme persönlich ebenfalls zu der Erkenntnis, dass der Mann nicht psychisch krank sei.
Der Idar-Obersteiner Rechtsanwalt Damian Hötger, der die Nebenklage vertritt und bei vielen Terminen beim zweiten Prozess vor Ort dabei war, kommentiert die aktuelle Entwicklung: „Der Fall wurde sehr akribisch aufgearbeitet. Manches, was eigentlich schon vorher in der Ermittlungsarbeit zu leisten gewesen wäre, folgte erst jetzt. Es gab mehr Termine als geplant: Und die zogen sich in die Länge. Es gab einen Ersatzrichter. Dass dieser erkrankt ist, kann man niemanden vorwerfen. Der Prozess hätte theoretisch bis Jahresende durch sein können.“
Er könne nachvollziehen, dass die Nachricht, der Angeklagte sei nun wieder auf freiem Fuß, für manche ein Schock sei: „Aber auch für diesen Mann gilt die Unschuldsvermutung.“ Hötger geht davon aus, dass im März 2019 der Start für den neuen Prozess erfolgt: Er selbst werde weiterhin die Nebenklage vertreten.
Von unserer Redakteurin Vera Müller