Kreis Birkenfeld

Nächtliche Ausgangssperre kommt: Landrat Schneider appelliert in offenem Brief an Bürger

Die Zweittermine für Impfungen in der Messe werden seit Donnerstag wahrgenommen: Prof. Dr. Hermann Klein (links) im Gespräch mit dem 80-jährigen Dieter Hahn aus Idar-Oberstein. Im Hintergrund: Sina Leyendecker, Koordinatorin des Impfzentrums des Landkreises Birkenfeld, und Landrat Matthias Schneider Foto: Manfred Greber
Die Zweittermine für Impfungen in der Messe werden seit Donnerstag wahrgenommen: Prof. Dr. Hermann Klein (links) im Gespräch mit dem 80-jährigen Dieter Hahn aus Idar-Oberstein. Im Hintergrund: Sina Leyendecker, Koordinatorin des Impfzentrums des Landkreises Birkenfeld, und Landrat Matthias Schneider Foto: Manfred Greber

Mit einer nächtlichen Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr reagiert die Kreisverwaltung Birkenfeld auf die weit überdurchschnittlichen Corona-Inzidenzraten im Kreis Birkenfeld: Diese Beschränkung ist das Herzstück einer Allgemeinverfügung, die in der Samstagausgabe der NZ veröffentlicht wird und am Sonntag, 31. Januar, in Kraft tritt.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige
Da die Sieben-Tage-Inzidenz im Kreis seit dem 21. Januar kontinuierlich deutlich über 200 liegt, besteht Handlungsbedarf. Einig sind sich Landrat Matthias Schneider und die hauptamtlichen Bürgermeister im Kreis darin, dass eine Verschärfung der Vorschriften und weitere Verbote zwar zu einer Reduzierung der Ansteckungsgefahr beitragen können, es bei der Bewältigung der Pandemie aber vor allem auf das Bewusstsein und die Vernunft der Bevölkerung ankommt. „Reduzieren Sie Ihre Kontakte, ob im Arbeitsleben, beim Einkaufen oder in der Freizeit, auf das unvermeidliche Minimum“, ruft Schneider auf: „Dies ist das wirksamste Mittel gegen die Ausbreitung der Pandemie.“

Zudem erschwere jeder zusätzliche Kontakt außerhalb der engsten Familie die Kontaktnachverfolgung durch das Gesundheitsamt, das die persönlichen Begegnungen in Zukunft wieder für die zurückliegenden zwei Wochen statt für zwei Tage nachverfolgt, wie es die Allgemeinverfügung dann zulässt.

Einschränkungen gibt es auch für abendliche Liefer- und Bringdienste. Neben privaten Feiern haben sich auch Seniorenheime und Zusammenkünfte einzelner Glaubensgemeinschaften als Hotspots erwiesen – im Gegensatz zum Frühjahr, als Besuche bei Heimbewohnern und Gottesdienste lange untersagt waren. „Wir wissen, wie wichtig es für die älteren Menschen ist, nicht zu vereinsamen, und was vielen die Religionsausübung bedeutet“, zeigen die hauptamtlichen Kommunalpolitiker einerseits Verständnis für die Lockerungen. Andererseits „können wir die Seuche nicht erfolgreich eindämmen, wenn Mitbürger nicht bereit sind, in einem vertretbaren Rahmen Verzicht zu üben“.

Neben der Reglementierung auf eine maximal einstündige Visite pro Tag sei es unerlässlich, dass jeder, der ein Pflegeheim besucht, von Corona-Schnelltests Gebrauch macht, um nicht das Leben eines Angehörigen und anderer Bewohner zu gefährden. Auch Gottesdienste mit vielen Teilnehmern auf engstem Raum müssten vermieden werden, „bevor ein Verbot wieder als unumgänglich erachtet wird“.

Schneider wendet sich zudem mit einem offenen Brief, der der NZ vorliegt, an die Bürger im Kreis: „Das sind Maßnahmen, die natürlich kaum Freude auf allen Seiten bereiten. Die eingehende Sondierung unserer Infektionslage lässt diesen Schritt aber als geeignet, verhältnismäßig und erforderlich erscheinen, um das Infektionsgeschehen weiter einzudämmen.“ Allein mit dem von einem Virusausbruch betroffenen Seniorenheim in Idar-Oberstein, wie oft unterstellt, oder mit den amerikanischen Streitkräften lasse sich die verschärfte Lage im Kreis nicht erklären.

Auch die Inzidenzwerte für die einzelnen Verbandsgemeinden und die Stadt-Idar-Oberstein seien im landesweiten Vergleich viel zu hoch: „Da dürfen wir uns nicht von dem bundesweiten Rückgang der Inzidenzwerte blenden lassen, der Gott sei Dank eingetreten ist. Das Erreichen von Sieben-Tage-Inzidenzwerte unter 50 ist bundesweit ein wichtiges und auch richtiges Ziel. Den Diskussionen der vergangenen Tage in den öffentlichen Medien konnten Sie auch entnehmen, dass die Corona-Mutationen mit großer Sorge beobachtet werden. Auch unser Gesundheitsamt hat vor mehreren Tagen bereits Proben an die Labore geschickt, um Untersuchungen auf Mutationen durchzuführen. Gerade wo eine erste Entdeckung im Nachbarlandkreis St. Wendel aufgefallen ist, ist die Annahme nicht abwegig, dass derartige Mutationen auch bereits unter uns grassieren“, sagt Schneider.

Die hauptamtlichen Bürgermeister und er als Landrat stünden wenigstens zweimal in der Woche über eine Telefonkonferenz in Kontakt, um das Lagebild zu beleuchten und die weitere Vorgehensweise zu beraten. Das Impfgeschehen baue in Rheinland-Pfalz auf einem Dreisäulenmodell auf: die Krankenhäuser, die Seniorenheime und ambulanten Pflegedienste und die zentralen Impfzentren. Dementsprechend seien auch die Zuständigkeiten unterschiedlich: „Unser Impfzentrum ist also nicht für das Impfgeschehen in den Seniorenheimen zuständig.“

Es bleibe zu hoffen, dass man mit dem nun bald aufziehenden Frühjahr und dann ab nächstem Monat ausreichend verfügbarem Impfstoff in der Infektionslage eine entscheidende Entspannung bekomme und dann bis zum Spätsommer eine weite Teile der Bevölkerung erfassende Immunisierung erreicht habe: „Denn wer sehnt sich nicht danach, einfach im Kreis der Freunde und Bekannten mal wieder abends in der gewohnten Stammkneipe gemütlich ein Bier zu trinken? Ich tue es“, wird Schneider emotional.