Kreis Birkenfeld

Landrat: Corona-Krise ist ein Belastungstest für den Gesellschaftscharakter

Landrat Matthias Schneider &nbsp; Foto: Kreisverwaltung Birkenfeld<br>
Landrat Matthias Schneider   Foto: Kreisverwaltung Birkenfeld

Landrat Matthias Schneider wendet sich in der Corona-Krise mit einem Appell an die Bürger des Landkreises Birkenfeld und bittet dabei auch um Verständnis, wenn es mancherorts hakt. Hier der Wortlaut:

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„Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, eigentlich hatten wir uns alle nach diesem regenreichen Winter auf die schönen Seiten eines unbeschwerten Frühlings gefreut. Die Pandemie durch das Coronavirus hat jedoch nunmehr ganz Europa erfasst. In ganz Deutschland sind Stand Dienstagabend etwa 7700 Infektionsfälle bekannt, davon etwa 435 allein in Rheinland-Pfalz. Wir müssen davon ausgehen, dass wir erst am Anfang einer sich stark ausweitenden Entwicklung stehen, was noch weitere einschneidende Maßnahmen für das öffentliche Leben nach sich ziehen wird. So gehen Bund und Länder davon aus, dass wir in den nächsten Tagen von bis zu 31.000 infizierten Menschen in Deutschland sprechen.

Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wie lange uns diese Pandemie noch in Atem halten wird. Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen jedoch, dass uns mit großer Wahrscheinlichkeit ein schlagartiger Anstieg weiterer Infektionsfälle in den kommenden Wochen bevorsteht. Insofern sind die von Bundesregierung und Landesregierung jetzt getroffenen Anordnungen nachvollziehbar. Wir Landräte stehen alle zwei bis drei Tage durch Telefonkonferenzen mit der Landesregierung im Austausch. Derartige Pandemielagen sind uns seit Bestehen der Bundesrepublik noch nicht begegnet, und für uns alle ist es in diesen Stunden ein ständiger Lernprozess. Was gestern noch Gültigkeit hatte, gilt heute schon oft nicht mehr. Trotzdem arbeiten alle Behördenebenen auf Hochtouren an einer belastbaren Regelungslage. Allmählich schärft sich das behördliche Regelungsbild, weswegen ich mich erst heute an Sie wende.

In den vergangenen Tagen haben uns einschneidende Anordnungen der Landesregierung erreicht, die wir als Landkreise nunmehr in sogenannte Allgemeinverfügungen umsetzen müssen. Diese sind im Wortlaut auf der Internetseite des Landkreises (www.landkreis-birkenfeld.de) nachzulesen. Bitte gehen Sie davon aus, dass diese im Zweifelsfall auch polizeilich durchgesetzt werden. Im Grunde ist es auch der Belastungstest für den Gesellschaftscharakter, der sich in unserer Bundesrepublik ausgebildet hat. Und jeder Einzelne von uns trägt für das solidarische Miteinander große Mitverantwortung.

Schweren Herzens habe ich am Dienstag zwei Allgemeinverfügungen unterzeichnet, die das täglich gewohnte Miteinander bis zum 19. April drastisch einschränken werden. Noch vor wenigen Tagen hatten wir eine Allgemeinverfügung erlassen, die Veranstaltungen von mehr als 75 Personen untersagt hat. Dies gilt jedoch ab dem 18. März schon nicht mehr. Nach der neuen Anordnungslage der Landesregierungen werden ab Mittwoch alle Arten von Veranstaltungen untersagt. Die neue Regelungslage greift sogar bis ins Vereinsleben hinein. Zusammenkünfte in Vereinen werden verboten. Selbst Spielplätze werden geschlossen, und auch der Sportbetrieb auf allen öffentlichen und privaten Sportanlagen hat zu unterbleiben. Sie werden ebenso auf ihren lieb gewonnenen Besuch in Fitnessstudios oder Saunen verzichten müssen. Die Öffnungszeiten für Gaststätten und Restaurants werden auf den Zeitraum von 6 Uhr morgens bis 18 Uhr abends eingegrenzt.

Auch weitreichende Schließungen von Geschäften stehen bevor. Das betrifft weniger Artikel des täglichen Bedarfes, die der Grundversorgung der Bevölkerung dienen. Von der Schließung sind beispielsweise nicht betroffen Lebensmittelgeschäfte, Wochenmärkte, Apotheken, Drogerien, Tankstellen, Banken et cetera. Hingegen werden bis zum 19. April Verkaufsstellen für Lebensmittel, Getränke, Sanitätsbedarf, Drogerieartikel, Bau- und Gartenbaubedarf, Zeitungen und Tierbedarf auch sonn- und feiertags von 12 bis 18 Uhr geöffnet sein.

Auch das Betreten von Krankenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen ist einschränkenden Regelungen unterworfen worden. Das gilt für sogenannte Kontaktpersonen der Kategorien I und II nach der Definition des Robert-Koch-Institutes. Damit sind Personen mit einem höheren und geringeren Infektionsrisiko gemeint. Es reicht also bereits, wenn Sie sich jüngst in einem sogenannten Risikogebiet aufgehalten haben. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle Einzelreglungen darzustellen. Bitte informieren sie sich auf der Internetseite der Kreisverwaltung. Dort finden Sie diese Allgemeinverfügungen im Wortlaut.

Unser Gesundheitsamt arbeitet seit Tagen bis in die späten Abendstunden auf Hochtouren. Zusammen mit unserem Katastrophenschutzreferat wird hier vorbildliche Arbeit geleistet. Die permanent hohe Auslastung des Teams um die Leiterin des Gesundheitsamtes, Diana Thiel, erlaubt es jedoch leider nicht, sofort auf jeden Einzelbelang einzugehen. Dafür bitte ich einfach um Verständnis. Dieser Engpass ist leider derzeit landesweit gegeben. Wir haben jetzt zwei mobile Erfassungseinheiten zusammen mit der SEG (Schnelleinsatzgruppe als Sanitätsdienst des Landkreises) auf die Straße gebracht, die den Meldungen der Hausärzte auf vielleicht infizierte Personen nachgehen. Diese mobilen Erfassungseinheiten kommen zu Ihnen nach Hause, um dort die Proben zu nehmen. Leider können die Laborkapazitäten zur Untersuchung der Proben in Rheinland-Pfalz zurzeit am stark wachsenden Bedarf nicht mithalten. Diana Thiel hat es jedoch geschafft, an anderer Stelle weitere Kapazitäten aufzutun. Wir erhoffen uns zum Wohl der Betroffenen wie auch zur Effizienzsteigerung im System deutliche Vorteile gegenüber vielfach geforderten stationären Einrichtungen.

Es lässt sich derzeit nicht einschätzen, wie lange uns das Thema Coronavirus noch derart einschränken wird. Für uns alle, die wir bislang aufgrund unseres Grundgesetzes weitreichende individuelle Freiheiten genießen konnten, ist es eine ganz neue Erfahrung, die uns nach meiner Einschätzung bis in die Sommermonate noch begleiten wird. Auf das sich dann wieder entfaltende gesellschaftliche Miteinander bei uns im Hunsrück freue ich mich jedoch heute schon.“