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Für die Industrie gibt es kaum Anreize, Trinkwasser zu sparen – Vortrag am Umwelt-Campus Birkenfeld

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Freuten sich über viele Zuhörer beim Vortrag zum drohenden Wassernotstand in Deutschland: (von links) Prof. Stefan Naumann (Umwelt-Campus), Monika Karl (BUND), Uwe Ritzer und Moderator Thomas Brodbeck. Foto: Rainer Scriba

Der mehrfach preisgekrönte Autor Uwe Ritzer berichtete im Umwelt-Campus Birkenfeld über die Recherchen zu seinem Buch „Zwischen Dürre und Flut – Deutschland vor dem Wassernotstand“. Unter den knapp 100 Zuhörern waren auch zahlreiche Studenten, schließlich ist das Thema Wassersparen auch für den UCB ein wichtiges Thema, wie Prof. Stefan Naumann bei seiner Begrüßung deutlich machte.

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Ritzer hat sich tief in die Problematik der existierenden und zukünftigen Wasserversorgung in unserem Land eingearbeitet. Ein großes Problem sieht der Autor dabei im Wasserverbrauch der Wirtschaft (einschließlich Landwirtschaft), die mit 15 Milliarden Kubikmeter gut zwei Drittel der Gesamtmenge verbrauchen. Deutschland ist mittlerweile eines der Länder weltweit mit dem größten Verlust an Grundwasser und hat laut einer Studie im zurückliegenden Jahrzehnt in etwa so viel Wasser verloren, wie der Bodensee fasst.

Dabei sind die Probleme vielfältig, wie der Autor immer wieder feststellen muss: Zum Teil wird über die Wasserentnahme aufgrund alter, längst überholter Daten entschieden, wie etwa bei der Genehmigung von Grundwasserentnahme durch Sprudelbetriebe in Lüneburg. Es wird in einem Trinkwasserschutzgebiet, wo bereits Wasserknappheit herrscht, eine Autofabrik mit immensem Wasserverbrauch gebaut, wie bei Tesla in Brandenburg. Für die Industrie gibt es so gut wie keine Anreize, Wasser zu sparen. „Gerade Mineralwasserkonzerne bedienen sich umsonst oder für wenige Cent pro Kubikmeter an einem Allgemeingut und privatisieren dann den Gewinn“, so ein Ergebnis seiner Recherche.

Ritzer spricht sich gegen die Privatisierung der öffentlichen Wasserversorgung aus, „denn Wasser ist ein Menschenrecht und ein Allgemeingut. Die Trinkwasserversorgung muss Vorrang vor allen anderen Verbrauchern haben. Und dies kann nur funktionieren, wenn sie in öffentlicher Hand bleibt.“

Ritzer will mit seinem Buch alarmieren und aufrütteln, aber keinesfalls Panik schüren. Und so macht er auch konkrete Vorschläge: „Wenn wir es klug anstellen, dann ist die Wasserversorgung auch in den nächsten 20 bis 30 Jahren gesichert.“ Viel wird über neue Techniken wie Brauchwasserrückgewinnung oder Tröpfchenbewässerung in der Landwirtschaft erreicht werden können. Auch müssen marode Versorgungsleitungen saniert werden, durch die bis zu 10 Prozent des Trinkwassers verloren geht – die Stadtwerke Idar-Oberstein können davon ein Lied singen.

Sicher ist für Ritzer, dass Wasser – vor allen Dingen für die Industrie – teurer werden muss. „Doch wenn wir jetzt investieren, dann wird es sich in Zukunft auszahlen.“ Wichtig sei dabei eine starke Zivilgesellschaft, die den Dialog mit den kommunalen Wasserversorgern, der Politik und den Großverbrauchern sucht.

Den Ball nahmen die beiden Moderatoren, Monika Karl vom BUND und der Biologe und Organisator des Abends, Thomas Brodbeck, gerne auf. Auch die Bürgerinitiative „Wasser ist Leben“ hat sich nicht aufgelöst, nachdem ihr Ziel erreicht war, sechs neue Bohrungen im Nationalpark Hunsrück-Hochwald zu verhindern. Vielmehr schloss sie sich mit dem BUND, dem Nabu und der Pollichia zusammen, um nicht nur gegen die Sprudelbetriebe zu demonstrieren, sondern gemeinsam einen positiven Ansatz zu schaffen und das Gespräch mit allen Beteiligten zu suchen für die gesicherte Wasserversorgung der Zukunft.

Kritiker sehen Gutachten ein

Allerdings werde von den Sprudelbetrieben in Schwollen mit harten Bandagen um die Wasserentnahme aus dem Nationalpark gekämpft, wie Brodbeck deutlich machte. So betonten die Unternehmen mehrfach, dass sie ausschließlich aus mehr als 100 Meter Tiefe Wasser abpumpen würden und dies keinerlei Einfluss auf das obere Grundwasser habe. Vor wenigen Wochen konnten die Kritiker aber die bislang geheim gehaltenen Gutachten einsehen. Dabei zeigte sich, dass bereits aus Tiefen ab 25 Meter Wasser abgepumpt wird und sich dadurch der Grundwasserspiegel von gut fünf Meter Tiefe auf über 30 abgesenkt hat, bei einem anderen Bohrloch von mehr als 10 auf 47 Meter.

In diesem Gutachten steht laut Brodbeck auch ein entscheidender Satz: „Von der geplanten Grundwasserförderung ist das Schutzgut Grundwasser direkt betroffen.“ Sowohl Brodbeck wie Karl zeigten sich irritiert, wie die Biologin, die das Gutachten erstellte, zu dem Schluss kam, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung bei den Bohrungen nicht notwendig sei: „Für die im Vorhabengebiet liegenden Schutzgebiete und gesetzlich geschützten Biotope sowie dem Nationalpark sind keine negativen Auswirkungen zu erwarten. […] Die Schutzgebiete und die geschützten Biotope erfahren durch das Vorhaben [die Bohrungen] keine Beeinträchtigungen. […] Nachteilige Auswirkungen auf Vegetation, Tierwelt, Boden, Wasser und biologische Vielfalt sind durch das Vorhaben nicht gegeben.“

Dabei hätte der Biologin bewusst sein müssen, „dass die Vegetation sich über die Kapillarkräfte über mehrere Meter Tiefe mit Wasser versorgen kann“, wie Brodbeck ausführte. Eine Absenkung des Grundwasserspiegels bereits um wenige Dezimeter schneide gerade Flachwurzler wie Fichten vom lebenswichtigen Nass ab. Brodbeck zitierte aus einer Antwort auf seine Anfrage ans Umweltministerium, wonach „die Grundwasserneubildung im Bereich des Nationalparks in den vergangenen Jahren um 25 Prozent zurückgegangen ist“. Noch unverständlicher für Brodbeck und Karl ist der Umstand, dass dem Nationalparkamt dieses Umweltgutachten nicht vorgelegt wurde.

Wie groß das Interesse am Thema Wasser ist, zeigten die zahlreichen Fragen an Ritzer im Anschluss an seine Ausführungen. So wurde mehrfach nach den Zielkonflikten gefragt – zwischen Natur, Sprudelbetrieben, Trinkwasser und Landwirtschaft. Dabei stieß Ritzer bei seinen Recherchen auf die wenig erfreuliche Tatsache, dass viele kleine Sprudelbetriebe von großen Playern wie Red Bull, Aldi oder Lidl aufgekauft werden, was sicher nicht im Interesse einer nachhaltigen, preisgünstigen Versorgung mit Mineralwasser sein dürfte. Dabei will auch die Bürgerinitiative aus Leisel nicht den Schwollenern „das Wasser abdrehen“, vielmehr das alte Motto unterstützen: „Aus der Region – für die Region“, was allerdings durch den Verkauf von Untouched-Sprudelwasser aus dem Nationalpark, vertrieben unter anderem in Hamburg konterkariert werde.

Herbert Kraft vom Nabu kritisierte in der anschließenden Fragerunde den geplanten Neubau von 20 Kilometern Straßen im Kreis Birkenfeld. „Es ist völlig unstrittig, dass wir mit dieser brutalen Versiegelung aufhören müssen, damit Wasser vernünftig versickern kann“, lautete Ritzers Antwort.

Mooren kein Wasser abgraben

Ritzer war sich auch mit der Biotop-Beauftragten Margret Scholtes einig, dass es wichtig ist, gerade den Mooren nicht das Wasser abzugraben und dort Wasser abzupumpen, wo die Natur an der Oberfläche die Feuchtigkeit bitter nötig hat. Nach dieser Veranstaltung, die viel Anklang und positive Resonanz fand, war die einhellige Meinung, dass ein großer, weiterer Dialogbedarf besteht. Schließlich müsse für die Problematik sinkender Wasserbestände bei steigender Nachfrage in der Politik, Wirtschaft und auch in der breiten Bevölkerung noch viel Bewusstsein geweckt werden.

Ein Anfang ist das Bündnis aus den Umweltverbänden Nabu, BUND, Pollichia und der Bürgerinitiative „Wasser ist Leben“ sowie die Unterstützung durch die Bibliothek des Umwelt-Campus, des Nationalpark-Radios sowie der Buchhandlung Schulz-Ebrecht aus Idar-Oberstein, die gemeinsam den Vortrag von Uwe Ritzer ermöglichten. tbr