Kreis Birkenfeld

Fragen und Antworten zum Thema Flüchtlinge

"Deutschland ist top", scheint dieser Junge ausdrücken zu wollen. Ein Drittel der syrischen Flüchtlinge in der Afa Birkenfeld sind Kinder.  Foto: Reiner Drumm
"Deutschland ist top", scheint dieser Junge ausdrücken zu wollen. Ein Drittel der syrischen Flüchtlinge in der Afa Birkenfeld sind Kinder. Foto: Reiner Drumm

Das Thema Flüchtlinge beschäftigt derzeit die Menschen in Europa, in Deutschland und auch im Kreis Birkenfeld. Die NZ-Redaktion hat die wichtigsten Fragen rund um Afa, Asyl und Migration zusammengetragen und die Antworten dazu zusammengesucht. Zum Teil wurden die Fragen beim Infoabend am Montag in der Birkenfelder Großsporthalle gestellt und von Vertretern des Mainzer Integrationsministeriums beantwortet.

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Wieso wohnen die Flüchtlinge in der Kaserne und nicht wie andere in Wohnungen?

Es gibt Flüchtlinge in unterschiedlichen Stadien. Jene, die derzeit zur Erstaufnahme und Registrierung in der Birkenfelder Heinrich-Hertz-Kaserne untergebracht sind, und jene derzeit rund 500, die auf ihren Asylbescheid warten und in Idar-Oberstein, Birkenfeld und Baumholder in Wohnungen leben. Die Flüchtlinge in dieser Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (Afa) sollen – so ist es geplant – nicht lange dort bleiben, sondern nach ihrer Registrierung auf Kommunen in ganz Rheinland-Pfalz verteilt werden. Wie viele im Landkreis Birkenfeld verbleiben, kann derzeit noch niemand sagen.

Können die Flüchtlinge sich aussuchen, wo sie hinkommen? Viele wollen ja sicher in die Großstädte.

Nein, sie werden nach dem so genannten Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt. Rheinland-Pfalz muss danach 4,8 Prozent aller in Deutschland Asyl Begehrenden aufnehmen. Das Land verteilt diese dann auf die Afas. Nach Abschluss des Antragsverfahrens werden die Flüchtlinge ebenfalls nach einem bestimmten Schlüssel auf die Kommunen verteilt. Dass die derzeit auf einen Asylbescheid Wartenden ausschließlich in Idar-Oberstein, Birkenfeld und Baumholder untergebracht sind, hängt einzig mit der besseren Erreichbarkeit der zuständigen Behörden, von Ärzten und Lebensmittelgeschäften zusammen. Fachleute gehen aber davon aus, dass Flüchtlinge auch auf Wohnungen in den Dörfern verteilt werden müssen. Erst nach einem positivem Asylbescheid haben die Menschen dann freie Wahl, wo sie sich eine Arbeit und eine Wohnung suchen.

Wie lange bleiben die Menschen in der Afa?

In der Regel sollte ein Zeitraum von drei Monaten nicht überschritten werden. Die Aufnahmeeinrichtungen arbeiten allerdings aufgrund des großen Zustroms an ihrer Kapazitätsgrenze. Wenn die Flüchtlinge registriert sind und ihr Asylantrag gestellt ist, werden sie an die Kommunen verteilt. Der Landkreis Birkenfeld muss derzeit 2,0 Prozent der Flüchtlinge im Land aufnehmen. Die Mehrzahl der jetzt in der Heinrich-Hertz-Kaserne untergebrachten Menschen werden den Landkreis im Herbst wieder verlassen. Die, die hier bleiben, werden vom Kreissozialamt in Wohnungen untergebracht. Dabei wird eine Verteilung nach Ethnien angestrebt.

Woher kommen die Hilfesuchenden?

In der Birkenfelder Afa sind derzeit überwiegend Kriegsflüchtlinge aus Syrien untergebracht. In Idar-Oberstein, Baumholder und Birkenfeld leben aber auch bereits Asylbegehrende aus Somalia, Eritrea, Afghanistan und den Balkanstaaten.

Warum muss Birkenfeld so viele Flüchtlinge aufnehmen und andere Kommunen aber gar keine?

Birkenfeld muss nicht überproportional viele Flüchtlinge aufnehmen. Die weitgehend leer stehende Heinrich-Hertz-Kaserne hat sich als Erstaufnahmeeinrichtung angeboten. Kommunen, die eine solche Afa bekommen, müssen dafür später acht Prozent weniger Asylanten aufnehmen.

Müssen Flüchtlinge permanent in der Notaufnahmeeinrichtung bleiben?

Prinzipiell dürfen sich Flüchtlinge in der Afa frei bewegen. Das heißt, sie dürfen die Kaserne jederzeit verlassen. Bis vor Kurzem gab es noch die sogenannte Residenzpflicht, also die Verpflichtung für einen Asylsuchenden, sich während der Zeit, in der sein Asylantrag geprüft wird, nur in einer ihm zugeordneten Region aufzuhalten. Dies wurde nach zahlreichen Protesten von Flüchtlingen und Menschenrechtsorganisationen stark abgeschwächt. Flüchtlinge dürfen sich nach ihrer Registrierung nun grundsätzlich überall innerhalb Deutschlands bewegen.

Ist gewährleistet, das sich keine Kriminellen oder gar IS-Kämpfer unter den Flüchtlingen befinden? Es ist ja oft von gefälschten Papieren die Rede und dass Menschen aus sicheren Drittstaaten ihre Pässe wegschmeißen und sich als Syrer ausgeben.

Ganz ausschließen kann das niemand. Es findet aber eine detaillierte Untersuchung statt, um wen es sich handelt, inklusive erkennungsdienstlicher Erfassung mit Fingerabdrücken und allem pipapo. Die Polizei gleicht die Daten dann mit allen verfügbaren Datensätzen zum Beispiel von Interpol ab. Eine Clearingstelle versucht zudem herauszufinden, ob die angegebenen Fluchtgründe plausibel sind. Allerdings ist – wie es Staatssekretärin Margit Gottstein beim Infoabend ausdrückte – „keine oder gefälschte Ausweispapiere zu besitzen seit jeher ein Merkmal von Flüchtlingen“ und damit nicht per se verdächtig. Gottschein erinnerte an die Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland: Da gab es auch zuhauf gefälschte Visa etwa für den Aufenthalt in Schweden. Wenn sich Nichtsyrer als Syrer ausgeben, kommt das während des mehrwöchigen Aufenthalts in der Afa meist sehr schnell ans Licht. Die Syrer selbst haben da ein Auge drauf, sie finden ein solches Vorgehen verwerflich.

Werden Betrüger dann sofort abgeschoben?

Darauf gab es am Montagabend keine eindeutige Antwort. Gültige Rechtslage ist, dass jeder, dessen Asylgesuch abgelehnt wurde, die Bundesrepublik prinzipiell verlassen muss. Es besteht jedoch die Möglichkeit, Klage gegen die Ablehnung zu erheben. Daneben kann es auch Gründe dafür geben, die auch bei einem abgelehnten Asylgesuch gegen eine Rückführung ins Heimatland sprechen, etwa wenn der Gesundheitszustand der betreffenden Person dies nicht zulässt oder die Lage im Heimatland eine Rückkehr unmöglich macht. Personen erhalten dann meist eine sogenannte Duldung. Sie haben dadurch keinen Aufenthaltstitel, halten sich aber weiterhin legal in Deutschland auf. Hier sucht die Politik allerdings derzeit Wege, um eine Abschiebung schneller zu gewährleisten – auch und gerade um Platz zu schaffen für Menschen, die tatsächlich auf der Flucht sind.

Können Flüchtlinge ihre Familienangehörigen nach Deutschland holen?

Nach dem Aufenthaltsgesetz ist es für Ausländer, die im Besitz eines Aufenthaltstitels sind, möglich, im Rahmen des sogenannten Familiennachzugs ihre Familienangehörigen nach Deutschland zu holen. Voraussetzung ist, dass sie über ausreichend Wohnraum verfügen und den Lebensunterhalt ihrer Familie sichern können. Das gilt also nicht für Afa-Bewohner, sondern erst für Flüchtlinge mit dem Status „Bleiberecht“. In der Regel ist der Familiennachzug nur für die Kernfamilie möglich, also für Ehegatten und minderjährige ledige Kinder. In Ausnahmefällen kann zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte jedoch auch sonstigen Familienangehörigen der Nachzug ermöglicht werden. Der hier lebende Familienangehörige muss dann aber für Unterkunft, Lebensunterhalt und Krankenversicherung aufkommen. Zuständig hierfür ist die Ausländerbehörde der Kreisverwaltung.

Dürfen Asylbewerber arbeiten?

Generell gilt, dass Asylsuchende während der ersten drei Monate in Deutschland nicht arbeiten dürfen, danach ist ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt. Allerdings kommen sie aufgrund der sogenannten Vorrangprüfung, die erst nach 15 Monaten entfällt, nur dann zum Zuge, wenn sich niemand aus Deutschland oder einem EU-Staat um die Stelle bewirbt. Hierüber entscheidet die Agentur für Arbeit. Wer als Flüchtling über ein offizielles Bundeskontingent für syrische Flüchtlinge nach Deutschland kommt, erhält sofort eine Arbeitserlaubnis und ist auch nicht von der Vorrangprüfung betroffen.

Nach aktuellen Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat entfällt die Vorrangprüfung für Asylsuchende und Geduldete auch in folgenden Fällen:

  • für Hochschulabsolventen in Engpassberufen, die die Voraussetzungen für eine Blaue Karte EU erfüllen;
  • für Fachkräfte, die eine anerkannte Ausbildung für einen Engpassberuf nach der Positivliste der Bundesagentur für Arbeit haben beziehungsweise an einer Maßnahme für die Berufsanerkennung teilnehmen;
  • wenn die Menschen seit 15 Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung in Deutschland ausgestattet sind.

Die Landesregierung strebt an, die beruflichen Qualifikationen und Kenntnisse von Asylsuchenden möglichst frühzeitig zu erfassen, damit die Menschen schneller an den Arbeitsmarkt herangeführt werden und möglicherweise zum Beispiel dem Fachkräftemangel entgegenwirken können. So haben bereits zwei Ärzte aus dem Pool der aktuellen Flüchtlingen eine Arbeitsstelle in einer Klinik erhalten.

Bekommen die Asylsuchenden eigentlich Geld?

Die Flüchtlinge erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Während der Zeit in der Erstaufnahmeeinrichtung bekommen sie lediglich ein Taschengeld in Höhe von derzeit 33 Euro wöchentlich für persönliche Belange, da die Aufnahmeeinrichtung ansonsten eine Vollversorgung bietet. Mit dem Umzug in die Kommune ist diese für die Erbringung der Leistung zuständig. Dies geschieht überwiegend in Form von Geldleistungen entsprechend SGB XII. Wer als Flüchtling über ein offizielles Bundeskontingent für syrische Flüchtlinge nach Deutschland kommt, erhält meist Leistungen nach SGB II (Hartz IV), ebenso Menschen, die in den Kommunen auf ihren Asylbescheid warten.

Wie kann ich helfen?

Bedarf gibt es auf vielen Ebenen: ob beim Aufräumen der Kleiderkammer, bei der Freizeitgestaltung oder beim Deutschunterricht für die Flüchtlinge. Es gibt zahlreiche bestehende Hilfsorganisationen wie DRK oder ASB, darüber hinaus Gruppen, die Flüchtlinge betreuen wie das Café International in Baumholder und Idar-Oberstein. Die reibungslose und möglichst frustfreie Zusammenarbeit soll von Kreiskoordinator Jan Jakobi (Tel. 06782/15-423) organisiert werden. Auf Landesebene koordiniert der Birkenfelder Jörg Bruch vor allem die Sachspenden (wie Kleidung, Spielzeuge etc.), deren Transport und Lagerung. Er soll auch Strukturen für eine reibungslose Zusammenarbeit entwickeln. Kontakt zu ihm nimmt man, da er viel unterwegs ist, am besten per Mail auf: rlp-hilft@add.rlp.de. Bruch verspricht schnellstmögliche Rückmeldung. Auf der Facebook-Seite „RLP Erstaufnahme“ gibt er zudem immer aktuell bekannt, was genau wo benötigt wird.

In Birkenfeld hat sich die Facebook-Gruppe „Birkenfeld hilft“ zusammengetan, um Spenden zu sammeln. Weitere Initiativen entstehen. Die VG Birkenfeld erfasst freiwillige Helfer und deren Zeit- und Hilfsangebot. Mail-Kontakt: integration@vgv-birkenfeld.de Handzettel („Ich bin bereit zu helfen“) können dort angefordert werden. Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse eintragen und mitteilen, welche Fremdsprachen man spricht und zu welchen Tageszeiten man sich einbringen möchte. Auch die Art der Zeitspende wird registriert: Kinderbetreuung, Integration in Vereine, Sprachkurse – es gibt viele Möglichkeiten. Zudem soll ein Newsletter für Helfer eingerichtet werden. Kleiderspenden werden aktuell übrigens nicht angenommen. Katharina Thomé, Brückener Straße 8 in Birkenfeld, nimmt abgepackte Süßigkeiten (keine Gummibärchen oder Kaubonbons) und kleine Plüschtiere (gewaschen) an.

Was genau wird benötigt?

Was genau in den jeweiligen Einrichtungen vor Ort gerade gebraucht wird, wissen die jeweiligen Betreuenden vor Ort am besten. Dies können Sachspenden wie Fahrräder oder Schulmaterial oder Zeitspenden wie Begleitung bei Behördengängen, Hausaufgabenhilfe oder Unterstützung beim Erwerb von Deutschkenntnissen sein.

Sind ehrenamtliche Flüchtlingshelfer bei einem Unfall versichert?

Wer als Freiwilliger im Auftrag der Gemeinde Aufgaben übernimmt, die eigentlich Aufgabe der Kommune sind, genießt in der Regel den gleichen Versicherungsschutz wie Beschäftigte der Kommune. Ebenfalls gesetzlich unfallversichert ist, wer sich als Mitglied von Verbänden oder privaten Organisationen wie Vereinen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Genehmigung der Kommune ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert. Bringen sich Bürger innerhalb einer kirchlichen Organisation oder eines Vereines ohne Auftrag oder Einwilligung einer Kommune in der Flüchtlingshilfe ein, so können sie über die Verwaltungsberufsgenossenschaft versichert werden.

Erfolgt die Tätigkeit für ein Unternehmen der Wohlfahrtspflege (z.B. AWO, Caritas), ergibt sich die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Zu genauen Voraussetzungen und Abläufen informiert die Unfallkasse Rheinland-Pfalz hier auf ihrer Homepage. Rechtlich unselbstständige, ehrenamtliche Initiativen, Gruppen und Projekte, die ihre Tätigkeit in Rheinland-Pfalz ausüben oder deren Ehrenamt von Rheinland-Pfalz ausgeht, sind über einen Sammel-Unfallversicherungsvertrag sowie einen Sammel-Haftpflichtversicherungsvertrag der Landesregierung Rheinland-Pfalz abgesichert.

Wie können Helfer und Ärzte reagieren, wenn sie den Eindruck haben, dass Flüchtlingsfrauen oder -kinder von sexueller Gewalt betroffen sind?

Hier halten Frauenhaus und Frauennotruf Idar-Oberstein Unterstützung bereit. Kontakt: Tel. 06781/ 1522. Es gibt Flyer in arabischer Sprache.

Wie ist diese medizinische Versorgung in der Afa sichergestellt?

Es wird eine regelrechte Krankenstation geben. Die Birkenfelder Ärzte übernehmen diese Aufgabe. Dienstpläne sollen erstellt und tägliche Sprechstunden eingerichtet werden. An den Details wird noch gearbeitet. Vor Ort ist auch das DRK, das seine Mitarbeiter im Notfall einsetzen kann.

Zusammengestellt von Stefan Conradt, Vera Müller und Andreas Nitsch