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Kreis Birkenfeld

Eine Witwe klagt an – Zum tiefen Schmerz kommt die Wut dazu

Von Vera Müller
An der Unfallstelle stehen ein Birkenkreuz und ein Engel. Brigitte Wensky kämpft seit dem Unfalltod ihres Mannes nicht nur mit der Trauer, sondern hadert auch mit der Justiz.  Foto: Reiner Drumm
An der Unfallstelle stehen ein Birkenkreuz und ein Engel. Brigitte Wensky kämpft seit dem Unfalltod ihres Mannes nicht nur mit der Trauer, sondern hadert auch mit der Justiz. Foto: Reiner Drumm

Sie sieht ihn immer noch am frühen Pfingstmontagmorgen, kurz nach 9 Uhr am 10. Juni 2019, auf seiner Harley Davidson sitzen, und er winkt ihr zum Abschied zu. Die Tochter auf dem Rücksitz, die er schnell noch bei einer Bekannten absetzen möchte. Brigitte Wenskys Ehemann Thilo hat ein Ziel: Der 58-Jährige möchte zum Biker-Gottesdienst nach Frauenberg fahren, sich mit anderen Motorradfahrern austauschen und um Gottes Segen bitten. Die Tochter setzt er ab und fährt weiter.

Lesezeit: 5 Minuten
Nur wenig später fahren Polizeiwagen bei Brigitte Wensky vor. „Wollen die Polizisten zu mir?“ Das habe sie sich sofort gefragt. Und dann kommt dieser eine Moment, der alles verändert, an dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ins Bodenlose stürzen, nichts mehr ist, wie es mal war: Und eine Wunde entsteht, die ...
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Das Urteil: Im Zweifel für den Angeklagten – Keine Indizien für ein Ausweichmanöver

Der Vorwurf lautete fahrlässige Tötung und fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs: Nach einem zweieinhalbstündigen Prozess am Amtsgericht im Februar dieses Jahres verkündete Richterin Denise Frick am 12. Februar 2020 das Urteil: 240 Tagessätze zu jeweils 30 Euro muss der Mann, der aktuell nach eigenen Angaben von einem größeren Kasinogewinn lebt, bezahlen. Außerdem wurde ihm ein dreimonatiges Fahrverbot auferlegt, und er muss die Kosten des Verfahrens samt Nebenklage bezahlen.

Der Mann lebt seit 20 Jahren in Deutschland, beherrscht die Sprache aber nur sehr schlecht. Seine Einlassungen und Entschuldigungen wirkten sehr zurückhaltend und teilweise unglaubwürdig, wie auch Martin Säzler, der die Nebenklage der beim Prozess anwesenden Witwe des Opfers vertrat, damals anmerkte. Ein Beispiel hierfür: Man möge ihm den Führerschein lassen, er habe eine Partnerin in Köln, die er regelmäßig besuchen wolle. Der Verteidiger erklärte im Namen des Angeklagten: Er sei am Tattag, dem 10. Juni 2019, gegen 9.30 Uhr mit seinem Audi A 4 auf der B 41 unterwegs gewesen. Sein Reiseziel war Köln. Er könne zum Unfallhergang nicht viel sagen: außer, dass er einem Tier habe ausweichen wollen. Ob Reh oder Igel oder was auch immer, das wisse er nicht mehr. Der Mann dementierte klar die Annahme, er habe auf der Fahrbahn wenden wollen. Er räumte ein, dass er den hinter ihm auf der linken der beiden Richtungsfahrbahnen befindlichen Motorradfahrer übersehen habe. Nachfragen vonseiten der Richterin, des Bad Kreuznacher Staatsanwalts Heinrich Schneider und des Nebenklage-Anwalts ließ der Verteidiger in Absprache mit seinem Mandanten nicht zu. Ein Gutachter lieferte einen detaillierten Bericht. Der Motorradfahrer müsse beim Unfall etwa 85 km/h gefahren sein, der Pkw-Fahrer zwischen 10 und 15 km/h. Der Kollisionswinkel habe bei etwa 30 Grad gelegen. Es gebe keinerlei Indizien für ein Ausweichmanöver, und es liege die Vermutung nahe, dass der Angeklagte habe wenden wollen: „Der Motorradfahrer hatte keine Chance auszuweichen.“ Richterin Denise Frick verwies in ihrer Urteilsbegründung auf den juristischen Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. vm
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