Heute Abend erleben wir den ultimativen Showdown in der Neuwieder Kommunalpolitik. Es geht um Bürgermeister Michael Mang – doch eigentlich ist er nur eine Figur. Die Genossen wissen selbst, dass er nicht mehr tragbar ist. Aber in diesem Schachspiel ist er auf roter Seite der letzte „Offizier“. Es geht um die Neuwieder (!) SPD, um die Partei, die einst in dieser Stadt fast alles hatte: Oberbürgermeister plus Beigeordneten plus Stadtwerkechef plus GSG-Geschäftsführer plus zahlreiche Amtsleiter im Rathaus. Und heute? Dame, Springer, Läufer: weg. Es bleiben ein Turm – Michael Mang – und vielleicht noch eine Handvoll Bauern sowie ein Landtagsabgeordneter, der sich im März zum ersten Mal dem Votum der Wähler stellen muss. Wiederwahl? Ungewiss.
Wir erleben den (vielleicht) letzten Kampf alter Männer in der SPD. Sigurd Remy (81) hat es zwar parteiintern mit 35 von 66 Stimmen nur noch hauchdünn überhaupt auf die SPD-Wahlliste für den Stadtrat geschafft, aber praktisch hat er – dank seiner eisernen Entschlossenheit und dem Glauben seiner Genossen, dass es die drohende Bedeutungslosigkeit befeuert, wenn sie sich auch noch uneins zeigen – längst wieder das Kommando in der Fraktion übernommen. Jener Sigurd Remy, der in der Gänsekeulenaffäre wegen seiner „Pipifax“-Äußerungen als Fraktionschef zurücktreten musste und Vater des langjährigen Neuwieder Polit-Systems war, frei nach dem Motto: Wir (SPD) ein Pöstchen, ihr (CDU) ein Pöstchen, und allen geht’s gut. Und solange wir den Oberbürgermeister haben, uns sowieso.
Dieses System hat CDU-Chef Martin Hahn aufgebrochen. Man muss seine teils aggressive Art nicht mögen, er taugt als Feindbild. Festzuhalten ist: Er hat Posten nicht nach Parteibuch besetzt. Es gibt keine unnötig teuren Doppelspitzen mehr bei SWN und GSG. Und gerade zuletzt wieder hat er mit David Meurer einen Mann als GSG-Chef vorgeschlagen, der eben kein CDU-Mitglied ist. Ob er sich bewährt, steht in den Sternen. Dass sein Lebenslauf ihn qualifiziert, nicht.
Das eben war bei Michael Mang anders. Seine Qualifikation hieß unter dem Strich: Fraktionsgeschäftsführer der SPD. „Wir dachten, wir probieren ihn mal aus, und sehen dann in acht Jahren weiter, wie er sich gemacht hat“, hat ein verdienter Neuwieder Genosse mir einmal gestanden. Dann machte der unerwartete, tragische Tod von Nikolaus Roth einen Strich durch diese Rechnung. Mang, da sind sich viele einig, verlor die Bodenhaftung. Es gab keinen mehr, der ihn herunterholen konnte. In der Folge ging das Verhältnis zu (zu) vielen Mitarbeitern in der Verwaltung in die Brüche.
Im Stadtvorstand liegt eben dieses komplett in Scherben. Die Neuwieder Bürger haben Jan Einig (CDU) mit fast 20 Prozentpunkten Vorsprung zum Oberbürgermeister gewählt. Michael Mang hat diese Hackordnung nie akzeptiert. Aber nicht nur das: Er hat es offensichtlich auch geschafft, innerhalb kürzester Zeit den neuen Beigeordneten Ralf Seemann, von dem sich gerade die Grünen eine Mediatorenrolle erhofft hatten, gegen sich aufzubringen. Dass er jetzt – auf den letzten Metern des Abwahlverfahrens – sagt, sich ändern zu wollen, kann nicht mehr glaubwürdig wirken.
Die Folge von all dem ist der 2. Juli. Zum ersten Mal in der Neuwieder Geschichte soll ein Bürgermeister abgewählt werden. Mangs Fehler liegen auf dem Tisch. Anwälte haben sie in Gutachten herausgearbeitet. Und diese Anwälte waren nicht gekauft, sondern nach parteiübergreifend einstimmigen Beschlüssen beauftragt. FDP-Ratsherr Dietrich Rühle hat sie als ausgewiesener Fachjurist objektiv eingeordnet und festgestellt, dass es „allemal genug Gründe für eine Abwahl“ gibt.
Ob die nötigen 32 Ratsmitglieder zusammenkommen, steht dennoch in den Sternen. Es geht eben um mehr. Und deshalb tobt hinter den Kulissen eine Schlammschlacht ungekannten Ausmaßes. Die Verteidiger scheuen sich nicht einmal, die AfD zu instrumentalisieren. Das ist gesellschaftlich gefährlich. Denn um die Rechtspopulisten geht es hier nicht. Es handelt sich nicht um einen Lagerkampf, bei dem mit der Partei für eine Mehrheit paktiert werden muss. Die SPD steht allein und verteidigt ihren letzten „Turm“ nibelungentreu. Bei den anderen Parteien gibt es niemanden mehr, der den Bürgermeister allein für das unschuldige Opfer einer Kampagne hält. Es gibt Ratsmitglieder, die schwanken, ob die Vorwürfe für sie ausreichen, diese auch menschlich schwere Entscheidung fällen zu müssen.
Doch sie werden sich auf der anderen Seite fragen müssen, wie es in Neuwied weitergehen soll, wenn die 32 Stimmen am heutigen Donnerstag nicht zusammenkommen. Mang selbst wird keine Konsequenzen ziehen. Man kann das verstehen. Bei einer Abwahl bekommt er fünf Jahre lang viel Geld. Für die Entwicklung der Stadt möchte man sich jedoch nicht vorstellen, was passiert, wenn er im Amt bleibt. Fünf Jahre Hauen und Stechen. Fünf Jahre Streit und Misstrauen, statt gemeinsamer Anstrengung für die Stadt. Dabei wäre die so wichtig.
(Von unserem Chefreporter Ulf Steffenfauseweh)