Kreis Neuwied/Ahrweiler

Nach Einsatz im Katastrophengebiet: Wehrleute kehren äußerlich unversehrt heim in den Kreis Neuwied

Von ys/drü/rgr
Feuerwehrleute aus der VG Bad Hönningen sind mit einem Boot im überfluteten Ahrtal unterwegs. Inzwischen sind sie wie alle anderen Kräfte aus dem Kreis vom Katastropheneinsatz zurückgekehrt.
Feuerwehrleute aus der VG Bad Hönningen sind mit einem Boot im überfluteten Ahrtal unterwegs. Inzwischen sind sie wie alle anderen Kräfte aus dem Kreis vom Katastropheneinsatz zurückgekehrt. Foto: Feuerwehr VG Bad Hönningen

Eineinhalb Wochen Einsatz im Katastrophengebiet Ahrtal liegen hinter den mehr als 300 Feuerwehrleuten aus dem Kreis Neuwied, die im Wechseldienst und unter schwierigen Bedingungen ihre Frau oder ihren Mann gestanden haben.

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Am Sonntag kehrten mit der technischen Einsatzleitung auch die letzten Kräfte unversehrt zurück. Jetzt versuchen die stark beanspruchten ehrenamtlichen Wehrleute, wieder in ihren beruflichen Alltag einzusteigen. „Das wird für viele nicht so leicht“, vermutet der Brand- und Katastrophenschutzinspekteur (BKI) Holger Kurz.

Feuerwehrleute aus der VG Bad Hönningen sind mit einem Boot im überfluteten Ahrtal unterwegs. Inzwischen sind sie wie alle anderen Kräfte aus dem Kreis vom Katastropheneinsatz zurückgekehrt.

Feuerwehr VG Bad Hönningen

Feuerwehrleute aus der VG Bad Hönningen sind mit einem Boot im überfluteten Ahrtal unterwegs. Inzwischen sind sie wie alle anderen Kräfte aus dem Kreis vom Katastropheneinsatz zurückgekehrt.

Feuerwehr VG Bad Hönningen

Feuerwehrleute aus der VG Bad Hönningen sind mit einem Boot im überfluteten Ahrtal unterwegs. Inzwischen sind sie wie alle anderen Kräfte aus dem Kreis vom Katastropheneinsatz zurückgekehrt.

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Feuerwehrleute aus der VG Bad Hönningen sind mit einem Boot im überfluteten Ahrtal unterwegs. Inzwischen sind sie wie alle anderen Kräfte aus dem Kreis vom Katastropheneinsatz zurückgekehrt.

Feuerwehr VG Bad Hönningen

Bei Kurz selbst gibt es beruflich einiges aufzuarbeiten, wie er im RZ-Gespräch sagt. Dabei ist der Katastropheneinsatz zumindest für Führungskräfte noch nicht beendet. „Auf Landesebene haben wir Brand- und Katastrophenschutzinspekteure ein Vermittlungszentrum ins Leben gerufen, mit dessen Hilfe weiterhin Schichten besetzt werden“, berichtet er. So schlägt Kurz bereits am Freitag wieder bei der Einsatzleitung in Bad Neuenahr-Ahrweiler auf.

Davon bleiben die Feuerwehrleute in der VG Bad Hönningen und in anderen Kommunen an Rhein und Wied zunächst einmal verschont. Zehn Einsatzkräfte mit zwei Booten waren in der ersten Katastrophennacht ab 2 Uhr in Heimersheim im Einsatz, erzählt der Bad Hönninger Wehrleiter Michael Scharrenbach: „Die Menschen waren so in Not. Die haben uns das Boot vom Anhänger gerissen.“ Sieben Menschenleben konnten seine Leute in der Akutphase retten – trotz Dunkelheit, fehlender Ortskenntnis, Wassermassen und Lebensgefahr. Diese Zahl summierte sich im Laufe der Einsatzzeit auf 120 evakuierte Personen und sechs Tiere, erzählt der Wehrleiter. 80 seiner Kräfte waren über die Tage im Einsatz. „Alle Feuerwehren haben mehr als 100 Prozent gegeben“, ist Scharrenbach überzeugt. Bei allem, was in dieser Katastrophennacht nicht gut gelaufen ist, hält er fest: „Die überörtliche Hilfe hat reibungslos funktioniert.“ Eine besonders schwere Aufgabe für seine Einsatzkräfte war das Bergen der Leichen aus dem überfluteten Lebenshilfehaus aus Sinzig.

Kontingentwechsel bei Kräften aus Schleswig-Holstein

Nach tagelangem Hin und Her zwischen Windhagen und dem Nürburgring (wir berichteten) konnten die Einsatzkräfte – bestehend aus Feuerwehr, Rettungsdiensten und THW – aus Schleswig-Holstein am Wochenende endlich im Ahrtal unterstützen und die Feuerwehrleute aus dem Kreis Neuwied ablösen. 700 Helfer aus dem hohen Norden sind mit ihren mehr als 150 Fahrzeugen derzeit im Forum in Windhagen untergebracht. Ein Teil der Kräfte hat am Sonntag die Heimreise angetreten, wie Windhagens Ortsbürgermeister Martin Buchholz der RZ verrät. Doch diese werden durch neue, frische Kräfte aus Schleswig-Holstein intern ersetzt, sodass Windhagen weiterhin mehrere Hundert Helfer beherbergen wird, so Buchholz, der den Einsatzkräften für die Arbeit weit von der Heimat dankt.

Nach der Rettungs- und Evakuierungsphase ging es vor allem darum, Keller auszupumpen. „Die waren zum Glück leer“, erzählt der Wehrleiter und berichtet: Damit die ansässigen Feuerwehrkräfte auch mal eine Pause machen konnten, haben seine Leute zeitweise den Grundschutz sichergestellt. „Wir haben da nicht nur dumm rumgestanden“, sagt Scharrenbach mit Verweis auf vereinzelte Kritik aus der Bevölkerung. Wäre zu der Zeit etwa ein noch nicht geborgener Heizöl- oder Gastank explodiert, dann wären die Helfer aus Bad Hönningen ausgerückt. Diese Kritik wurmt Scharrenbach: „Wir sind nicht ausgebildet im Straßenbau.“ Dafür seien andere Kräfte gefragt. Er hat aber grundsätzlich Verständnis für Menschen, die alles verloren haben und dann auch mal im Gespräch mit seinen Feuerwehrkräften ein wenig lauter wurden. Aber die Bad Hönninger haben auch erlebt, dass die Menschen am Straßenrand standen und geklatscht haben, als sie kamen.

Viel erklären mussten auch die Einsatzkräfte aus der VG Asbach, berichtet Sprecher Tim Wessel. „Was macht ihr hier eigentlich? Warum gibt es immer noch keinen Strom? Warum dauert das alles so lange?“, lauteten die Fragen der Betroffenen. „Man muss den Menschen die Größenordnung klarmachen“, sagt Wessel. Er und seine Leute haben versucht, den Bürgern so gut wie möglich zu helfen, Anlaufstellen eröffnet, Versorgungspunkte mit Brauchwasser, Trinkwasser und Lebensmitteln eingerichtet. Gerade ältere Menschen trauten sich oft nicht einmal, eine Flasche Wasser mitzunehmen. „Auf die mussten wir aktiv zugehen“, erzählt der Sprecher.

Logistisch waren die Kräfte aus der VG Asbach stark gefragt, haben unter anderem Wasser und Treibstoff herumgefahren. Aber auch sie durchsuchten Gebäude, pumpten Keller leer und bargen Leichen. Und in der Führung in Bad Neuenahr-Ahrweiler waren sie mit involviert, erzählt Wessel, der selbst auch internationalen Medien Rede und Antwort gestanden hat, weil die bei der Ahrweiler Kreisverwaltung keinen Ansprechpartner gefunden haben. Manchmal haben die Feuerwehrleute Dankbarkeit gespürt, erzählt der Sprecher, etwa wenn ein Restaurant für sie mitgekocht hat. „Das Essen haben wir dann direkt in der Bevölkerung weiterverteilt“, so Wessel.

Ein Einsatz wie dieser wirkt nach, weiß auch Thomas Nelles, Wehrleiter der VG Linz. „Unseren Feuerwehrkameraden geht es grundsätzlich gut. Wir bieten ein umfassendes Unterstützungsangebot, um die belastenden Situationen, die sie erlebt haben, zu bewältigen“, sagt er. Seit der ersten Nacht der Flutkatastrophe waren zwei Löschzüge der VG mit schwerem Gerät inklusive Booten im Einsatz, berichtet Nelles. In der vergangenen Woche habe man einen Rhythmus von 24 Stunden Dienst und 48 Stunden frei gefahren, um den ehrenamtlichen Feuerwehrleuten Freizeit zu gönnen. Am Freitagabend übergaben die Linzer an die Einsatzkräfte aus Schleswig-Holstein, die in Windhagen untergebracht sind.

Ein Aspekt des Einsatzes hat einen bitteren Beigeschmack: Die Berichte von Übergriffen auf Helfer des THW im Katastrophengebiet. Die Linzer Wehrleute haben in ihrem Zuständigkeitsgebiet keine Anfeindungen über sich ergehen lassen müssen, stellt Nelles klar: „Davon habe ich nichts gehört. Von den Betroffenen erfuhren wir nur Dankbarkeit.“ Aber dennoch herrscht im Ahrtal eine angespannte und aufgeheizte Lage, ist sich der Linzer Wehrleiter bewusst.

Auch BKI Holger Kurz ist in Sachen Anfeindungen nichts zu Ohren gekommen. Davon abgesehen liegt für ihn nunmehr der Schwerpunkt auf der Nachbereitung des Katastropheneinsatzes. Da wären zum einen die Feuerwehrleute, die vor allem in der Flutnacht oftmals hohes Risiko eingegangen sind, um Menschen zu retten, so der Inspekteur. Das und die oftmals grenzwertigen Erfahrungen etwa beim Bergen von Leichen bedürfen aus Sicht von kurz einer Verabreitung. „Ich denke, wir müssen jetzt auch untereinander viel sprechen und können darüber hinaus auch Hilfe von Experten in Anspruch nehmen.“ Bei seiner Heimatwehr in Melsbach etwa ist ein Grillabend geplant, um sich im Kreis der Einsatzkräfte noch mal über das Erlebte auszutauschen.

Zum anderen steht für die Feuerwehr im Kreis Neuwied noch ein Bilanzgespräch zum Katastropheneinsatz an, so der BKI. Bis dahin gehen zwar einige Wochen ins Land, dennoch verspricht sich Kurz viel davon: „Indem wir uns fragen, was lief gut, was nicht, können wir sicher für künftige Extremlagen viel dazulernen.“ Und noch etwas liegt ihm am Herzen: „Jetzt, da die Feuerwehr so im Fokus steht, möchte ich für das Mitmachen bei der Feuerwehr, beim THW oder beim DRK werben. Wir brauchen jeden, egal ob IT-Experte oder Azubi.“

Um es nicht zu vergessen: Neben den Wehrleuten engagieren sich noch andere Kräfte aus dem Kreis Neuwied auf der anderen Rheinseite. Die Polizei Linz etwa unterstützt und sorgt für Sicherheit, wie Dienststellenleiter Thomas Hecking berichtet: „Wir haben kontinuierlich eine Dienstgruppe abgestellt für diese Aufgabe.“ Es sind aber auch Polizisten aus den übrigen Dienststellen des Polizeipräsidiums Koblenz, das die Oberhand über den Einsatz hat, für Ahrweiler abgestellt.

ys/drü/rgr

Landrat Hallerbach: „Wir werden sie nicht allein lassen

Kreis Neuwied. Die Einsatzkräfte aus dem Kreis Neuwied sind wieder zu Hause. Am Freitag haben sie den von ihnen geleiteten Abschnitt in Bad Neuenahr-Ahrweiler an die in Windhagen stationierten Kollegen aus Schleswig-Holstein übergeben. Am Sonntagnachmittag konnte Landrat Achim Hallerbach die letzten Feuerwehrleute aus dem Katastrophengebiet wieder zu Hause begrüßen. „Alle sind gesund und ohne körperlichen Verletzungen in ihre Feuerwehrhäuser eingezogen“, zeigte sich Hallerbach in einer Pressemitteilung erleichtert.

Angefangen mit einer Bitte um Unterstützung mit Sandsäcken in der frühen Flutnacht waren die Feuerwehrfrauen und -männer aus dem Kreis Neuwied insgesamt zwölf Tage lang in wechselnden Schichten ununterbrochen im Einsatz. „Ihr habt fantastische Arbeit geleistet. Ihr habt alle einen vorbildlichen, hervorragenden, professionellen und bärenstarken Dienst für die Menschen im Ahrtal geleistet“, rief Landrat Achim Hallerbach den Ehrenamtlichen zu, als er am Sonntag gemeinsam mit Brand- und Katastrophenschutzinspekteur (BKI) Holger Kurz, dem Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rengsdorf-Waldbreitbach, Hans-Werner Breithausen, und Wehrleiter Peter Schäfer das Einsatzleitfahrzeug des Kreises Neuwied als letzte zurückkehrende Einheit am Standort in Kurtscheid in Empfang nahm.

BKI Holger Kurz zeigte sich dabei „stolz auf seine Mannschaft“. Gefühlt sei jede Feuerwehrfrau und jeder Feuerwehrmann im Katastrophengebiet gewesen. „Das war ein wahnsinniger Einsatz. Ich kann nur allen herzlich danken, auch den vielen Leuten im Hintergrund. Da hat ein Rädchen ins nächste gegriffen“, sagt er und macht deutlich, dass die Ruhepause nun vor allem für die psychologische Verarbeitung genutzt werden muss. „Viele haben schreckliche Bilder gesehen und hatten Erlebnisse, die sehr belasten. Dieser Einsatz muss in der Seele aufgearbeitet werden“, formuliert er es.

Der Landrat sieht es ähnlich: „Wir werden sie nicht allein lassen. Mit Unterstützung unserer Notfallseelsorger und weiterer Fachkräfte erhalten sie bestmögliche Betreuung bei der Verarbeitung der erlebten Ereignisse.“ Hallerbach weiß, dass dies seine Zeit und eine gute Betreuung braucht.

Wann genau es für die Neuwieder Kräfte wieder zurück ins Krisengebiet geht, steht noch nicht fest. „Der Einsatz verlagert sich ein wenig. Jetzt ist nicht mehr in erster Linie die Feuerwehr gefragt. Aber wir werden sicher auch noch gebraucht und eingesetzt werden“, sagt Kurz.

Die Einheiten der anderen Hilfsorganisationen aus dem Kreis Neuwied befinden sich ebenfalls in der Übergabe auf Nachfolgeeinheiten. Nun gilt es, wieder „Kraft zu tanken” sowie alle Fahrzeuge und die technische Ausstattung zu reinigen und wieder in die regionale Einsatzbereitschaft zu stellen. „Und auch für unsere Einsatzkräfte steht die Nachbereitung nunmehr an. Für eine weitere Unterstützung stehen unsere Wehren bei einer entsprechenden Anforderung selbstverständlich zur Verfügung“, macht Hallerbach deutlich.