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Neuwied

Experte wirft Blick auf die gebeutelte Einkaufsstadt Neuwied: Die Shopping-City hat noch Chancen

Von Tim Kosmetschke, Christina Nover
Die Neuwieder Innenstadt übt noch immer eine gewisse Anziehungskraft aus.
Die Neuwieder Innenstadt übt noch immer eine gewisse Anziehungskraft aus. Foto: Jörg Niebergall

Nicht erst seit dem angekündigten Krumholz-Aus heißt es oft, dass die Neuwieder Innenstadt in der Krise steckt. Wie ernst ist die Lage wirklich? Die RZ hat mit einem Experten gesprochen – und Aufmunterndes gehört.

Lesezeit: 5 Minuten
Als Anfang des Jahres ein Schuttcontainer vor der gerade geschlossenen Douglas-Filiale in der Neuwieder Fußgängerzone stand, wirkte er fast wie ein Mahnmal: Wieder ein Ladenlokal in Neuwied, das leer geräumt wird. Die Innenstadt darbt – so ist es seit Jahren, und spätestens seit klar ist, dass mit Krumholz Mitte des ...
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Uni-Professor über die Einkaufsstadt Neuwied: „So trist ist es überhaupt nicht“

Neuwied. „In Neuwied ist doch eh nix mehr“: Solche oder ähnliche Kommentare finden sich en masse unter Facebook-Beiträgen, in denen es um die Innenstadtentwicklung geht. Doch wie schlimm steht es wirklich um die Neuwieder City?

Wir haben mit Dr. Bernhard Köppen, Professor an der Universität Koblenz-Landau, dessen Forschungsschwerpunkt unter anderem Regionalentwicklung ist, einen Rundgang gemacht. Sein aufmunterndes Fazit: „Es ist gar nicht so furchtbar, wie es in der Wahrnehmung rüberkommt.“

Köppen kennt Neuwied und seine Geschichte als Einkaufsstadt. Er kann verstehen, dass es gerade älteren Menschen, die die Hochzeit der Fußgängerzone miterlebt habe, so vorkommt, als würde es in Neuwied bergab gehen. „Es gibt ja auch einige krasse Lücken, die besonders ins Auge fallen“, sagt er. Damit meint er beispielsweise die ganze Reihe an leer stehenden Geschäften im oberen Teil der Mittelstraße. Dass es selbst in sogenannten Eins-a-Lagen Leerstände gibt oder sich dort Geschäfte ansiedeln, die man eher in Seitenstraßen vermuten würde, sei allerdings alles andere als ungewöhnlich. „Das sieht man selbst in Großstädten“, sagt Köppen.

Leerstand ist keine Schande, das macht der Experte deutlich – doch die Frage ist, wie man damit umgeht. Und in dieser Hinsicht kann Neuwied aus Köppens Sicht definitiv noch etwas dazulernen. Schlecht abdekorierte Geschäfte, Schaufensterfronten, die als Plakatwände zweckentfremdet werden – wie bei der ehemaligen Teddy-Apotheke – so werde Leerstand noch offensichtlicher: „Es gibt Möglichkeiten, das besser zu kaschieren“, meint Köppen. Er verweist auf die „ostdeutsche Lösung“ und meint damit unter anderem die sogenannten Wächterhäuser in der Stadt Leipzig. Bei diesem Zwischennutzungsmodell werden Hauseigentümer von den Kosten und der generellen Sorge um ihr Haus entlastet, dafür finanzieren sie eine Inbetriebnahme auf minimalen Standard.

Pop-up-Stores, Nutzung von Verkaufsräumen als Ausstellungsfläche – diese und andere Ideen sind beispielsweise auch im Neuwieder Netzwerk Innenstadt schon aufgekommen. Doch wenig wurde umgesetzt. „Da muss viel Überzeugungsarbeit bei Eigentümern geleistet werden“, weiß Köppen. Gut findet er die neongelbe Leerstandsfolierung im oberen Bereich der Mittelstraße. Zu dem zugeklebten Schaufenster mit dem Spruch „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer nimmt hier seine Chance selbst in die Hand?“ meint er: „Genau das ist der richtige Weg.“ Er räumt ein, dass solche Maßnahmen Geld, Zeit und Energie kosten und der Einsatz dieser Mittel nur sehr schwer zu vermitteln ist. Doch gerade bei Langzeitleerständen ist es seiner Meinung nach wichtig, solche Schritte zu wagen, damit nicht der Eindruck entsteht, das nichts passiert.

Beim Rundgang durch die City fallen Köppen viele Kleinigkeiten auf, die einen schlechten Eindruck machen. Dazu gehören beschlagene Schaufensterscheiben, schlecht oder gar nicht gereinigte Fassaden oder bauliche Maßnahmen, die nicht zum Rest des Gebäudes passen. „Hier wurde nicht mitgedacht“, sagt er beispielsweise beim Anblick eines weiß-gelb gesprenkelten Vordachs. Oben aufwendig verzierter Altbau, unten Leerstand. „Schade drum“, meint Köppen. Ideen wie ein Wasserspiel auf dem Luisenplatz hält er für sinnvoll, er meint aber: „Es müsste etwas sein, das nicht stört.“ Ein besonderes Glanzlicht für den Uni-Professor: das haushohe Graffito am Luisenplatz. „Neuwied ist nicht Berlin. Hier aber ist es Berlin“, meint er im guten Sinne.

Während viele Neuwieder über ihre Innenstadt schimpfen, sieht Köppen die Lage weniger dramatisch. „Es gibt hier doch alles. Geschäfte wie C&A oder H&M – da kämpfen andere Städte drum“, macht der Experte deutlich. Den Kummer über die Nachricht, dass das Sportgeschäft Krumholz Mitte des Jahres seinen Neuwieder Standort aufgeben will, kann Köppen hingegen gut nachvollziehen. Er spricht durchaus von einem Drama, das allerdings nicht mehr zu lösen sei. Umso wichtiger wäre es, möglichst schnell eine Nachnutzung für das zentral gelegene Eckhaus am Eingang der Fußgängerzone zu finden.

Die Auswahl der Mieter kann durchaus zum Problem für eine Stadt werden. „Der rein marktwirtschaftlich betrachtet beste beziehungsweise solventeste Mieter ist nicht unbedingt der, der auch zu einem positiven Image beiträgt“, erklärt Köppen. Wer auf lange Sicht attraktive neue Interessenten anziehen will, der müsse es schaffen, eine bestimmte Klientel zu motivieren. Und auch die Frage, ob neue Wohnnutzung in der Innenstadt anstelle ehemaligen Gewerbes letztlich zunftsweisender sein kann – statt des Hoffens auf die Wiederkehr vergangener Zeiten des boomenden Einzelhandels – sollte gestellt werden.

Köppens abschließendes Urteil: „Das, was ich gesehen habe, macht Lust darauf, sich länger aufzuhalten“, sagt Köppen. Vom Untergang der Innenstadt könne aus seiner Sicht nicht die Rede sein. Andere Städte, beispielsweise Andernach oder Limburg, kämpfen auch. Ein Rat von Köppen ist es, den Schrumpfungsprozess angesichts des allgemeinen Wandels des Einkaufsverhaltens zu akzeptieren und den Blick auf die schönen Dinge zu lenken: „So trist ist es überhaupt nicht“, meint er und macht Mut, das Beste aus dem herauszuholen, was Neuwied zu bieten hat.

Von unserer Redakteurin Christina Nover

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