Eine Trauerwanderung: Wenn jeder Schritt einem Trost spendet
Von Christina Nover
Wer trauert, der sollte sich Orte suchen, an denen er Kraft tanken kann. Wie zum Beispiel dieser Aussichtspunkt oberhalb von Feldkirchen. Foto: Christina Nover
Jeder Trauernde hat diese Momente. Momente, die ihn gedanklich zurückkatapultieren und innehalten lassen. Ein Erinnerungsstück. Ein Lied. Ein Geruch. Ein bekannter Satz aus dem falschen Mund. Und schon ist sie wieder da: Diese Schwere auf der Brust. Dieses flaue Gefühl im Magen. Tränen in den Augenwinkeln.
Lesezeit: 6 Minuten
Zuletzt hat es mich mal wieder an Nikolaus getroffen. Der Blick auf den mit Nüssen, Mandarinen und Schokolade gefüllten Stiefel beschwörte unweigerlich die Erinnerung an meine verstorbene Mutter herauf und der Gedanke hing wie ein Flaschengeist in der Luft. Meine Mutter, wie sie am Vorabend von Nikolaus immer so geheimnisvoll ...
Möchten Sie diesen Artikel lesen?
Wählen Sie hier Ihren Zugang
Registrieren Sie sich hier
Tragen sie Ihre E-Mail-Adresse ein, um sich auf Rhein-Zeitung.de zu registrieren.
Wählen Sie hier Ihre bevorzugte zukünftige Zahlweise.
Neuwied. Der Neuwieder Hospizverein ist im Kreis die erste Adresse, wenn es um Trauerbewältigung geht. Zu dem umfangreichen Angebot des Vereins gehören auch regelmäßig stattfindende Trauercafés. Brigitte Metzler aus Mülheim-Kärlich ist eine von acht Trauerbegleitern, die das Café in Neuwied betreuen. Wir haben mit der 64-Jährigen gesprochen.
Wie sind Sie zur Trauerbegleitung gekommen?
Ich habe gut vier Jahre ehrenamtliche Sterbebegleitungen gemacht, und dabei ist es manchmal vorgekommen, dass die Sterbenden bestens versorgt in ihren Betten lagen und am liebten in Ruhe gelassen werden wollten. Im Gegensatz zu ihren pflegenden Angehörgigen. Diese hatten ganz oft Gesprächsbedarf. Die Begegnungen mit Menschen, die darum trauern, einen lieben Menschen zu verlieren, haben mich sehr berührt.
Worauf kommt es beim Trauern an?
Trauer sollte zugelassen werden. Sie braucht Zeit und Raum. Man kann die Gefühle nicht mit Tabletten oder dauernder Ablenkung übertünchen. Man kann vor ihr nicht davonlaufen. Irgendwann holt sie einen ein. Das kann auch viele Jahre später passieren. Jeder muss da durch.
Ist der Winter eine besonders schwere Zeit?
Nach meiner Erfahrung schon. Die langen Abende und die damit einhergehende Einsamkeit setzt vielen Trauernden zu. Rund um Weihnachten gibt es in der Familie zudem oft Rituale, die schmerzhaft werden, wenn einer fehlt. Manchmal hilft es, diese aufzubrechen – Dinge extra anders zu machen.
Was passiert im Trauercafé?
Es geht vor allem darum, dass die Trauernden miteinander ins Gespräch kommen und sich gegenseitig bereichern. In dieser Runde darf geweint werden, es wird von Ängsten, von Wut und widersprüchlichen Gefühlen berichtet. Mit das Wichtigste ist dabei Verschwiegenheit. Es dringt nichts nach draußen. Die Gäste dürfen ihre Geschichte auch immer wieder erzählen, was oft im Umfeld nicht gut möglich ist.
Wie meinen Sie das?
Oftmals wird das Thema irgendwann gescheut oder Leute ziehen sich zurück. Der Name des Toten wird nicht mehr genannt, und es erkundigt sich auch keiner mehr nach dem Befinden des Trauernden. Dann heißt es gern: „Jetzt komm' mal drüber weg...“ Der Trauernde soll wieder funktionieren.
Welchen Tipp haben sie für den Umgang mit Trauerenden?
Es braucht vor allem Geduld und Verständnis. Man sollte die Gespräche zulassen und nicht abwürgen. Am besten fragt man nach, was derjenige gerade braucht. Es hilft allen Beteiligten, wenn der Trauernde dabei offen sagt, wann er reden, etwas unternehmen oder lieber in Ruhe gelassen werden möchte.
Ist die Trauer irgendwann vorbei?
Es gibt zwar sogenannte Trauerphasen, aber es ist nicht so, als ob man sie einfach abhaken kann. Sie treffen auch nicht auf alle zu. Jeder trauert anders und je nachdem, wen man verloren und wie die Beziehung zu dem Toten war, ist die Trauer auch eine andere. Die einen sind wütend, andere haben Angst vor der Zukunft, und manch einer konnte sich nicht versöhnen. Den Tod eines Menschen zu verarbeiten, heißt, sich die neue Situation bewusst zu machen und dem Verstorbenen einen neuen Platz in mir selbst zu geben. Es geht darum, dass ich im Herzen Frieden finde.
Die Fragen stellte Christina Nover
Angebote für Trauernde
Kreis Neuwied. Der Verein Neuwieder Hospiz hat viele Angebote für Trauerndende, wie Einzelgespräche, Gruppensitzungen oder Workshops.
Trauercafés finden in der Regel ein- bis zweimal pro Monat in Neuwied, Puderbach und Linz statt. In Linz gibt es auch ein Café für Jugendliche. Neben den Trauercafés werden vom Neuwieder Hospizverein auch Trauerwanderungen angeboten. Die Wanderungen finden zwei- bis viermal pro Jahr statt und werden in Neuwied, Linz und Neustadt angeboten. Weitere Angebote sind der Gesprächskreis für trauernde Angehörige in Neuwied und ein Auszeitwochenende im Kloster Maria Laach.