Es wird wieder einmal spannend. Denn den zuvor vor allem von SPD-Fraktionschef Sven Lefkowitz beschworenen „Neuwieder Konsens“ gibt es bei der Bürgermeisterwahl – natürlich – nicht. Trotzdem sollte die Sache eigentlich klar sein: Peter Jung ist der Kandidat der Papaya-Koalition. Und da sie eine Mehrheit im Stadtrat hat, sollte er morgen zum neuen Bürgermeister gewählt werden. Eigentlich. Nur zählt „eigentlich“ in der Neuwieder Stadtpolitik traditionell relativ wenig. Exemplarisch erinnert sei nur an die völlig unerwartete Abstimmungsschlappe des Beigeordneten Bernhard zur Hausen (CDU) im Dezember 2007. Mitbewerber und Amtskollege Jürgen Moritz (damals SPD) hatte sich nach eigenem Bekunden schon mit seinem Ruhestand abgefunden und blieb dann doch noch acht weitere Jahre im Amt. Sicher, so sagen viele, ist in Neuwied politisch nichts.
Doch wie stehen die Chancen? Zunächst die Formalien: Es gewinnt, wer in geheimer Wahl die absolute Mehrheit der abgegebenen, gültigen Stimmen erhält. Enthaltungen zählen also nicht mit. Theoretisch möglich ist, dass es noch am Wahlabend weitere Vorschläge gibt. Dazu hat jedes Ratsmitglied das Recht. Kandidat kann allerdings nur einer der 17 Bewerber sein, die ihre Unterlagen fristgerecht eingereicht haben.
Wie sehen nun die Mehrheitsverhältnisse aus? CDU (15), Grüne (7) und FWG (3) haben 25 von 48 Stimmen und damit knapp die absolute Mehrheit. Zu hören ist allerdings, dass mit Gudrun Vielmuth (CDU) und Arno Jacobi (FWG) zwei und mit Christoph Menzenbach möglicherweise ein drittes Papaya-Mitglieder fehlen werden. Blieben folglich 22 von dann noch 45 möglichen Stimmen. Also eine zu wenig.
Naheliegend wäre, dass die FDP (2) für Neuwieds parteilosen, aber aus einem liberalen Elternhaus stammenden Büroleiter stimmt. Fraktionssprecher Dietrich G. Rühle erklärt allerdings auf RZ-Nachfrage, dass er und sein Kollege Dennis Mohr sich final erst nach den Vorstellungsreden am Donnerstag im Stadtrat entscheiden werden. Stimmt einer von ihnen für Jung, würde das sicher reichen – wenn die Koalition selbst steht. Die Abstimmung wird damit zur Nagelprobe für die Papaya. Bislang haben deren Spitzen stets Harmonie, gegenseitiges Vertrauen und gute Zusammenarbeit betont. Doch es ist eine geheime Wahl. Und gerade eine Frau hätten sich grundsätzlich viele gewünscht.
Damit es für Dr. Edith Ulferts reicht, müsste allerdings viel passieren. Auf ihrer Seite stehen SPD (11), Linke und „Ich tu's“ (je 2). Angenommen, der fraktionslose SPD-Ratsherr Sigurd Remy stimmt mit seinen Genossen, käme das „Ulferts-Lager“ also auf 16 Stimmen und müsste folglich, die eigenen Geschlossenheit und Anwesenheit aller vorausgesetzt, mindestens vier Mitglieder von CDU, Grünen, Ich tu's oder FDP auf seine Seite ziehen – und gleichzeitig eine Enthaltung der AfD (4+1) einrechnen. Bei einer Unterstützung durch die Rechtspopulisten würde dagegen schon die beiden Liberalen beziehungsweise zwei Überläufer reichen.
Und ist es denkbar, dass die AfD die Kandidatin des linken Lagers unterstützt? Ja. Die „Causa Mang“ hat demonstriert, dass der Partei taktische Spielchen offenbar wichtiger sind, als eigene Überzeugungen. Von daher verbietet es sich, ihr Abstimmungsverhalten vorherzusagen.
Zur Erinnerung: Vor der ersten Abwahlsitzung am 2. Juli hatte AfD-Fraktionschef René Bringezu öffentlich erklärt, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem SPD-Bürgermeister „nahezu unmöglich“ sei. Die AfD und ihr fraktionsloses Mitglied Peter Schmalenbach enthielten sich dann aber trotzdem, was Mang – bewusst – im Amt hielt, wenn auch nur für sieben zusätzliche Wochen.
Ulf Steffenfauseweh analysiert die Chancen der Bewerber